OGH 15Os27/24w

OGH15Os27/24w17.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. April 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Weißmann in der Strafsache gegen * A* wegen des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach §§ 15, 228 Abs 1 StGB, AZ 10 U 187/22b des Bezirksgerichts Innsbruck, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 4. Oktober 2022 (ON 29) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Schreiber LL.M., zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00027.24W.0417.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In der Strafsache AZ 10 U 187/22b des Bezirksgerichts Innsbruck verletzt das Urteil dieses Gerichts vom 4. Oktober 2022

1. im Schuldspruch wegen des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach § 228 Abs 1 StGB diese Bestimmung;

2. im Einziehungserkenntnis betreffend die sichergestellten und zu StBl.Nr. 1071/21 verwahrten Gegenstände (iPhone, Kopfhörer) § 26 Abs 1 StGB.

Dieses Urteil wird aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:

* A* wird gemäß § 259 Z 3 StPO vom Vorwurf freigesprochen, er habe am 22. März 2021 in I* bei der dortigen Fahrschule A*, indem er sich während seiner Führerscheinprüfung die Antworten der Prüfungsfragen unter Verwendung einer funktechnischen Einrichtung von einem Außenstehenden übermitteln ließ, zu bewirken versucht, dass gutgläubig eine Tatsache, nämlich seine Befähigung zur Lenkung eines Personenkraftwagens aufgrund einer erfolgreich und regulär bestandenen Führerscheinprüfung, in einer inländischen öffentlichen Urkunde, nämlich einem amtlichen Führerscheindokument, unrichtig beurkundet wird, wobei er mit dem Vorsatz handelte, dass die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis des Rechts, nämlich des Nachweises seiner Befugnis zur Lenkung eines Personenkraftwagens, gebraucht werde.

Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Konfiskation des Mobiltelefons der Marke iPhone 6 und der Kopfhörer wird abgewiesen.

 

Gründe:

[1] Mit gekürzt ausgefertigtem (§ 270 Abs 4 iVm § 447 StPO) Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 4. Oktober 2022, GZ 10 U 187/22b‑29, wurde * A* wegen des nun vom Freispruch umfassten Vorwurfs des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach §§ 15, 228 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt.

[2] Ferner wurde im Urteil unter anderem angeordnet, dass „gemäß § 26 StGB [...] die sichergestellten und zu StBl.Nr. 1071/21 verwahrten Gegenstände (Iphone, Kopfhörer) eingezogen“ werden.

Rechtliche Beurteilung

[3] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, verletzt der Schuldspruch das Gesetz:

[4] 1. Ein Führerschein ist eine qualifizierte Beweisurkunde iSd § 228 StGB, die die Erteilung einer Lenkberechtigung (§ 13 Abs 1 FSG) sowie die Identität (Name und Geburtsdatum) beweist. Alleine darauf beschränkt sich dessen qualifizierte Beweiskraft (13 Os 43/23g Rz 6, 11 Os 51/23v Rz 5 – jeweils mwN, 11 Os 125/23a Rz 3; Kienapfel/Schroll in WK² StGB § 228 Rz 20).

[5] Die Beurkundung einer mit Bescheid erteilten Lenkberechtigung (§ 3 FSG), die ihrerseits unter vorangegangenem Einsatz unlauterer Mittel bei der automationsunterstützten theoretischen Fahrprüfung (§ 3 Abs 1 Z 4 iVm §§ 10 f FSG) erwirkt worden ist, stellt keine Beurkundung einer inhaltlich unrichtigen, sondern der (richtigen) Tatsache der Erteilung einer Lenkberechtigung in einem Führerschein (§ 13 FSG) dar (RIS‑Justiz RS0134465).

[6] Ob die Lenkberechtigung allenfalls unter Umgehung der Bestimmungen für die Ablegung der theoretischen Fahrprüfung durch Verwendung unerlaubter, technischer Hilfsmittel erlangt werden sollte, findet in der Urkunde keinen Niederschlag und ändert an der inhaltlichen Richtigkeit der Beurkundung des Vorliegens einer Lenkberechtigung nichts (11 Os 51/23v Rz 5 mwN).

[7] Das Erwirken eines allenfalls rechtswidrigen Hoheitsakts (hier die – gesetzlich fingierte – behördliche Mitwirkung an der Erteilung einer Lenkberechtigung) wird von § 228 StGB nicht erfasst (erneut 13 Os 43/23g Rz 8, 11 Os 125/23a Rz 5 – jeweils mwN).

[8] Der Tatbestand des § 228 Abs 1 StGB kann auch nicht im Hinblick auf den (nur für den behördeninternen Gebrauch bestimmten) Ergebnisausdruck (§ 3 Abs 5 FSG‑PV), der bei der automationsunterstützten theoretischen Fahrprüfung (§§ 11 Abs 1 und 2, 11a Abs 1 und 4 FSG sowie § 1 FSG‑PV) von der Aufsichtsperson erstellt wird, erfüllt sein, weil dieser kein geeignetes Tatobjekt des § 228 Abs 1 StGB darstellt (sogenannte „schlichte amtliche Urkunde“ RIS‑Justiz RS0134466).

[9] Die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den Tatbestand des § 228 Abs 1 StGB erfolgte daher rechtsirrig.

[10] 2. Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB setzt voraus, dass diese vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Das Wort „geboten“ spricht dabei die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0121298&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ), wobei das Tatwerkzeug nach seiner besonderen Beschaffenheit spezifisch in erster Linie zur Verwendung bei der Verübung von strafbaren Handlungen bestimmt sein muss (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0090389&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ).

[11] Die für die Beurteilung einer solchen besonderen Beschaffenheit erforderlichen Feststellungen sind dem Urteil in Bezug auf die im Spruch genannten Gegenstände nicht zu entnehmen. Ferner kann von einer besonderen Deliktstauglichkeit bei einem handelsüblichen Mobiltelefon und einem Kopfhörer in der Regel nicht die Rede sein. Das Einziehungserkenntnis verletzt daher § 26 Abs 1 StGB.

[12] Dasich die aufgezeigten Rechtsfehler zum Nachteil des Verurteilten auswirken, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, das Urteil aufzuheben und in der Sache selbst einen Freispruch zu fällen (§ 292 letzter Satz StPO), weil dasVerhalten des Angeklagten auch keiner anderen strafbaren Handlung subsumiert werden kann (vgl dazu erneut 13 Os 43/23g Rz 13 f, 11 Os 51/23v Rz 11 f).

[13] Von der Aufhebung des Schuldspruchs mitbetroffen ist der Ausspruch der Einziehung. Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Konfiskation dieser Gegenstände war als Folge des Freispruchs abzuweisen (vgl 14 Os 1/21k Rz 16; Fuchs/Tipold, WK‑StPO § 443 Rz 20).

[14] Vom aufgehobenen Urteil rechtslogisch abhängige Entscheidungen und Verfügungen gelten gleichermaßen als beseitigt (RIS‑Justiz RS0100444).

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