European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0110OS00125.23A.1114.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
In der Strafsache AZ 13 U 128/22s des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien verletzt das Urteil dieses Gerichts vom 26. Jänner 2023 (ON 18) § 228 Abs 1 StGB.
Dieses Urteil wird aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:
* S* wird gemäß § 259 Z 3 StPO vomVorwurf freigesprochen, er habe am 18. Jänner 2022 in Wien mit dem Vorsatz, dass die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts gebraucht werde, die Ausstellung eines inländischen Führerscheins, sohin einer inländischen öffentlichen Urkunde, zu bewirken versucht, indem er die theoretische Führerscheinprüfung unter Zuhilfenahme eines unzulässigen Hilfsmittels abzulegen versuchte, das alleine das Bestehen der theoretischen Führerscheinprüfung ermöglichen sollte.
Gründe:
[1] Mit gekürzt ausgefertigtem (§ 270 Abs 4 StPO iVm § 447 StPO) Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 26. Jänner 2023, GZ 13 U 128/22s‑18, wurde * S* wegen des nun vom Freispruch umfassten Vorwurfs des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach §§ 15, 228 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt.
Rechtliche Beurteilung
[2] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, verletzt der Schuldspruch das Gesetz:
[3] Ein Führerschein ist eine qualifizierte Beweisurkunde im Sinn des § 228 StGB, die die Erteilung einer Lenkberechtigung (§ 13 Abs 1 FSG) sowie die Identität (Name und Geburtsdatum) beweist. Allein darauf beschränkt sich dessen qualifizierte Beweiskraft (13 Os 43/23g; 11 Os 51/23v – jeweils mwN).
[4] Die Beurkundung einer mit Bescheid erteilten Lenkberechtigung (§ 3 FSG), die ihrerseits unter vorangegangenem Einsatz unlauterer Mittel bei der automationsunterstützten theoretischen Fahrprüfung (§ 3 Abs 1 Z 4 FSG iVm §§ 10 f FSG) erwirkt worden ist, stellt keine Beurkundung einer inhaltlich unrichtigen, sondern der (richtigen) Tatsache der Erteilung einer Lenkberechtigung in einem Führerschein (§ 13 FSG) dar (RIS‑Justiz RS0134465).
[5] Das Erwirken eines allenfalls rechtswidrigen Hoheitsakts (hier die – gesetzlich fingierte – behördliche Mitwirkung an der Erteilung einer Lenkberechtigung [s EBRV 1073 BlgNR 22. GP 6 f]) wird von § 228 StGB nicht erfasst (erneut 13 Os 43/23g; 11 Os 51/23v – jeweils mwN).
[6] Der Tatbestand des § 228 Abs 1 StGB kann auch nicht im Hinblick auf den (nur für den behördeninternen Gebrauch bestimmten) Ergebnisausdruck (§ 3 Abs 5 FSG‑PV), der bei der automationsunterstützten theoretischen Fahrprüfung (§§ 11 Abs 1 und 2, 11a Abs 1 und 4 FSG sowie § 1 FSG‑PV) von der Aufsichtsperson erstellt wird, erfüllt sein, weil dieser kein geeignetes Tatobjekt des § 228 Abs 1 StGB darstellt (sogenannte „schlichte amtliche Urkunde“; RIS‑Justiz RS0134466, RS0095967).
[7] Die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den Tatbestand des § 228 Abs 1 StGB erfolgte daher rechtsirrig.
[8] Da sich der aufgezeigte Rechtsfehler zum Nachteil des Verurteilten auswirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, das Urteil aufzuheben und in der Sache selbst einen Freispruch zu fällen (§ 292 letzter Satz StPO).
[9] Vom aufgehobenen Urteil rechtslogisch abhängige Entscheidungen und Verfügungen gelten gleichermaßen als beseitigt (RIS‑Justiz RS0100444).
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