European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00021.23M.0419.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Gründe:
[1] Die Staatsanwaltschaft Leoben legt * P*, * Sl* und * S* mit Anklageschrift vom 19. Oktober 2022 (AZ 1 St 244/22t) unter anderem als Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB qualifiziertes Verhalten zur Last (A./II./).
[2] Demnach haben sie um den 22. Juni 2022 in K* in verabredeter Verbindung * H* eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine traumatische Subarachnoidalblutung, Hämatome und blutende Wunden im Gesichtsbereich absichtlich zugefügt, indem sie ihr in mehreren Angriffen wuchtige Faustschläge, teils unter Verwendung eines Feuerzeugs, gegen Kopf und Körper versetzten, nach ihr traten und, als sie am Boden lag, Fußtritte gegen ihren Kopf und Körper versetzten, bis sie bewusstlos am Boden liegen blieb (ON 78).
[3] Mit dem angefochtenen Urteil sprach das Landesgericht Leoben als Schöffengericht gemäß § 261 Abs 1 StPO seine Unzuständigkeit aus, weil in einer Gesamtschau der Ergebnisse des Beweisverfahrens hinsichtlich dieser angeklagten Tat der Verdacht naheliegend sei, dass die Angeklagten jeweils das Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB, somit eine in die Zuständigkeit des Geschworenengerichts fallende strafbare Handlung begangen haben.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die dagegen von den Angeklagten P* und S* aus Z 6 (in Verbindung mit Z 5 und 5a) des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden verfehlen ihr Ziel.
[5] Prüfungsinhalt des Unzuständigkeitsurteils nach § 261 Abs 1 StPO ist ein Anschuldigungsbeweis (RIS‑Justiz RS0098830; Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 261 Rz 1). Dieser gilt dann als erbracht, wenn sich aus dem Anklagevorbringen in Verbindung mit den Beweisergebnissen der Hauptverhandlung der naheliegende Verdacht ergibt, der inkriminierte Sachverhalt wäre im Fall eines Schuldspruchs als eine in die Zuständigkeit des Geschworenengerichts fallende strafbare Handlung zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0124012). Die Voraussetzungen für ein Unzuständigkeitsurteil liegen bei strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben im Regelfall dann vor, wenn die äußeren Begleitumstände die Annahme eines Tatentschlusses in Richtung Mord nahelegen; denn es hängt allein von der inneren Tatseite ab, ob eine angeklagte Tat nach §§ 83 ff StGB oder nach § 75 StGB zu beurteilen ist (RIS‑Justiz RS0107021).
[6] Vorliegend gründete der Schöffensenat seine Feststellungen zum Naheliegen eines Tötungsvorsatzes der drei Angeklagten auf eine vernetzte Betrachtungsweise des – laut deren Verantwortung – bereits im Vorhinein geplanten Vorgehens, wonach jeder der drei Angeklagten der Reihe nach das Opfer malträtieren würde und darüber jeweils ein gesonderter Film aufgenommen werden sollte, wobei weitere schwere Tathandlungen nur deshalb unterblieben, weil das Opfer aufgrund der massiven Gehirnverletzungen bewusstlos wurde. Hinsichtlich der inneren Tatseite der Angeklagten sei die Annahme gerechtfertigt, dass diese nicht bloß in der Absicht handelten, das Opfer schwer am Körper zu verletzen, sondern es zumindest ernsthaft für möglich hielten und sich damit abfanden, dass dieses sterben könnte. Dabei verwiesen die Tatrichter insbesondere auf die wuchtigen Tritte gegen den Kopf des am Asphalt liegenden Opfers (US 3 ff).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P*:
[7] Vorauszuschicken ist, dass die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO wesensmäßig verschieden sind. Dies missachtet der Rechtsmittelwerber, soweit das Vorbringen aus Z 6 in Verbindung mit Z 5 und 5a undifferenziert erstattet wird (RIS‑Justiz RS0115902). Sich daraus ergebende Unklarheiten gehen zu Lasten des Angeklagten.
[8] Entgegen dem Beschwerdeeinwand (Z 5 zweiter Fall) war das Erstgericht – dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe folgend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) – nicht gehalten, sich mit allen – von der Rüge überdies isoliert hervorgehobenen – Details der Verantwortungen der Angeklagten auseinanderzusetzen (RIS‑Justiz RS0106642, RS0098377).
[9] Soweit der Rechtsmittelwerber auf die beweiswürdigende Erwägung des Schöffengerichts Bezug nimmt, wonach alle drei Angeklagten in der Hauptverhandlung eingestanden, es wäre ihnen bewusst gewesen, dass derartig massive, von oben nach unten geführte Tritte gegen einen am Asphalt liegenden Kopf tödlich enden könnten (US 4), und ausführt, dabei handle es sich um eine nachträgliche Beurteilung der (ohne sein Zutun) erfolgten Angriffe der beiden anderen Angeklagten, auf welche er keinen Einfluss gehabt hätte, wird nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung kritisiert.
[10] Das gilt auch für das Vorbringen, das Erstgericht hätte nicht begründet, aus welchen Beweggründen der Aussage des Zweitangeklagten eine höhere Glaubwürdigkeit zukommen solle als den gegenteiligen Aussagen des Erstangeklagten.
[11] Ein dem Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5a StPO entsprechendes Vorbringen ist nicht erkennbar (vgl RIS‑Justiz RS0116733).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*:
[12] Soweit der Nichtigkeitswerber auf den „Vorfall auf der M*brücke“ (vgl US 4) Bezug nimmt und ausführt, das Erstgericht hätte nicht begründet, worin bei diesem Vorfall die Tatbeteiligung des Drittangeklagten gelegen haben soll, geht er daran vorbei, dass das Schöffengericht seine Unzuständigkeit wegen eines anderen Faktums ausgesprochen hat.
[13] Welche „gegenteiligen Beweisergebnisse“ die Tatrichter übergangen hätten, macht die Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) nicht klar. Der Rechtsmittelwerber hebt bloß Details aus den Verantwortungen der Angeklagten hervor und behauptet, die Angeklagten hätten zu keiner Zeit einen gemeinsamen Tatplan bzw Tatentschluss gefasst, dem Opfer potentiell tödliche Verletzungen zuzufügen. Die Beschwerdeschrift bezeichnet das Urteil als widersprüchlich, ohne nachvollziehbare Begründung und aktenwidrig (Z 5 dritter, vierter und fünfter Fall), bleibt jedoch eine Darlegung der angeführten Mängel schuldig.
[14] Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
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