OGH 15Os139/13z

OGH15Os139/13z13.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Vasak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mensur N***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 24. Juni 2013, GZ 34 Hv 57/13z-55a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mensur N***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II./) sowie der Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt.

Danach hat er - zusammengefasst wiedergegeben - zwischen 16. August 2011 und 22. März 2013 in G***** und andernorts

I./ mit der am 16. August 2003 geborenen Amina E***** den Beischlaf und dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, und zwar

1./ indem er sie aufforderte, sich auf ihn zu setzen und sodann den Penis in ihre Scheide einführte, wobei er gleichzeitig Masturbationshandlungen durchführte;

2./ indem er in zumindest zwei Angriffen einen Finger in ihre Scheide einführte;

3./ indem er durch Einführen seiner Zunge in ihre Scheide Oralverkehr durchführte;

4./ indem er mit dem Penis in ihre Scheide eindrang, wobei er gleichzeitig Masturbationhandlungen an sich durchführte und von ihr durchführen ließ;

II./ außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an der unmündigen Amina E***** vorgenommen, indem er sie in zumindest zwei Angriffen an der Scheide betastete;

III./ eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter sechzehn Jahren zu gefährden, vor Amina E***** vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen und zu befriedigen, indem er sie aufforderte, sich auf den Boden zu legen und die Beine zu spreizen, während er bis zum Samenerguss masturbierte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Der Beschwerdeführer macht (Z 3) zu Unrecht mangelnde Individualisierung der Straftaten im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) geltend. Denn der Zweck dieses Referats im Urteilsspruch liegt darin, einerseits Lebenssachverhalte voneinander abzugrenzen, um Mehrfachverurteilungen hintanzuhalten, und andererseits jene als verwirklicht angesehenen entscheidenden Tatsachen zu bezeichnen, auf welche die gesetzliche Deliktsbeschreibung der strafbaren Handlungen abstellt (Lendl, WK-StPO § 260 Rz 9). Fehlende, ungenaue oder unzutreffende Angaben über Zeit und Ort der Tat begründen - es sei denn, sie wären ausnahmsweise rechtlich entscheidend (etwa im Zusammenhang mit der Verjährung, dem Schutzalter oder der Identität von Anklage und Schuldspruch) - keine Nichtigkeit aus Z 3, wenn die Tat sonst hinlänglich individualisiert und eindeutig von anderen unterscheidbar ist (RIS-Justiz RS0098693; vgl Lendl, WK-StPO § 260 Rz 14).

Fallbezogen ist die spruchmäßige Anführung einer unbestimmten Anzahl von Angriffen auf das namentlich genannte Tatopfer, die der Täter in einem bestimmten Zeitraum vorgenommen hat, aus Z 3 unbedenklich, zumal auch die Beschwerde nicht darlegt, weshalb Zeit und Ort zur Individualisierung der Taten von Bedeutung sein sollten (vgl RIS-Justiz RS0117498; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 290).

Das Gericht ist gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO verpflichtet, die schriftliche Urteilsbegründung in gedrängter Darstellung abzufassen und darin mit Bestimmtheit anzugeben, welche Tatsachen als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen wurden und aus welchen Gründen dies geschah, ohne dagegen sprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen. Es ist weder gehalten, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen und Verfahrensergebnisse zu erörtern, noch muss es sich mit den Beweisresultaten in Richtung aller denkbaren Schlussfolgerungen und mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzen.

Demgemäß versagt der Einwand des Beschwerdeführers, das Erstgericht hätte ein Ergebnis einer Laboruntersuchung der Unterwäsche des Opfers (wonach an einem Slip eingetrocknete Körperflüssigkeiten, aber weder Sperma- noch Blutspuren festgestellt wurden) nicht berücksichtigt. Indem darüber spekuliert wird, dass basierend auf der Aussage des Opfers Blutspuren und männliche DNA auffindbar gewesen sein müssten, verlässt der Beschwerdeführer - gleich einer Schuldberufung argumentierend - die Grenzen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5 StPO.

Dass aus formell einwandfreien Prämissen auch für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich wären, die Erkenntnisrichter sich aber dennoch (mit plausibler Begründung) für eine für den Angeklagten ungünstigere Variante entschieden haben, ist als Akt freier Beweiswürdigung mit Mängelrüge nicht bekämpfbar (RIS-Justiz RS0098400, RS0098362).

Das Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 5a) vernachlässigt den Anfechtungsrahmen dieses Nichtigkeitsgrundes, dessen Wesen und Ziel es ist, an Hand aktenkundiger Umstände unter Beachtung sämtlicher Verfahrensergebnisse erhebliche Bedenken (RIS-Justiz RS0118780) gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen aufzuzeigen (RIS-Justiz RS0119583). Eine den Anspruch auf Urteilswahrheit im Tatsachenbereich garantierende Überprüfung der Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im Einzelrichterverfahren vorgesehenen Berufung wegen Schuld lässt auch dieser formelle Nichtigkeitsgrund nicht zu. Er wird demgemäß durch bloß eigene Beweiswerterwägungen, welche jenen der Tatrichter entgegengesetzt werden, nicht tauglich dargestellt.

Gerade dies unternimmt der Beschwerdeführer jedoch, indem er erneut das Fehlen von Sperma- und Blutspuren, den Körperbereich, der mit einem Kondom „abgedeckt“ wird sowie das Verhalten des Opfers, das sich weder zur Wehr gesetzt noch weiteren Begegnungen mit ihm aus dem Weg gegangen wäre, thematisiert. Dies gilt ebenso für die allgemein gehaltene Erwägung, wie es zu einer Defloration kommen könne, das Verhalten „herkömmlicher Täter“ sowie die Spekulation, es läge möglicherweise eine Verwechslung hinsichtlich der „gelben“ Flüssigkeit vor, die „aus dem Penis“ gekommen sei. Den Hinweisen auf das Aussageverhalten des Opfers schließlich ist zu erwidern, dass die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Zeugin einer Anfechtung aus der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO entzogen ist (RIS-Justiz RS0099649).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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