OGH 15Os126/20y

OGH15Os126/20y30.12.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Dezember 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen M* M* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 3. August 2020, GZ 25 Hv 47/20p‑49, ferner über die Beschwerde des Angeklagten gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130375

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der dem Schuldspruch 3./C./ zugrunde liegenden Tat (auch) unter § 126 Abs 1 Z 5 StGB, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie der gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefasste Beschluss aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde M* M* des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (1./), des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 2 (richtig: Z 3) StGB (2./), des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB (3./A./a./), des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (3./A./b./), des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (3./B./), des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB (3./C./), des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (3./D./) und des Vergehens der Verleumdung nach §§ 15, 297 Abs 1 erster Fall StGB (3./E./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – in L*

1./ am 19. Februar 2020 R* W* mit Gewalt, indem er in der Duschkabine ihres Badezimmers ihren Hinterkopf erfasste und sie solcherart bäuchlings gegen die Fliesenwand drückte, zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, indem er mit seinem Penis in ihren Anus einzudringen versuchte;

2./ im Zeitraum August 2019 bis Ende Dezember 2019 anderen fremde bewegliche Sachen durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er mit der widerrechtlich erlangten Bankomatkarte der W* zumindest dreimal Bankomatbehebungen zu je 400 Euro, sohin insgesamt 1.200 Euro zu Lasten ihres Kontos durchführte, sohin mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel „ein Behältnis öffnete“;

3./ in der Nacht zum 23. Februar 2020

...

C./ eine Sache, die wesentlicher Teil einer kritischen Infrastruktur ist, nämlich das Dienstkraftfahrzeug der Polizei mit dem amtlichen Kennzeichen BP * beschädigt, indem er mit beiden Beinen gegen die hintere beifahrerseitige Seitenscheibe trat, wodurch diese zu Bruch ging;

D./ den auf der Polizeiinspektion L* diensttuenden Beamten N* Wo* gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er diesem gegenüber ankündigte, dass er ihn kaputt machen werde;

...

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf Z 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der teilweise Berechtigung zukommt.

[4] Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider stellt die Ableitung der Feststellungen zur inneren Tatseite (auch) hinsichtlich der Ernstlichkeit der Drohung gegenüber N* Wo* (3./D./) aus einer „lebensnahen Betrachtung der äußeren Sachverhalte“ sowie der „vom Angeklagten gewählten objektiven Vorgehensweisen“ (US 19), konkret dessen „bereits zuvor an den Tag gelegten äußerst aggressiven Verhalten“ (vgl US 13, 22), keine offenbar unzureichende Begründung dar (RIS‑Justiz RS0098671). Dass der Beschwerdeführer den - für ihn günstigeren – Schluss, es habe sich um eine „augenblicksbedingte, zornige Unmutsäußerung“ gehandelt, vorgezogen hätte, bildet kein Begründungsdefizit (RIS‑Justiz RS0098400).

[5] Soweit auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) im Zusammenhang mit der Besorgniseignung der Drohung eine derartige Würdigung der Äußerung fordert, vernachlässigt sie – entgegen den Vorgaben der Prozessordnung (vgl RIS‑Justiz RS0099810) – die Feststellungen zum Bedeutungsinhalt und zur Ernstlichkeit der Äußerung sowie zum Vorsatz des Rechtsmittelwerbers (US 13).

[6] Zu 1./ releviert die Rüge freiwilligen Rücktritt vom Versuch der Vergewaltigung (Z 9 lit b), weil R* W* bereits beim Eintreten des Angeklagten in die Duschkabine laut protestiert habe, wovon dieser sich jedoch nicht habe beirren lassen (vgl US 8). Sie übergeht dabei allerdings die Konstatierungen des Erstgerichts zu einem durch äußere Umstände erzwungenen Rücktritt (vgl US 9, 20: „weil sich R* W* dagegen körperlich sowie […] lautstark verbal zur Wehr setzte“) und erklärt zudem nicht, weshalb nicht schon allein die erst nach der gewaltsamen Fixierung an der Fliesenwand und dem „Drängen“ des Penis gegen den Anus einsetzende physische Gegenwehr des Opfers einer Freiwilligkeit der Tataufgabe im Sinn des § 16 StGB entgegenstehen sollte (vgl US 20; Hager/Massauer in WK² StGB § 16 Rz 142).

[7] Zu 2./ entfernt sich die die widerrechtliche Erlangung der Bankomatkarte bestreitende Subsumtionsrüge (Z 10) unzulässigerweise vom im Urteil festgestellten Sachverhalt in seiner Gesamtheit (RIS‑Justiz RS0099810), wenn sie – abgeleitet aus einzelnen Konstatierungen – behauptet, lediglich die Geldbehebungen seien ohne Wissen und Einverständnis der R* W* erfolgt, dabei aber die Feststellung übergeht, wonach der Angeklagte die Bankomatkarte heimlich, während das Opfer schlief, an sich nahm (US 6), und er wusste, „dass er ohne deren Zustimmung, Einverständnis und Wissen die Bankomatkarte an sich nahm und damit Geld behob“ (US 7). Weshalb ein heimliches Ansichnehmen der Karte während des Schlafes des Opfers nur dann widerrechtlich sein sollte, wenn diese aus einem Versteck entnommen worden wäre, vermag die Beschwerde nicht argumentativ aus dem Gesetz abzuleiten (RIS‑Justiz RS0116565; vgl RS0093818 [T3]).

[8] Die weitere Beschwerdeargumentation (nominell auch Z 5 dritter und vierter Fall) richtet sich gegen die Annahme der Einbruchsqualifikation bei der mittels vom Opfer „nicht rechtzeitig zurückgeforderter“ Bankomatkarte getätigten (dritten) Geldbehebung. Da Gegenstand der Subsumtionsrüge aber allein die nach § 29 StGB zu bildende Subsumtionseinheit ist, entbehrt die Rüge einer Darlegung (neuerlich RIS‑Justiz RS0116565), inwiefern eine geänderte rechtliche Beurteilung dieser Einzeltat jene der Diebstähle in ihrer Gesamtheit als ein Vergehen des schweren Diebstahls durch Öffnen (richtig:) einer Sperrvorrichtung nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 3 StGB (vgl RIS‑Justiz RS0132707) ändern sollte (RIS‑Justiz RS0120980; zu den [vertauschbaren] Alternativen dieser unselbständigen Qualifikation vgl RIS‑Justiz RS0119965).

[9] In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen.

[10] Zutreffend indes zeigt die weitere, zu 3./C./ erstattete Subsumtionsrüge (Z 10) das Fehlen von Feststellungen zu einem Vorsatz des Angeklagten auf, durch die Art der Beschädigung die Funktionsfähigkeit der kritischen Infrastruktur zumindest abstrakt zu beeinträchtigen oder zu gefährden. Die Urteilsfeststellungen tragen die Qualifikation nach § 126 Abs 1 Z 5 StGB somit nicht (vgl RIS‑Justiz RS0093502; Rebisant in WK² StGB § 126 Rz 64; Leukauf/Steininger/Messner, StGB4 § 126 Rz 35; Sagmeister, SbgK § 126 Rz 100;vgl zur Rechtslage vor BGBl I 2015/112: 15 Os 135/16s).

[11] Das angefochtene Urteil war daher wie aus dem Spruch ersichtlich und demzufolge auch der auf § 494a Abs 1 Z 4 StPO gestützte Beschluss aufzuheben.

[12] Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

[13] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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