European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00107.22G.0118.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch zu A./ zugrunde liegenden Taten unter § 148 zweiter Fall StGB und demzufolge auch im Strafausspruch, weiters der Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Leoben verwiesen.
Auf diese Entscheidung werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit ihren Berufungen gegen den Ausspruch über die Strafe sowie der Angeklagte mit seiner (impliziten) Beschwerde gegen den Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten gegen den Zuspruch an die Privatbeteiligten werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * M* des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB (A./) und der Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB (B./1./ und B./2./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz –
A./ mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich „oder einen Dritten“ unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrugshandlungen längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, wobei er bereits zwei solche Taten (A./1./ und A./2./) begangen hat, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen, nämlich der darlehensweisen Überlassung eines 5.000 Euro, nicht aber 300.000 Euro übersteigenden Gesamtbetrags von 65.000 Euro verleitet, die diese mangels Rückzahlung in den nachgenannten Beträgen am Vermögen schädigten, indem er jeweils unter Abschluss einer entsprechenden schriftlichen Darlehensvereinbarung wahrheitswidrig behauptete, er werde den jeweiligen Darlehensbetrag samt 100 % Zinsen binnen drei Monaten zurückzahlen, und zwar
1./ in S* * D*
a./ am 17. Dezember 2020 zur Übergabe von 10.000 Euro,
b./ am 28. Dezember 2020 zur Übergabe von 30.000 Euro;
2./ am 3. Februar 2021 in St* * R* zur Übergabe von 15.000 Euro;
3./ am 9. April 2021 in B* S* Z* und W* Z* zur Übergabe von 10.000 Euro.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen den Schuldspruch zu A./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und „9a“ StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Die Kritik (Z 5 vierter Fall) an den Ausführungen des Erstgerichts, wonach der Angeklagte den von S* und W* Z* übergebenen Darlehensbetrag verwendete, um ein anderes Darlehen zu bedienen, betrifft keine entscheidende Tatsache. Abgesehen davon gründet diese Urteilsaussage auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers (US 11 f iVm ON 40 PS 11).
[5] Mit dem Vorbringen, die Verantwortung des Angeklagten, er habe bloß „aufgrund des Umstands, dass er seinen Code zum Zugang zu seiner 'wallet' vergessen habe, keinen Zutritt zu den dortigen Geldwerten“ gehabt, sei nachvollziehbar und nicht widerlegbar, weshalb auch davon auszugehen sei, dass „dort weit mehr Bitcoin gutgeschrieben sind als zur Rückzahlung der gewährten Darlehen benötigt werden“, wird kein Begründungsdefizit iSd Z 5 aufgezeigt. Vielmehr kritisiert die Beschwerde bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld die – eingehende – Beweiswürdigung des Erstgerichts, insbesondere auch zur Glaubwürdigkeit der Einlassung des Angeklagten (US 12 ff).
[6] Die Tatsachenrüge (Z 5a) verfehlt ihr Ziel, indem sie unter Missachtung der Gesamtheit der beweiswürdigenden Erwägungen (US 10 ff; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 487) bloß releviert, dass der Angeklagte „über einen Deckungsfond zur Begleichung seiner Verpflichtungen gegenüber den Darlehensgebern verfügt“ und nur „aus widrigen Umständen, nämlich infolge Vergessens des Zugangscodes,“ keinen Zugriff darauf gehabt habe. Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen vermag sie damit jedenfalls nicht zu wecken.
[7] Die Behauptung der Rechtsrüge (Z 9 lit a), das Urteil leide an einem „Feststellungsmangel“, weil das Erstgericht „Feststellungen über den Deckungsfonds“, auf den der Angeklagte bloß „wegen des Vergessens des Codes“ nicht habe zugreifen können, unterlassen habe, übergeht – prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810, RS0099707) – die gegenteiligen Urteilsausführungen(US 8, 12 ff), wonach er den Code für das Hardware‑Wallet nicht vergessen hat (vgl im Übrigen auch US 4, 6 ff, 12, 15 zu den tatsächlich beengten finanziellen Verhältnissen des Angeklagten im Zeitpunkt der Tathandlungen). Abgesehen davonerklärt sie auch nicht, weshalb das (bloße) Vorhandensein eines allfälligen Deckungsfonds bei – wie festgestellt (US 6 ff, 8) – tatbestandsmäßigem Vorsatz (vgl dazu RIS‑Justiz RS0094383) dierechtliche Unterstellung unter §§ 146 ff StGB ausschließen sollte.
[8] Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[9] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon, dass – worauf schon die Generalprokuratur zutreffend hinweist – das Urteil an einem Rechtsfehler mangels Feststellungen zur Qualifikation nach § 148 zweiter Fall StGB leidet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO iVm § 281 Abs 1 Z 10 StPO).
[10] Gewerbsmäßiger schwerer Betrug verlangt die Absicht des Täters, sich durch wiederkehrende Begehung von jeweils schon für sich gesehen schwerem Betrug (§ 147 Abs 1 bis 2 StGB) längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen. Nur derjenige also, welcher einen – wenn auch bloß versuchten – schweren Betrug (§ 147 StGB) in der Absicht begeht, sich durch wiederkehrende Begehung von (erneut) schwerem Betrug längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, kommt als Täter des nach § 148 zweiter Fall StGB qualifizierten Verbrechens in Betracht (Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 148 Rz 6; RIS‑Justiz RS0122009).
[11] Zur subjektiven Tatseite konstatierten die Tatrichter zwar die Absicht des Angeklagten, „sich ab dem zweiten Angriff durch Betrügereien eine fortlaufende Einnahme iHv monatlich 400 Euro übersteigend zu verschaffen“ (US 9), bzw – disloziert im Rahmen der Beweiswürdigung – „sich durch sein betrügerisches Handeln bei jährlicher Durchschnittsbetrachtung ein monatlich 400 Euro übersteigendes Einkommen zu verschaffen“ (US 15); Feststellungen zur Absicht des Beschwerdeführers auf wiederkehrende Begehung von solcherart qualifizierten schweren Betrugshandlungen fehlen jedoch, sodass die Unterstellung der Betrugshandlungen unter § 148 zweiter Fall StGB im Urteilssachverhalt keine Deckung findet.
[12] Da die Tatbeschreibung im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) fehlende Feststellungen nicht zu ersetzen vermag (RIS‑Justiz RS0114639; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 15 und 580), waren das Urteil und der darauf beruhende Beschluss im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang bereits bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben (§ 285e StPO) und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.
[13] Mit seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung und der (impliziten) Beschwerde gegen den Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe (§ 498 Abs 3 StPO) war der Angeklagte ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf die aufhebende Entscheidung zu verweisen.
[14] Aus der Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 285d Abs 1 StPO) folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten gegen den Zuspruch an die Privatbeteiligten (§ 285i StPO).
[15] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Hinsichtlich des amtswegigen Vorgehens besteht keine Kostenersatzpflicht (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12).
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