OGH 14Os73/22z

OGH14Os73/22z27.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. September 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Buttinger in der Strafsache gegen I* V* wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 24. Jänner 2022, GZ 36 Hv 38/21i‑71, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00073.22Z.0927.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde I* V* – soweit hier von Relevanz – des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I.1.), jeweils eines Vergehens der sexuellen Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen nach § 218 Abs 1a StGB (IV.1.) und des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 3 StGB (IV.2.) sowie zu V. jeweils mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl I 2001/130, der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 und der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116, in einem Fall auch nach § 15 StGB, schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in S* und anderenorts nachgenannte Personen

I. am Körper verletzt, und zwar

1. A* V* von 2014 bis Herbst 2019 in mehreren, anfangs zirka achtmal im Jahr stattfindenden bis zu unregelmäßigen, zeitweise aber nahezu wöchentlichen Angriffen, indem er sie an den Haaren zog, ihr Ohrfeigen versetzte, sie zu Boden warf, mit den Füßen trat, mit einem Gürtel, einem Schuhlöffel und einem Ast schlug sowie am Hals packte und hochhob, wodurch sie unter anderem Schwellungen und eine blutende Lippe erlitt;

IV. im Oktober 2018

1. eine andere Person, und zwar seine Tochter A* V*, durch eine intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle inihrer Würde verletzt, indem er beim Hochziehen ihrer Strumpfhose die Innenseite ihrer Oberschenkel streichelte, sie im Intimbereich (über der Kleidung auf der Vagina) berührte, darüber streichelte und sodann beim Zurechtzupfen der Strumpfhose ihre Hüften und das Gesäß intensiv berührte;

2. durch diese Tat eine sexuelle Belästigung nach § 218 Abs 1a StGB an einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person, nämlich seiner damals 14‑jährigen Tochter A* V* vorgenommen;

V. „ab einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2004 bis im September/Oktober 2019“ M*V* in mehreren Angriffen mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie zu sich zog, sie an den Händen oder am Bauch festhielt, sie gegen ihren Willen auszog, sich auf sie legte, ihre Hände festhielt und ihr die Beine zur Seite schob oder sie würgte und ihr mit der Hand auf die Scheide griff und mit seinem Penis in sie eindrang, sohin den Vaginalverkehr vollzog, obwohl sie ihm sagte, es tue ihr weh und sie wolle keinen Geschlechtsverkehr, sie versuchte, sich mit den Händen loszureißen und ihn mit den Beinen wegzudrücken, wobei die letzte Tat beim Versuch blieb.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 11 erster Fall StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Entgegen dem zu IV.1. erhobenen Einwand unvollständiger Begründung (Z 5 zweiter Fall) der – aus dem äußeren Tatgeschehen abgeleiteten (US 29) – Feststellung zur subjektiven Tatseite hat das Erstgericht dargelegt, aus welchen Gründen es der Verantwortung des Angeklagten nicht zu folgen vermochte (US 9 f und US 26 ff). Zu einer gesonderten Auseinandersetzung mit einem einzelnen – von der Beschwerde relevierten – Detail dieser Einlassung bestand daher keine Verpflichtung (RIS‑Justiz RS0098642 [T1]). Soweit die Rüge in diesem Zusammenhang aus der von den Tatrichtern berücksichtigten Maßregelung des Opfers durch den Angeklagten im Zuge des Tatgeschehens eigene Schlussfolgerungen zieht, bekämpft sie bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die erstgerichtliche Beweiswürdigung.

[5] Dem zu V. erhobenen Vorwurf der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider waren die Mutmaßungen des Opfers darüber, ob der Beschwerdeführer dessen Nein zur Vornahme des Beischlafs gehört hat (ON 12 S 18), nicht zu erörtern (vgl RIS‑Justiz RS0097540 [insbes T18]).

[6] Entgegen der weiteren Kritik (der Sache nach Z 5 vierter Fall) ist die Ableitung der Festellungen zur subjektiven Tatseite hinsichtlich des Fehlens einer Einwilligung des Opfers aus den einzeln dargestellten Umständen des objektiven Tathergangs (US 30) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit unbedenklich (vgl RIS‑Justiz RS0116882).

[7] Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) zu I.1. vorbringt, dass sich aus den (das Opfer betreffenden) Krankenunterlagen sowie aus den Aussagen der Zeuginnen Mag. * K*, * S* und * P* nichts Belastendes ergebe, obwohl dies bei erlebnisfundierter Aussage der A* V* der Fall sein müsste, richtet sie sich lediglich gegen die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit der A* V*. Solcherart werden keine erheblichen Bedenken im Sinne des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes geltend gemacht (vgl RIS‑Justiz RS0099649, RS0099419).

[8] Unter Hinweis auf die Aussagen der Eltern des Angeklagten in Bezug auf einen bestimmten, in der tatrichterlichen Beweiswürdigung erwähnten Vorfall in Serbien (US 17 f) stellt die weitere Rüge dessen Täterschaft hinsichtlich einzelner zu einer gleichartigen Verbrechensmenge zusammengefasster, lediglich pauschal individualisierter Taten (vgl US 4 f) in Frage und spricht damit keine entscheidende Tatsache an (RIS‑Justiz RS0116736). Soweit die Beschwerde die Aussagen dieser Zeugen, die Tätlichkeiten des Angeklagten in Abrede stellen, aber über keine lückenlosen Wahrnehmungen zum Zusammenleben des Angeklagten und A* V* verfügen (vgl ON 56 S 36, 70 S 12), hinsichtlich sämtlicher zu I.1. zusammengefasster Taten ins Treffen führt, weckt sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen.

[9] Die von der Tatsachenrüge zu IV. kritisierte Überzeugung der Tatrichter von der Unglaubwürdigkeit der den Beschwerdeführer entlastenden Zeugin * A* (US 27 f) und der Glaubwürdigkeit der ihn belastenden Zeugin A* V* (US 26) ist einer Anfechtung aus Z 5a des § 281 Abs 1 StPO entzogen (vgl abermals RIS‑Justiz RS0099649, RS0099419).

[10] Gleiches gilt für das zu V. gegen die Annahme der Glaubwürdigkeit der (einzigen) Belastungszeugin M* V* (US 29 f) gerichtete Vorbringen.

[11] Der Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) zuwider bestimmt sich – wie hier bei (echt) konkurrierenden strafbaren Handlungen mit gleichartigen Strafen (vgl zur Einordnung alternativer Strafdrohungen als Unterfall der Androhung „nur“ einer Strafart Ratz in WK² StGB § 28 Rz 6)– die Obergrenze des Strafrahmens nach jenem Gesetz, das die höchste Strafobergrenze androht, die Untergrenze nach jenem, das die höchste Mindeststrafe vorsieht (§ 28 Abs 1 StGB, Ratz aaO Rz 7), gegenständlich also sowohl hinsichtlich der Unter- als auch der Obergrenze nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl 2013/116. Demzufolge ging das Erstgericht zutreffend von einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe aus.

[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[13] Voraussetzung für eine Kostenersatzpflicht im Rechtsmittelverfahren (§ 390a StPO) ist – sofern das Rechtsmittelgericht nicht in der Sache selbst erkennt – ein grundsätzlicher Ausspruch derselben nach §§ 389 oder 390 StPO in der erstinstanzlichen Entscheidung. Da das Erstgericht – entgegen § 260 Abs 1 Z 5 und § 389 StPO – den Ausspruch der Kostenersatzpflicht (unbekämpft) unterließ, ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, eine Kostenersatzpflicht des Angeklagten nach § 390a StPO auszusprechen (RIS‑Justiz RS0101332; Lendl, WK‑StPO § 389 Rz 1 und 4 sowie § 390a Rz 4 und 7).

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