European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00049.21V.0118.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu A/II/2 sowie in der in Bezug auf den Angeklagten Mag. A* zu A/I/ und A/II/ gebildeten Subsumtionseinheit, weiters im Schuldspruch zu B/, demzufolge auch in den Strafaussprüchen beider Angeklagten aufgehoben und es wird die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Mit ihren auf die aufgehobenen Schuldsprüche bezogenen Nichtigkeitsbeschwerden und ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.
Deren Nichtigkeitsbeschwerden im Übrigen werden zurückgewiesen.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – Mag. (FH) * L* (zu A/I/) und Mag. M* A* (zu A/I/ und II/) je eines Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, Erstgenannter überdies (zu B/, jeweils iVm § 12 dritter Fall StGB) je eines Vergehens der Herabwürdigung religiöser Lehren nach § 188 StGB und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach haben in G* und an anderen Orten
A/ Mag. (FH) L* als stellvertretender Leiter der Außenstelle G* des Abwehramts (US 5) und Mag. A* als für mehrere Abwehrstellen zuständiger Leiter des Fachbereichs B1 (US 5), mithin als Beamte des österreichischen Bundesheers, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, nämlich zum Zweck des militärischen Eigenschutzes Informationen über Bestrebungen und Tätigkeiten, die vorsätzliche Angriffe gegen militärische Rechtsgüter zur Beeinträchtigung der militärischen Sicherheit erwarten lassen, zu beschaffen, zu bearbeiten sowie auszuwerten und eine Vertrauensperson als Quelle zu führen (nachrichtendienstliche Abwehr, §§ 2 Abs 1 Z 2, 20 Abs 2 und 22 MBG), wissentlich missbraucht, und zwar
I/ Mag. (FH) L* und Mag. A* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) am 5. Mai 2016 mit dem Vorsatz, dadurch – soweit hier von Bedeutung – * K* an dessen Grundrecht auf Privatleben (Art 8 MRK) zu schädigen, indem sie die – nicht § 22 Abs 3 MBG entsprechende (vgl US 6 ff) – Observation des K* im Bereich einer Moschee in G* ohne die nach § 22 Abs 8 MBG gebotene Verständigung und Zustimmung des Rechtsschutzbeauftragten sowie die Verständigung des Bundesministers für Landesverteidigung veranlassten und durchführten;
II/ Mag. A*
1/ zwischen 3. und 5. Mai 2016 mit dem Vorsatz (ersichtlich gemeint – vgl US 8 f, vgl auch RIS‑Justiz RS0096141 [T20]), dadurch den Staat durch Vereitelung des (Schutz-)Zwecks des § 2 Abs 2 MBG, die Gefahrenabwehr durch die Sicherheitsbehörden zu ermöglichen, zu schädigen, indem er die Sicherheitsbehörden entgegen seiner Verpflichtung über die nach seinen Informationen bestehende allgemeine Gefahr nach § 16 Abs 1 Z 1, Abs 2 Z 1 und Abs 3 SPG, nämlich über die konkrete Planung und Vorbereitung strafbarer Handlungen nach §§ 125 und 188 StGB, weder rechtzeitig noch vollständig benachrichtigte noch auf die im Anlassfall gebotene Weise unterstützte, sowie
2/ zwischen 9. und 11. Mai 2016 mit dem Vorsatz, (zu ergänzen) dadurch „den Staat an seinem Recht auf Prüfung der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der nachrichtendienstlichen Aufklärung und Abwehr zu schädigen (§ 57 MBG)“, indem er in der nachträglich an den Rechtsschutzbeauftragten erstatteten Meldung die Ereignisse vom 5. Mai 2016 entgegen den tatsächlichen Geschehnissen als Zufallsbeobachtung (US 12) darstellte und so „in einer öffentlichen Urkunde, deren Ausstellung als Leiter des Fachbereichs B1 in den Bereich seines Amtes fiel, Tatsachen mit dem Vorsatz fälschlich beurkundete, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis dieser Tatsachen gebraucht werden“;
B/ Mag. (FH) L* am 4. Mai 2016 (US 9) zu den strafbaren Handlungen des K* und des * B*, die am 5. Mai 2016 in G* öffentlich eine Glaubenslehre und einen gesetzlich zulässigen Brauch der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, nämlich die Lehre vom Erfordernis der rituellen Reinheit beim Gebet und die Speisevorschriften des Islam, insbesondere das Verbot des Essens von Schweinefleisch und Blut, unter Umständen herabgewürdigt und verspottet haben, unter denen ihr Verhalten geeignet war, berechtigtes Ärgernis zu erregen, indem sie auf dem Boden des Grundstücks eines Islamischen Kulturzentrums samt Moschee Schweineblut verschüttet, das Minarett mit Blut bespritzt und auf dem Bauzaun vor dem Minarett zwei Schweinekopfhälften angebracht sowie dadurch eine fremde Sache verunstaltet haben, beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), indem er mit B* einen Fluchtplan erarbeitete und ihn durch die Aufforderung „Ja, grünes Licht, mach bei der Aktion mit.“ im Tatentschluss bestärkte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richten sich die von Mag. (FH) L* aus den Gründen der Z 4, 5, 5a, 7, 9 lit a und 10 und die von Mag. A* aus jenen der Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden.
Zu den amtswegigen Maßnahmen:
[4] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass das angefochtene Urteil im Schuldspruch zu A/II/2/ mit zum Nachteil des Angeklagten Mag. A* und – wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – im Schuldspruch zu B/ mit zum Nachteil des Angeklagten Mag. (FH) L* wirkender – nicht geltend gemachter – materieller Nichtigkeit behaftet ist, die von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
[5] Nach den hier relevanten Feststellungen des Erstgerichts zu A/II/2/ (US 2, 10 ff) führten die Angeklagten am 5. Mai 2016 eine Observation des K* ohne die gemäß § 22 Abs 8 MBG gebotene Verständigung und Zustimmung des Rechtsschutzbeauftragten durch. Zwischen dem 9. und dem 11. Mai 2016 verfasste der Angeklagte Mag. A* nachträglich eine Meldung über die Ereignisse vom 5. Mai 2016 an den Rechtsschutzbeauftragten, in der er (unter wissentlichem Missbrauch seiner Befugnisse) wahrheitswidrig eine Zufallsbeobachtung beim Islamischen Kulturzentrum schilderte. Dieser schriftliche Einsatzbericht wurde dem Rechtsschutzbeauftragten am 11. Mai 2016 übermittelt. Zum Schädigungsvorsatz stellten die Tatrichter fest (US 2, 12, 14), dieser habe sich darauf bezogen, „den Staat an seinem Recht auf Prüfung der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der nachrichtendienstlichen Aufklärung und Abwehr zu schädigen (§ 57 MBG)“.
[6] Damit wird aber bloß ein staatliches Kontrollrecht angesprochen, das keinen tauglichen Bezugspunkt des Schädigungsvorsatzes bildet. Reicht nämlich der Anspruch des Staates gegenüber dem Beamten, keinen Befugnisfehlgebrauch (hier durch Nichteinhaltung von Vorschriften des MBG) zu begehen, in diesem Zusammenhang nicht aus, gilt dies umso weniger für das (daraus abgeleitete) Recht, die Einhaltung von (darauf bezogenen) Vorschriften nachträglich zu überprüfen (RIS‑Justiz RS0096270; Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 159 mwN).
[7] Der Schuldspruch zu A/II/2/ leidet daher unter einem Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a).
[8] Zum Schuldspruch zu B/ konstatierten die Tatrichter, dass der Angeklagte Mag. (FH) L* zu der – den Tatbeständen der Herabwürdigung religiöser Lehren nach § 188 StGB und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB subsumierten – am 5. Mai 2016 begangenen Tat des K* und des B* durch (im Urteil näher dargestellte) am 4. Mai 2016 erfolgte Handlungen beigetragen hat (US 2, 9 f).
[9] Ausgehend davon endete die für die vom Angeklagten Mag. (FH) L* als Beitragstäter (§ 12 dritter Fall StGB) begangenen Vergehen nach §§ 125 und 188 StGB – bei Strafdrohungen bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe oder Geldstrafe (§§ 125 und 188 StGB) – maßgebliche Verjährungsfrist von einem Jahr (§ 57 Abs 3 fünfter Fall StGB) mit Ablauf des 5. Mai 2017 (§ 57 Abs 2 iVm § 58 Abs 1 StGB).
[10] Konstatierungen zu die Frist verlängernden Umständen im Sinn des § 58 StGB (insbesondere zu jenen nach § 58 Abs 3 Z 2 StGB [Marek in WK2 StGB § 58 Rz 21/7 f]) wurden vom Erstgericht nicht getroffen, was die (implizite) rechtliche Beurteilung, die Strafbarkeit der vom Schuldspruch zu B/ erfassten Tat sei nicht verjährt, unschlüssig macht (Z 9 lit b; RIS‑Justiz RS0122332 [insb T1, T11]).
[11] Die aufgezeigten Rechtsfehler erfordern die Aufhebung des Schuldspruchs zu A/II/2/ sowie der zu A/I/ und A/II gebildeten Subsumtionseinheit hinsichtlich des Angeklagten Mag. A* und des Schuldspruchs zu B/ hinsichtlich des Angeklagten Mag. (FH) L*, demzufolge auch der Strafaussprüche bei der nichtöffentlichen Beratung samt Rückverweisung der Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).
[12] Mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden, soweit sie sich gegen die Schuldsprüche zu A/II/2/ und B/ richten, und mit ihren Berufungen waren die Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen.
[13] Ihren Nichtigkeitsbeschwerden im Übrigen kommt – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – hingegen keine Berechtigung zu.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mag. (FH) L*:
[14] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (ON 205 S 10) des Antrags auf Vernehmung des * W* als Zeugen (ON 197 S 13 ff) Verteidigungsrechte des Angeklagten Mag. (FH) L* nicht verletzt.
[15] Denn das Beweisthema, wonach es sich bei der von diesem Angeklagten am 27. April 2016 verfassten Lagemeldung (vgl US ) um eine „übliche Lagemeldung“ gehandelt habe, die „informativen und vorschlagenden Charakter“ habe und als „subjektiver Vorschlag ohne normative Wirkung zu qualifizieren“ sei, und aus dieser „allgemein und im Speziellen nicht ersichtlich ist und sein kann, dass eine Observation im Sinne des MBG seitens des Erstangeklagten beantragt, vorgeschlagen und/oder erwünscht wurde“, bezog sich nicht auf sinnliche Wahrnehmungen des beantragten Zeugen. Subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen, Schlussfolgerungen, rechtliche Beurteilungen und ähnliche intellektuelle Vorgänge hingegen sind nicht Gegenstand des Zeugenbeweises (RIS‑Justiz RS0097540, RS0097573).
[16] Soweit der Antrag auf die „gängige Praxis“ im Umgang mit Lagemeldungen, deren Behandlung durch die „übergeordnete Stelle“ im Allgemeinen, die grundsätzlichen Kompetenzregeln und internen Richtlinien zur Stellung von Observationsanträgen sowie die Befugnis des Angeklagten Mag. (FH) L*, einen diesbezüglichen „Bedarf anmelden zu können“, abzielte, betraf er keinen für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage erheblichen Umstand (siehe aber § 55 Abs 2 Z 2 StPO; RIS‑Justiz RS0118319 [insb T1]).
[17] Das die Anträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS‑Justiz RS0099618).
[18] Die kritisierte Begründung des den Antrag abweisenden Beschlusses (ON 205 S 10) steht nicht unter Nichtigkeitssanktion (RIS‑Justiz RS0116749).
[19] Mit der eingangs der Mängelrüge undifferenziert auf Z 5 gestützten Wiedergabe einzelner Urteilspassagen und weitwendigen Zitaten von – zum Teil eigenständig interpretierten – Zeugenaussagen, welche nach dem Beschwerdestandpunkt „für die erfolgreiche Bekämpfung relevant“ sein sollen, wird ein konkreter Begründungsmangel nicht deutlich und bestimmt zur Darstellung gebracht.
[20] Entgegen dem zu A/I/ erhobenen Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ließ das Erstgericht bei den Feststellungen zur Observation am 5. Mai 2016 und zur subjektiven Tatseite des Angeklagten Mag. (FH) L* (US 10 ff) die Aussagen des Rechtsschutzbeauftragten Dr. (richtig) * M* (ON 197 S 4 ff) und der Beamten mit den Dienstnummern * (ON 195 S 15 ff) und * (ON 195 S 17 ff) sowie die (leugnende) Verantwortung des Angeklagten Mag. (FH) L* nicht unberücksichtigt (US 16 ff [US 18 und 22 zu Dr. M* und US 17 und 22 zu den Beamten]). Zu einer Auseinandersetzung mit sämtlichen Details dieser Aussagen war es mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0098778, RS0106295). Mit eigenständigen Erwägungen zu den relevierten Aussagen bekämpft die Rüge nur die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.
[21] Mit welcher Intention („auf Befehl“ des Angeklagten Mag. A* oder „durch eine gemeinsame Verabredung zu einem tatbildlichen Verhalten“) der Angeklagte Mag. (FH) L* den Leiter des LVT *, Mag. Me*, zeitnah nach dem 22. April 2016 unvollständig informierte, ist zu A/I weder für die Schuldfrage noch für die Subsumtionsfrage von Bedeutung und daher nicht entscheidend (siehe aber RIS‑Justiz RS0117499). Damit versagt der auf die diesbezüglichen Feststellungen (US 7) bezogene Einwand eines inneren Widerspruchs (Z 5 dritter Fall).
[22] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) wendet ein, der Tatbestand des § 302 Abs 1 StGB sei nicht erfüllt, weil „das vom Schöffengericht festgestellte Verhalten keine Missachtung der Bestimmung des § 22 Abs 3 iVm §§ 22 Abs 8 MBG“ bilde.
[23] Nach den – von der Beschwerde weitgehend außer Acht gelassenen – Feststellungen zum Ablauf des Einsatzes am 5. Mai 2016 fand „eine geplante, verdeckte, systematische, zielgerichtete, heimliche Observation“ durch „heimliches Überwachen des Verhaltens des * K*“ im Bereich einer Moschee durch die beiden Angeklagten und drei weitere hinzugezogene Beamte des Abwehramtes statt, um personenbezogene Daten des K*, nämlich sein Verhalten, zu ermitteln. Es wurden eine Einsatzbesprechung und (bereits am 4. Mai 2016 ausschließlich am späteren Tatort) ein Ortsaugenschein durchgeführt. Bei dem Einsatz wurden alle involvierten Beamten mit Einsatzmitteln, insbesondere Funkgeräten und Dienstwaffen ausgestattet, es erfolgte die Bildung von drei Teams, es wurden drei Dienstfahrzeuge verwendet, um aus diesen K* heimlich beobachten zu können. Auf Befehl des Angeklagten Mag. A* wurden die Aufstellungsorte dieser Fahrzeuge derart ausgewählt, dass die Ankunft des K* und sein Verhalten bestmöglich heimlich verfolgt und nach Beginn des Anschlags die Polizei verständigt werden könne, wobei sich zwei Beamte in ihrem in unmittelbarer Nähe der Moschee abgestellten Fahrzeug in dessen hinteren Bereich begaben, um von außen nicht wahrgenommen werden zu können, und die K* und B* nach deren Eintreffen am Tatort aus dem Fahrzeug heimlich beobachteten. Eine Verständigung des Rechtsschutzbeauftragten und des Bundesministers für Landesverteidigung sowie die Einholung der Zustimmung des Erstgenannten unterblieben (US 10 f, 17 f).
[24] Warum diese Konstatierungen die rechtliche Annahme einer – die Verständigungs- und Zustimmungspflichten der (hier) mit der nachrichtendienstlichen Abwehr betrauten militärischen Organe und Dienststellen (§ 1 Abs 1 und 2 MBG) nach § 22 Abs 8 MBG auslösenden – Datenermittlung durch Observationgemäß § 22 Abs 3 MBG (sowohl nach der Legaldefinition dieser Norm in der Fassung BGBl I 2013/181 [„durch Beobachten“] als auch in der [bloß der Klarstellung dienenden – s EBRV 509 BlgNR 26. GP 16] geltenden Fassung BGBl I 2019/102 [„heimliches Überwachen des Verhaltens einer Person“]; siehe auch EBRV 2200 BlgNR 24. GP 20 f; Keplinger/Troll/Zeinhofer, MBG4 § 22 Anm 23 f, 26.3; aA Raschauer/Wessely, MBG2 § 22 Anm 7, die – unbegründet – [auch] ein Tätigwerden über einen „längeren Zeitraum“ für erforderlich halten) und damit die Annahme eines Befugnisfehlgebrauchs des Angeklagten Mag. (FH) L* nicht tragen sollen, leitet die Rüge – die zudem die Gesamtheit der diesbezüglichen Entscheidungsgründe außer Acht lässt (siehe aber RIS‑Justiz RS0099810) – nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116569).
[25] Aus welchem Grund allfälliges Fehlen einer „direkten Verpflichtung“ des Beschwerdeführers (als stellvertretender Leiter des Abwehramtes, Außenstelle G*; US 5), den Rechtsschutzbeauftragten im Sinn des § 22 Abs 8 MBG von der Observation in Kenntnis zu setzen, mit Blick auf die Feststellungen zu einer bewussten und gewollten gemeinschaftlichen Vorgehensweise der beiden Angeklagten, zum objektiven Tathergang und zur subjektiven Tatseite (US 10 ff) der vorgenommenen Subsumtion entgegenstehen sollte, lässt sie gleichfalls offen (vgl dazu im Übrigen Nordmeyer in WK² StGB § 302 Rz 184 ff).
[26] Ebenso wenig wird die rechtliche Relevanz von – als fehlend monierten – Konstatierungen zur Beurteilung des Einsatzes vom 5. Mai 2016 durch „die Beamten mit der Dienstnummer * und *“ (vgl dazu im Übrigen erneut US 17 und 22) und den „Zeugen T*“ erklärt. Hinsichtlich Letzterem wird im Übrigen auch die Fundstelle dessen insoweit hervorgehobener Angaben in den umfangreichen Akten nicht genannt (vgl aber RIS‑Justiz RS0124172; vgl im Übrigen erneut US 17 f).
[27] Die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 5a, 7 und 10 StPO werden nur nominell herangezogen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mag. A*:
[28] Soweit sich die Kritik der Mängelrüge (nominell Z 5 erster Fall) zu A/I/ und A/II/1/ auf Feststellungen zur Beantragung und Genehmigung der Führung des B* als nachrichtendienstliche operative Quelle und zur Anzahl der von B* besuchten Stammtische der Gruppierung „Partei des Volkes“ bezieht, verfehlt sie den – im Ausspruch des Gerichts über entscheidende Tatsachen gelegenen – Bezugspunkt der Anfechtung (RIS‑Justiz RS0106268).
[29] Der – auf Z 5 erster Fall gestützte – Einwand, dem Urteil sei nicht deutlich zu entnehmen, „warum das Verhalten des Zweitangeklagten als 'Observation' gewertet“ worden sei, betrifft eine Rechtsfrage, deren Beurteilung nicht Gegenstand der Mängelrüge sein kann (RIS‑Justiz RS0099407; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 413).
[30] Als Rechtsrüge (Z 9 lit a) verstanden, verfehlt die Beschwerde die Ausrichtung am Verfahrensrecht. Sie erschöpft sich nämlich insoweit in einem Hinweis auf vom Zeugen Dr. * M* geäußerte Rechtsmeinungen, die sie einerseits als unrichtig erachtet, andererseits als unberücksichtigt geblieben moniert (vgl aber RIS‑Justiz RS0097540), sowie in einer Wiedergabe der Bestimmung des § 22 Abs 3 MBG idF BGBl I 2013/181, ohne darzulegen, aus welchem Grund die – im Übrigen weder per se missverständlichen noch undeutlich begründeten (US 17 f, 21 f) – Konstatierungen zum Ablauf des Einsatzes am 5. Mai 2016 und zu den Tathandlungen des Beschwerdeführers (US 10 f, 17 f) die rechtliche Annahme einer Datenermittlung durch Observation nach § 22 Abs 3 MBG (sowohl in der zur Tatzeit als auch in der zum Urteilszeitpunkt geltenden Fassung) oder grundsätzlich die vorgenommene Subsumtion nicht tragen sollten (vgl dazu im Übrigen die obigen Ausführungen in Beantwortung der Rechtsrüge des Angeklagten Mag. (FH) L*).
[31] Inwiefern es für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage bedeutend sein soll, dass der Beschwerdeführer „nicht einmal wusste, wie der Zeuge K* aussieht und er außerdem von seiner Position auch keinen Blick auf den späteren Tatort hatte“, bleibt gleichfalls offen.
[32] Der zu A/I/ erhobene Einwand, das Erstgericht hätte die in der Hauptverhandlung vorgekommenen (ON 205 S 16) „Durchführungsbestimmungen Observation“ (ON 111 S 35 ff) übergangen (Z 5 zweiter Fall), macht nicht klar, weshalb die angesprochenen internen Vorschriften den Konstatierungen zur Durchführung der Observation am 5. Mai 2016 (US 10 f) erörterungsbedürftig entgegenstehen sollten (siehe aber RIS‑Justiz RS0116767).
[33] Selbiges gilt für die von der Rüge in Zusammenhang mit den Feststellungen zum Schädigungsvorsatz des Angeklagten Mag. A* zu A/II/1/ vermisste Erörterung einer Passage aus dem Endbericht der Revision (ON 61 S 3).
[34] Entgegen dem weiteren Vorwurf der Unvollständigkeit blieben die Aussagen der Zeugen B* (ON 194 S 26 ff) sowie * P* (ON 194 S 20 f) und K* (ON 194 S 22 ff) als weitere Teilnehmer des Stammtisches der Gruppierung „Partei des Volkes“ am 22. April 2016 im Zusammenhang mit den Feststellungen zum Zeitpunkt der Kenntnis des Angeklagten Mag. A* von einem für den 5. Mai 2016 geplanten Anschlag (US 6 ff) nicht unberücksichtigt (US 14 bis 17 [16]).
[35] Soweit die Beschwerde aus Teilen dieser Verfahrensergebnisse anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Angeklagten Mag. A* günstigere Schlüsse ableitet, wendet sie sich in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.
[36] Desgleichen gilt für die eigenständigen Erwägungen des Beschwerdeführers zu den vom Erstgericht – im Rahmen der Begründung der subjektiven Tatseite (vgl US 22) – berücksichtigten Angaben des Zeugen Dr. M* zu möglichen Ausbildungslücken.
[37] Widersprüchlich im Sinn der Z 5 dritter Fall sind zwei Urteilsaussagen dann, wenn sie nach den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen nicht nebeneinander bestehen können (RIS‑Justiz RS0117402 [T12]).
[38] Kein solcher innerer Widerspruch besteht zwischen den Feststellungen, wonach Mag. A* einerseits von Mag. (FH) L* zeitnah nach dem Stammtisch am 22. April 2016 über die geplante Tatausführung (US 7) in Kenntnis gesetzt und andererseits am 3. Mai 2016 über den konkreten Tatplan, insbesondere die Übergabe der Tatmittel, den mit 5. Mai 2016, 22:00 Uhr fixierten Tatzeitpunkt und das Vorhaben von K*, die Schweinekopfteile und das Schweineblut direkt an der Moschee zu drapieren bzw zu verschütten (US 8), informiert wurde. Weshalb die weiters zitierte Konstatierung, „Nachdem die beiden Angeklagten die konkreten Informationen über die geplante Tatausführung am 5. Mai 2016 erhalten hatten, ...“ (US 10), dazu im Widerspruch stehen soll, obwohl sich die diesbezügliche Datumsangabe – von der Rüge ersichtlich missinterpretiert – eindeutig nicht auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Angeklagten, sondern auf jenen der geplanten Tatausführung (eben am 5. Mai 2016) bezieht, ist nicht nachvollziehbar.
[39] Mit der Kritik zu A/I/, das Erstgericht habe nicht begründet, weshalb es das festgestellte heimliche Überwachen des Verhaltens des K* (US 10) als Ermittlung personenbezogener Daten im Sinn des MBG angenommen hat, wird Nichtigkeit aus Z 5 vierter Fall nicht geltend gemacht (vgl erneut RIS‑Justiz RS0099407; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 413). Unter dem Aspekt materieller Nichtigkeit (Z 9 lit a) wird mit dem Vorbringen, „das vom Erstgericht genannte 'Verhalten'“ werde in den insoweit relevanten Bestimmungen der § 1 Abs 6 MBG und § 36 Abs 2 Z 1 DSG „nicht erwähnt“, nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet, aus welchem Grund die Observation des Verhaltens einer Person rechtlich nicht als Ermittlung personenbezogener Daten zu beurteilen sein sollte (vgl dazu auch Nordmeyer in WK² StGB § 310 Rz 13 mwN).
[40] Soweit die Rüge die Feststellungen zum Befehl des Angeklagten Mag. A* an den Angeklagten Mag. (FH) L*, dem Leiter des LVT *, Mag. Me*, keine konkreten Informationen über die geplante Tatausführung zu erteilen (US 7), als „durch kein Beweisergebnis gedeckt“ erachtet, ohne die diesbezüglichen erstgerichtlichen Erwägungen (US 19) zu berücksichtigen, wird offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) nicht prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht (RIS‑Justiz RS0119370).
[41] Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit dem Hinweis auf die Aussage des Zeugen G*, wonach er (und nicht der Angeklagte Mag. A*) unmittelbarer Vorgesetzter des Angeklagten Mag. (FH) L* gewesen sei, aufgrund der militärischen Hierarchie ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken der beiden Angeklagten nicht möglich gewesen wäre und die Befehlskette nicht beim Angeklagten Mag. A* geendet habe, sowie mit der Kritik, die Konstatierungen zum Zeitpunkt der Übergabe der Tatmittel seien „unrichtig“ und mit den Angaben der Zeugen B* und K* „nicht übereinstimmend“, keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen zu A/I/ und A/II/1/ zu wecken (RIS‑Justiz RS0117446).
[42] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) releviert, es liege keine unter Missachtung der Bestimmungen des § 22 Abs 8 MBG durchgeführte Observation nach § 22 Abs 3 MBG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung vor, weil das Erstgericht nicht festgestellt habe, dass K* „beobachtet“ worden sei, orientiert sie sich weder an der Gesamtheit des Urteilssachverhalts (US 10 f, 17 f; siehe aber RIS‑Justiz RS0099810) noch leitet sie ihre Argumentation aus dem Gesetz ab (erneut RIS‑Justiz RS0116569).
[43] In diesem Umfang waren die Nichtigkeitsbeschwerden daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[44] Der Kostenausspruch, der sich nicht auf die mit dem amtswegigen Vorgehen verbundenen Kosten bezieht (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
[45] Im weiteren Verfahren wird in Bezug auf den aufgehobenen Schuldspruch des Angeklagten Mag. A* zu A/II/2/ zu prüfen sein, ob sich dessen Schädigungsvorsatz anlässlich der wahrheitswidrigen Dokumentation einer Amtshandlung im Rahmen einer Meldung an den Rechtsschutzbeauftragten auf ein anderes – im Sinn des § 302 Abs 1 StGB beachtliches – Recht (als bisher angenommen) oder den in der Wahrnehmung von Rechten Betroffener bestehenden Schutzzweck des § 57 Abs 6 Z 1 MBG (vgl RIS‑Justiz RS0096141) erstreckte.
[46] Im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs wegen Missbrauchs der Amtsgewalt wird (unter Einbeziehung des in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs zu A/I/ und A/II/1/) die Subsumtionseinheit neu zu bilden sein.
[47] Sollte das weitere Verfahren keine Grundlage für eine Subsumtion nach § 302 Abs 1 StGB ergeben, wäre Strafbarkeit nach § 311 StGB (vgl dazu Nordmeyer in WK2 StGB § 311 Rz 16 f, 20) oder allenfalls nach § 293 StGB zu prüfen.
[48] Im Übrigen ist zu A/I/ klarzustellen, dass das von den Tatrichtern (neben dem zutreffend als geschädigt konstatierten Individualrecht – dazu Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 151) weiters als vom Schädigungsvorsatz umfasste staatliche Recht „auf Gewährleistung einer das Recht auf Privatsphäre der Betroffenen ausschließlich im Rahmen des gesetzlichen Vorbehaltes beeinträchtigenden nachrichtendienstlichen Informationssammlung (§ 3 Abs 2 MBG)“ (US 2, 10, 12), bloß den staatlichen Anspruch gegenüber dem Beamten, keinen Befugnismissbrauch zu begehen, betrifft (siehe aber erneut RIS‑Justiz RS0096270 [insb T12], Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 161). Zu A/II/1/ des Schuldspruchs wiederum wäre aufgrund der Verfahrensergebnisse die Prüfung naheliegend gewesen, ob das Vermögen der Eigentümer der vom Anschlag betroffenen Moschee sowie das Recht von Mitgliedern der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich auf Religionsfreiheit (vgl Sadoghi in WK2 StGB Vor §§ 188–191 Rz 5 und 7; [allgemein zu § 302 StGB] Nordmeyer ebd § 302 Rz 151) Bezugspunkte des Schädigungsvorsatzes waren.
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