OGH 14Os18/08s

OGH14Os18/08s10.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juni 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und Hon.-Prof. Dr. Schroll und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Wannenmacher als Schriftführer in der Strafsache gegen Cosmin-Ionut R***** wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen und räuberischen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 erster Fall, 131 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Jugendschöffengericht vom 8. November 2007, GZ 46 Hv 58/07p-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Mag. Höpler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Cosmin-Ionut R***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Unterbleiben der rechtlichen Unterstellung der zu 2. genannten Tat auch unter § 83 Abs 1 StGB sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Cosmin-Ionut R***** hat durch die im Urteilsspruch unter Punkt 2. genannte Tat auch das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB begangen.

Er wird hiefür sowie für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Schuldspruch weiterhin zur Last liegende Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB und das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB unter Anwendung der §§ 28 Abs 1 und 36 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 130 StGB zu sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Der Ausspruch über die Vorhaft (§ 38 Abs 1 Z 1 StGB) wird aus dem angefochtenen Urteil übernommen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Cosmin-Ionut R***** - im Unterschied zur Beurteilung als Verbrechen des versuchten gewerbsmäßigen und räuberischen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 erster Fall, 131 StGB in der Anklageschrift - des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 130 erster Fall StGB (1.) und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (2.) schuldig erkannt.

Danach hat er am 12. September 2007 in Vösendorf

1. mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem unbekannten Mittäter Gewahrsamsträgern des Unternehmens H***** einen Trainingsanzug der Marke Adidas im Wert von 69,99 Euro weggenommen;

2. Simon G***** mit Gewalt dazu genötigt, ihn nach seiner Anhaltung nach der zu Punkt 1. genannten Tat loszulassen, indem er dem Genannten mit dem Kopf einen Schlag gegen die Nase versetzte, wodurch dieser einen Bruch des Nasenbeins, eine Kopfprellung und eine Muskelstauchung erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus den Gründen der Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt in Ansehung des Eventualbegehrens aus dem letztgenannten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zu.

Soweit die Subsumtionsrüge (Z 10) mit der Begründung, der Angeklagte habe die Beute „eben noch nicht in Sicherheit gebracht", „als er vom Kaufhausdetektiv, der ihn ab Verlassen des Geschäftslokals verfolgt und ihn nur kurz aus den Augen verloren hatte, auf der Straße noch im Bereich des Geschäftes gestellt und festgehalten wurde", primär die Unterstellung des inkriminierten Sachverhalts unter §§ 15, 127, 130 erster Fall, 131 StGB anstrebt, hält sie nicht zur Gänze an den Urteilsannahmen fest und verfehlt insoweit den Bezugspunkt einer erfolgreichen Anfechtung (RIS-Justiz RS0117247, RS0099810 ua). Dass der Angeklagte sich den Blicken seiner Verfolger „nur kurz" entziehen und „noch im Bereich des Geschäfts" angehalten werden konnte, ist den Entscheidungsgründen nämlich nicht zu entnehmen.

Richtig ist, dass die Tatsituation, auf die § 131 StGB abstellt, nach ständiger Rechtsprechung erst endet, sobald der Täter die Beute (über den Gewahrsamsbruch und damit über die Deliktsvollendung hinaus) in Sicherheit gebracht hat (RIS-Justiz RS0093263, RS0093727, RS0093652, RS0093776, RS0093749; für viele: Bertel in WK² § 131 Rz 7; Fabrizy, StGB9 § 131 Rz 2).

Die - von der Rechtsmittelwerberin prozessordnungswidrig erweiterten - Sachverhaltsannahmen des Erstgerichts, wonach die Verfolger den Angeklagten aus den Augen verloren und ihn erst in weiterer Folge wieder sehen konnten, als er ein Telefonat am Handy führte und ihnen entgegenkam (US 3 f), lassen - anders als in den von der Beschwerde zitierten Entscheidungen (16 Os 9/90; 14 Os 39/91) - indes den Schluss auf eine - wenn auch nur vorübergehend - geglückte Flucht des Täters nach dem Diebstahl und auf ein solcherart bereits gelungenes Insicherheitbringen des Diebsguts gar wohl zu, sodass die Subsumtion unter §§ 127, 130 erster Fall, 105 Abs 1 StGB nicht rechtsfehlerhaft erfolgte.

Dass der Täter die weggenommenen Gegenstände nach materieller Vollendung des Diebstahls bei seiner späteren Festnahme noch bei sich trug, ändert daran - der Beschwerdeauffassung zuwider - nichts. Demgemäß war das Schöffengericht auch nicht verhalten, Feststellungen darüber zu treffen, ob die Absicht des Angeklagten auch darauf gerichtet war, sich durch die Gewaltanwendung im Besitz der Sache zu erhalten.

Soweit die Beschwerdeführerin unter dem Aspekt der Z 5 erster Fall des § 281 Abs 1 StPO moniert, dass „der Ausspruch über die Absicht des Angeklagten, mit der Gewaltanwendung seine Flucht zu erzwingen, keinesfalls mit Deutlichkeit erkennen lasse, ob das Erstgericht ein daneben verfolgtes und nach den Verfahrensergebnissen indiziertes Ziel des Angeklagten, sich die Beute zu erhalten, annahm oder nicht", spricht sie demnach keine entscheidende Tatsache an. Im Übrigen hat das Erstgericht mit der nötigen Deutlichkeit ausgeführt, dass die Absicht des Angeklagten auf die Erzwingung der Flucht gerichtet war (US 4 iVm US 6).

Insoweit war der Nichtigkeitsbeschwerde daher ein Erfolg zu versagen. Im Recht ist demgegenüber das Eventualbegehren, das - auf Basis der Entscheidungsgründe - das Unterbleiben der rechtlichen Unterstellung der zu 2. genannten Tat auch unter § 83 Abs 1 StGB kritisiert. Fügt nämlich der Täter dem Opfer durch die zur Durchsetzung einer Nötigung angewendete Gewalt vorsätzlich eine leichte Verletzung am Körper zu, führt dies - von der Beschwerde zutreffend dargestellt - nach ständiger Rechtsprechung (instruktiv SSt 46/79 = ÖJZ-LSK 1976/91; vgl auch Kienapfel/Schroll BT5 § 105 Rz 88 und die dort angeführten Judikaturzitate; Leukauf/Steininger Komm3 § 105 Rz 39; Seiler, SbgK § 105 Rz 79; aM: Burgstaller JBl 1978 460; Schwaighofer in WK² § 105 [2006] Rz 100; Bertel/Schwaighofer BT I9 § 105 Rz 32, Fabrizy StGB9 § 105 Rz 9) zur Annahme von Idealkonkurrenz mit dem Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, während die Zufügung einer leichten Verletzung nur bei den Delikten, bei denen der Eintritt schwerer Verletzungsfolgen zur Ausmessung der Strafe nach einem höheren Strafsatz führt, was bei der Nötigung nicht der Fall ist, durch Konsumtion verdrängt wird (Ratz in WK² Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 61 f).

Da das Erstgericht - das in den Entscheidungsgründen auf die irrig unterlassene Subsumtion auch unter § 83 Abs 1 StGB hingewiesen hat - die für eine Entscheidung in der Sache selbst erforderlichen Feststellungen getroffen (US 4), weder der Angeklagte in einer Gegenausführung zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Verfahrens- oder Begründungsmängel (Z 1 bis 5 des § 281 Abs 1 StPO) behauptet, noch eine amtswegige Prüfung durch den Obersten Gerichtshof derartiges ergeben hat (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 415), war die Basis für die abschließende rechtliche Beurteilung des Sachverhalts durch einen Schuldspruch auch wegen § 83 Abs 1 Fall StGB gegeben.

Bei der Strafneubemessung war erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen, mildernd dagegen der bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten, sein Alter unter 21 Jahren sowie sein Teilgeständnis (in Richtung § 127 StGB). Im Hinblick auf den Entfall des Mindestmaßes (§ 36 letzter Satz StGB) entspricht unter Berücksichtigung all dieser Umstände und der in § 32 StGB bezeichneten allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten der personalen Täterschuld und dem sozialen Störwert der Straftaten. Aufgrund des bisher ordentlichen Lebenswandels und des geringen Alters des Angeklagten konnte die Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen werden.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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