European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127683
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden und auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden Urteil wurde Franz R* eines Verbrechens nach § 3g VG (I.) und eines Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (II.) schuldig erkannt.
Danach hat er – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – in Wien
(I.) sich auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit den bereits rechtskräftig Verurteilten Gottfried K*, Felix B* und Wilhelm A*, die vom 21. März 2009 bis zum 22. März 2011 die Homepage http://www.a* und das angeschlossene Forum http://www.al* betrieben, deren nationalsozialistische Ausrichtung sich dadurch ausdrückte, dass „die Unterstützung des nationalen Widerstands in Österreich mit der Zielsetzung der Wiedererrichtung eines großdeutschen Reiches auch unter Aufruf zu Kampf und Gewalt, der Austausch rassistisch rechtsextremen Gedankenguts und die Verherrlichung Hitlers ermöglicht und unterstützt wurde[n], mit dem Vorsatz, durch sein Handeln auch die Ziele der NSDAP zu fördern“, als redaktioneller Mitarbeiter die Gestaltung und nationalsozialistische Ausrichtung der genannten Homepage mitbestimmte, indem er nach dem 22. März 2009 ein die nationalsozialistische Gesinnung der Homepage ausformulierendes Grundsatzdokument „Grundlegende Vereinbarung zwischen böhmisch/mährischen (tschechischen) und deutschen Kameradengruppen“ vor dessen Veröffentlichung über Aufforderung des K* gegenlas und redigierte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die nominell auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützte, inhaltlich nur gegen den angeführten Schuldspruch I. gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Die gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge (Z 6) bedarf unter anderem der deutlichen und bestimmten Bezeichnung jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen (vgl RIS‑Justiz RS0117447; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 23).
Indem die Beschwerde die anklagekonform zum Schuldspruch I. gestellte Hauptfrage mit der Behauptung kritisiert, der Angeklagte habe die Tat „nicht begangen“, da der Mittäter K* vom das Grundsatzdokument betreffenden Vorwurf freigesprochen worden sei und der Angeklagte ausgesagt habe, der von ihm korrigierte Text sei nicht „in dieser Form“ auf der Homepage veröffentlicht worden, lässt sie keinen Bezug zu einem allfälligen Verstoß gegen § 312 StPO erkennen und verfehlt solcherart den gesetzlichen Bezugspunkt.
Vermisste Fragen sind bei Geltendmachung von Nichtigkeit aus Z 6 deutlich und bestimmt zu bezeichnen, zudem ist ein (soweit vorliegend von Relevanz) eine Zusatzfrage indizierendes Tatsachensubstrat durch konkreten Verweis auf Verfahrensergebnisse zu nennen (RIS‑Justiz RS0117447), wobei der Schluss von diesen auf die begehrte Fragestellung den Kriterien logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungen entsprechen muss (RIS‑Justiz RS0132634).
Insoweit die Fragenrüge moniert, die Bestimmung des § 313 StPO sei verletzt worden, weil eine Zusatzfrage „nach dem Vorliegen von Rechtfertigungs-, Entschuldigungs- oder Strafaufhebungsgründen“ nicht gestellt worden sei, und damit argumentiert, das gegenständliche Verfahren hätte mit jenem „zu 606 Hv 2/11h durchgeführt werden müssen“, weil dies „unter dem Begriff des beneficium cohaesionis“ zu einem Freispruch des Angeklagten geführt hätte, wird sie den dargelegten Voraussetzungen nicht gerecht. Denn es bleibt offen, welche Zusatzfrage nach Ansicht des Angeklagten konkret hätte gestellt werden sollen und welches Tatsachensubstrat diese Fragestellung indiziert hätte, weshalb sich das Vorbringen einer meritorischen Erwiderung entzieht.
Auch die weitere Rüge lässt eine deutliche und bestimmte Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände nicht erkennen.
Gegenstand einer Instruktionsrüge (Z 8) ist der auf die Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf die die Haupt- oder die Eventualfrage gerichtet ist, die Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes, das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander und die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage (Schuldspruch, Freispruch und Subsumtion, nicht aber die Sanktionsfrage) bezogene Inhalt der von §§ 321, 323 Abs 1 und § 327 Abs 1 StPO genannten Belehrungen (RIS‑Justiz RS0125434; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 53).
Indem der Angeklagte eine Belehrung der Geschworenen zur „unmittelbaren Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention“ vermisst, seine Kritik auf die Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu § 1330 Abs 2 ABGB (4 Ob 104/92) und zu § 111 Abs 1 und 2 StGB (12 Os 24, 25/92), auf jene des deutschen Bundesverfassungsgerichts zu § 130 Abs 4 dStGB (1 BvR 2150/08) sowie auf Art 10 MRK stützt und moniert, die Rechtsbelehrung verschweige, dass die Geschworenen berechtigt und verpflichtet wären, im Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art 10 Abs 2 MRK vorliegen, dies „umso mehr als § 3g VG als abstraktes Gefährdungsdelikt konstruiert“ sei, spricht er – mangels Bezugnahme auf ein bestimmtes gesetzliches Merkmal des § 3g VG oder einen in der Hauptfrage 1 vorkommenden Gesetzesausdruck – keinen der bezeichneten Inhalte dieses Nichtigkeitsgrundes deutlich und bestimmt an (vgl 14 Os 57/06y; 15 Os 9/16m).
Inwiefern das Fehlen von Ausführungen zu den Bestimmungen der MRK in der Rechtsbelehrung einen „Entzug des gesetzlichen Richters“ darstellen soll, ist nicht verständlich.
Mit der Behauptung (nominell Z 6, der Sache nach Z 13), die „überlange Verfahrensdauer“ sei bei der Strafbemessung nicht in dem gemäß Art 6 Abs 1 MRK gebotenen Ausmaß berücksichtigt worden, beschränkt sich die Beschwerde auf ein Berufungsvorbringen (vgl US 8; RIS‑Justiz RS0099892 [T9]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 86, 724).
Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde das Urteil zwar uneingeschränkt anficht, inhaltlich aber zum Schuldspruch II. nicht argumentiert, war auf sie keine Rücksicht zu nehmen, weil auch bei ihrer Anmeldung Nichtigkeitsgründe nicht deutlich und bestimmt bezeichnet wurden (§ 285 Abs 1 zweiter Satz, § 344 StPO).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1, § 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
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