OGH 4Ob104/92

OGH4Ob104/9224.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Redl und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt Wien, vertreten durch Dr.Helmut Zilk, Bürgermeister, Wien 1., Rathaus, dieser vertreten durch Dr.Alfred Boran, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Michael G*****, 2. (nunmehr:) F*****gesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch Dr.Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung des Widerrufs (Gesamtstreitwert S 500.000), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 16.Juni 1992, GZ 11 R 86/92-19, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 21.Jänner 1992, GZ 1 Cg 297/90-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 20.976,12 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 3.496,02 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Zweitbeklagte ist Medieninhaberin und Verlegerin der Druckschrift "***** G*****"; der Erstbeklagte ist für sie als Journalist tätig.

Der Erstbeklagte wurde vor längerer Zeit von der Gemeindebediensteten Elisabeth G*****, die beim Wiener Stadtgartenamt beschäftigt war, davon unterrichtet, daß angeblich Gemeindebedienstete in Pötzleinsdorfer Park Schnaps brennten. Er ging dieser Sache nach und führte insbesondere ein 20-minütiges Gespräch mit Franz J*****, dem Büroleiter des amtsführenden Stadtrates Dr.Hannes Swoboda. Franz J***** hatte sich in dieses Gespräch deshalb eingelassen, weil er besonders gute Kenntnisse des "Falles G*****" hatte. Elisabeth G***** gilt sei vielen Jahren beim Personalamt der Stadt Wien als schwierige Mitarbeiterin, welche im Zuge der Jahre verwarnt und auch versetzt werden mußte und deren Kündigung mehrmals erwogen wurde. Obwohl häufig andere Mitarbeiter sich über Elisabeth G***** beschwert hatten, war im Laufe der Zeit von einigen Stadträten versucht worden, die Kündigung abzuwenden, um letztlich nach einer geeigneten Verwendungsmöglichkeit für Elisabeth G***** zu suchen. Im Zeitpunkt des Telefonates mit dem Erstbeklagten hatte Franz J***** gerade den Personalakt der Elisabeth G***** bei sich, da beabsichtigt war, die Kündigung auszusprechen. In demselben Zusammenhang lag ihm ein Bericht des Stadtgartenamtes an den amtsführenden Stadtrat vor. Franz J***** teilte dem Erstbeklagte bei dem Telefonat mit, daß das Personalamt lange Zeit versucht habe, Elisabeth G***** weiterzubeschäftigen, obwohl es erhebliche Schwierigkeiten mit ihr gebe. J***** schilderte das nachteilige Verhalten Elisabeth G*****s im Dienst und versuchte, ein vollständiges Bild von ihr zu geben. Er sprach über ihre mangelhafte Dienstleistung und darüber, daß die Mitarbeiter mit der Zusammenarbeit mit ihr unzufrieden waren. Er teilte dem Erstbeklagten auch mit, daß Elisabeth G***** seines Erachtens in der Privatwirtschaft nicht beschäftigt werden könnte. Die Erkrankung Elisabeth G*****s an Schizophrenie kam dabei aber nicht zur Sprache. Franz J***** erwähnte auch nicht das ihm damals vorliegende Gutachten, wonach Elisabeth G***** dienstunfähig sei. Er meinte zum Erstbeklagten, es sei schwierig mit einer Mitarbeiterin, "die behauptet, daß ihr Chef Geld unterschlägt etc." Er sagte auch, daß die MA 2 (Personalamt) tätig werde, wenn Beschwerden über Mitarbeiter einlangten, so auch im Falle G*****. In diesem Zusammenhang sagte er "man kündigt nicht einfach so". Franz J***** gab dem Erstbeklagten die Informationen an Hand des Personalaktes der Elisabeth G*****, den er - wie er ausdrücklich mitteilte - vor sich liegen gehabt htte. Im Zusammenhang mit dem gegen Elisabeth G***** laufenden Kündigungsverfahren nannte er folgende Vorkommnisse, die im Personalakt der Elisabeth G***** auf Grund von Beschwerden ihres Dienstvorgesetzten oder ihrer Arbeitskollegen Niederschlag gefunden hatten:

1. Frau G***** wollte früher vom Dienst weggehen, weil sie zu einer ÖVP-Sitzung möchte (Meldung vom 16.4.1982).

2. Sie spielt ... lautstark über Tonband Kriegslieder.

3. Elisabeth G***** behauptet, der Stadtgartendirektor habe 1,000.000,- S unterschlagen (Schreiben der MA 42 vom 13.2.1990).

4. sie erkäre, daß man von ihr Wahlspenden fordere (Bericht vom 13.2.1990).

Auf die Frage des Erstbeklagten, was diese Bemerkungen in einem Personalakt zu suchen hätten, antwortete Franz J***** dahin, daß "alles was angezeigt wird, bzw was dem Personalamt zukommt", aufgenommen werde. Auf Frage des Erstbeklagten, woher die Informationen für den Personalakt stammten, erklärte Franz J*****, daß sie von Mitarbeitern des Stadtgartenamtes kämen.

Wie das Personalamt der Klägerin im allgemeinen die Personalakten führt, wurde nicht besprochen. Es führt Personalakten über alle Gemeindebedienstete. Die Abteilungsleiter sind im Rahmen der Personalbeschreibungen verpflichtet, Stellungnahmen über die Mitarbeiter abzugeben. In den Personalakt der Bediensteten werden auch allfällige Beschwerden - selbst wenn sie anonym erfolgen - aufgenommen. Häufen sich die Beschwerden, dann veranlaßt die MA 2 Überprüfungen durch den zuständigen Abteilungsleiter; gelegentlich führt sie selbst Erhebungen durch Einvernahme der Mitarbeiter durch. Bei wiederkehrenden Beschwerden kann der Mitarbeiter verwarnt werden; das geschah mit Elisabeth G***** einige Male.

Der erste Antrag an die MA 2, Elisabeth G***** zu kündigen, stammt aus dem Jahr 1981. Seit damals langten regelmäßig Beschwerden über Elisabeth G*****, verbunden mit Versetzungs- oder Kündigungsanträgen des zuständigen Abteilungsleiters, ein.

Franz J***** versicherte dem Erstbeklagten telefonisch mehrmals, daß sich das Personalamt der Klägerin wiederholt bemüht habe, Elisabeth G***** im Dienst zu belassen.

Auf Grund dieses Telefonates hatte der Erstbeklagte nicht den Eindruck gewonnen, das Personalamt der Klägerin führe neben dem offiziellen Personalakt noch weitere Unterlagen über Mitarbeiter; für ihn ist ein Personalakt so viel wie ein Spitzelakt.

Der Erstbeklagte ist Verfasser des in der "G*****" vom 8.11.1990, Nr. 45, auf Seite 26 abgedruckten Aritkels "Die Stadtgärtner brennen Schnaps". Darin wird über die Kündigung der Gemeindebediensteten Elisabeth G***** berichtet, welcher Fall "jetzt ... beim Arbeitsgericht" liege. In dem Artikel heißt es ua:

"Im Büro von Stadtrat Hannes Swoboda zückt man zum Fall G***** einen dicken Akt, in dem ihre angeblichen Verfehlungen aufgelistet sind.

Darin heißt es:

'Frau G***** ging heute früher, weil sie eine ÖVP-Veranstaltung besuchen wollte.'

'Sie sagt, daß man von ihr Wahlspenden verlangt hätte.'

'Sie sing Kriegslieder.'

'Sie behauptet, daß der Stadtgartendirektor eine Million Schilling unterschlagen hat.' "

Der letzte Absatz dieses Artikels lautet wie folgt:

"Egal wie der Prozeß ausgeht, eines zeigt dieser Fall deutlich: Das Personalamt der Stadt führt offenbar Spitzelakten darüber, was Gemeindeangestellte im Dienst sagen."

Daß der Klägerin durch diesen zuletzt wiedergegebenen Absatz ein Schaden oder Nachteil erwachsen wäre, steht nicht fest. Ebensowenig ist festzustellen, daß die Klägerin über die normale Dienstaufsicht hinausgehende Überprüfungen ihrer Mitarbeiter anstrenge oder daß sie geheime Beobachtungen ihrer Mitarbeiter durchführen ließe.

Die Klägerin begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen,

1. die Behauptung "Das Personalamt der Stadt Wien führt offenbar Spitzelakten darüber, was Gemeindeangestellte im Dienst zu sagen", zu unterlassen;

2. diese Behauptung gegenüber den Lesern der Druckschrift "***** G*****" zu widerrufen;

3. die Veröffentlichung dieses Widerrufs in der "G*****" vorzunehmen.

Die beanstandete Tatsachenmitteilung sei unrichtig. Die Klägerin führe zwar Personalakten, setze aber keineswegs Spitzel ein, so daß sie auch keine Spitzelakten führe. Der Erstbeklagte werfe der Klägerin der geltenden Rechtsordnung widersprechende polizeistaatliche Methoden vor. Diese Behauptung sei geeignet, Kredit, Erwerb und Fortkommen der Klägerin zu gefährden. Damit werde es auch immer schwerer, Mitarbeiter zu gewinnen. Auch bei Verhandlungen im Zuge der Privatwirtschaftsverwaltung würden der Klägerin die angeblich von ihr angewendeten Methoden vorgehalten; das erschwere ihre wirtschaftliche Tätigkeit. Die Klage werde insbesondere auf § 1330 Abs 1 und 2 ABGB gestützt.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Die beanstandete Textstelle sei nicht tatbestandsmäßig im Sinne des § 1330 Abs 1 und 2 ABGB. Sie sei wahr; jedenfalls habe der Erstbeklagte sie auf Grund der ihm zugekommenen Informationen für wahr halten müssen. Spitzel sei laut Duden, wer im fremden Auftrag andere heimlich beobachtet, aufpaßt, was sie sagen und tun, und seine Beobachtungen seinem Auftraggeber mitteilt. Genau das geschehe im Einflußbereich der Beklagten; deren Mitarbeiter seien verpflichtet, ihr besondere Vorkommnisse und angebliche Verfehlungen von Gemeindebediensteten mitzuteilen. Der Klägerin sei weder ein Schaden entstanden noch sei sie in ihrem Kredit, Erwerb oder Fortkommen gefährdet. Als Gebietskörperschaft sei sie kein Schutzobjekt des § 1330 ABGB.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Führung von Personalakten diene der Evidenthaltung für den Dienst erheblicher Umstände. Auch Beschwerden im Zusammenhang mit der Dienstverrichtung eines Bediensteten könnten für die Beurteilung von Mitarbeitern bedeutsam sein. Unter Bespitzelung werde eine geheime Überwachung verstanden. Der beanstandete Vorwurf der Spitzeltätigkeit bedeute eine Rufgefährdung im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB, welche geeignet sei, im wirtschaftlichen, aber auch kulturellen Bereich Bedenken gegen die Integrität und Zuverlässigkeit der Klägerin zu erwecken. Auch eine Gebietskörperschaft genieße den Schutz des § 1330 ABGB, seien doch der Staat, seine obersten Organe und Symbole vor Herabsetzung und Beleidigung auch strafrechtlich geschützt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Entscheidungsgegenstand S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Dem Dienstgeber stehe es zu, Umstände betreffend dienstliche Angelegenheiten eines Bediensteten, die zur Beurteilung seiner körperlichen und geistigen Eignung und Fähigkeiten dienen, in einen Personalakt aufzunehmen. Dazu gehörten auch Beschwerden der Mitarbeiter und Vorgesetzten eines Bediensteten über die Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit diesem. Von einem Eingriff in die persönliche Sphäre könne keine Rede sein, wenn solche Mitteilungen und Beschwerden zum Personalakt genommen würden. Auch den Mitarbeitern könne nicht das Recht abgesprochen werden, über einen Kollegen, mit dem sie nicht zusammenarbeiten können oder wollen, dem Dienstgeber zu berichten. Diesem stehe es frei, Beschwerden, die er zur Beurteilung der dienstlichen Fähigkeiten eines Bediensteten für erforderlich erachtet, zum Personalakt zu nehmen. Daß die Klägerin ihre Mitarbeiter beauftragt hätte, Elisabeth G***** heimlich zu beobachten und die Beobachtungen der Klägerin mitzuteilen, hätten die Beklagten zwar behauptet, aber nicht bewiesen. Im übrigen hätte es für den Beweis der Wahrheit der beanstandeten Textstelle des Nachweises einer Mehrheit von Fällen bedurft. Der unbegründete Vorwurf, Spitzelakte zu führen, gehe über eine sachliche Kritik hinaus. Auch einer Gebietskörperschaft müsse das Recht zugebilligt werden, sich gegen eine unsachliche Kritik zur Wehr zu setzen. Auch juristischen Personen stehe der Unterlassungsanspruch nach § 1330 Abs 1 und 2 ABGB zu. Eine Beeinträchtigung des politischen Rufes einer Gebietskörperschaft könne eine Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Interessen nicht ausschließen. Es würde der Klägerin auch letztlich wirtschaftlich schaden, stünde sie im Ruf, daß sie Spitzelakte über ihre Bedienstete führe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen wird.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Verbreitet jemand Tatsachen, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden, und deren Unwahrheit er kannte oder kennen mußte, dann steht dem Verletzten nach § 1330 Abs 2 ABGB der - verschuldensunabhängige (SZ 56/124; SZ 60/138; SZ 61/193; MR 1990, 183) - Anspruch auf Unterlassung sowie - bei Verschulden des Täters (Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 16 und 22 zu § 1330) - der Anspruch auf Widerruf und dessen Veröffentlichung zu. Entgegen der Meinung der Beklagten sind hier alle Tatbestandsmerkmale verwirklicht:

Als Tatsache im Sinn des § 1330 Abs 2 ABGB wird nach ständiger Rechtsprechung und einheitlicher Lehre jede Aussage verstanden, deren Inhalt auf ihre Wahrheit hin objektiv nachgeprüft werden kann (SZ 60/255; SZ 61/193; ÖBl 1990, 253; ÖBl 1992, 51 uva; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 174 ff; Harrer in Schwimann, ABGB, Rz 6 zu § 1330; Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 8 zu § 1330); die Richtigkeit der verbreiteten Äußerung muß grundsätzlich einem Beweis zugänglich sein, so daß das Verbreiten nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann (ÖBl 1992, 51; Schäfer in Staudinger12 Rz 14 und 15 zu § 824 BGB). Bei der Beurteilung, ob Tatsachen verbreitet wurden, kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch ermittelten Gesamteindruck an, welche die inkriminierten Äußerungen hinterlassen (ÖBl 1990, 256; SZ 62/208; SZ 63/2; ÖBl 1992, 51 uva). Der Begriff der "Tatsachenbehauptung" ist nach ständiger Rechtsprechung weit auszulegen (ÖBl 1980, 130; SZ 60/255 uva). Selbst Urteile, die nur auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, gelten als Tatsachenmitteilung ("konkludente Tatsachenbehauptung"; SZ 60/255; MR 1990, 183). Werturteile entziehen sich hingegen als rein subjektive Aussagen der objektiven Überprüfbarkeit (SZ 60/255; MR 1990, 184; Reischauer aaO Rz 10).

Die beanstandete Mitteilung, daß die Klägerin offenbar Spitzelakten über ihre Bediensteten führe, ist zweifellos eine Tatsachenmitteilung im Sinne der dargestellten Begriffsbestimmung und kein unüberprüfbares Werturteil. Wie die Beklagten selbst schon in erster Instanz ausgeführt haben, versteht man unter einem Spitzel jemanden, der in fremdem Auftrag andere heimlich beobachtet, aufpaßt was sie sagen und tun, und seine Beobachtungen seinem Auftraggeber mitteilt (Duden, Deutsches Universalwörterbuch 1188). Ein "Spitzelakt" ist demnach als Akt zu verstehen, in welchem Berichte von Spitzeln ihren Niederschlag gefunden haben. All diese Voraussetzungen treffen auf den von der Klägerin geführten Personalakt ihrer (früheren) Mitarbeiterin Elisabeth G***** nicht zu. Davon, daß die Klägerin ihre Mitarbeiter oder Dritte damit beauftragt hätte, Elisabeth G***** heimlich zu beobachten und ihre Äußerungen zu berichten, kann keine Rede sein. Nach den Feststellungen gelangten die Berichte über das Verhalten Elisabeth G*****s deshalb in den Personalakt, weil Vorgesetzte und Mitarbeiter mit Elisabeth G***** schwer zusammenarbeiten konnten und auf ihre Kündigung drängten. Daß die (leitenden Organe der) Klägerin von sich aus ihre Bediensteten im allgemeinen und Elisabeth G***** im besonderen von "Spitzeln" überwachen ließe(n) - etwa um ihre politische oder sonstige Einstellung in Erfahrung zu bringen und daraus Konsequenzen zu ziehen

- behaupten nicht einmal die Beklagten; dafür fehlen auch alle Anhaltspunkte. Im Hinblick darauf, daß mit dem Begriff des "Spitzels" und damit auch des "Spitzelaktes" ein allgemein gültiger Begriffsinhalt verbunden ist, kann die beanstandete Äußerung nicht als unüberprüfbares Werturteil des Erstbeklagten aufgefaßt werden; vielmehr liegt darin eben die Behauptung, die Klägerin würde - wie Diktaturen der Vergangenheit und Gegenwart - ihre Bediensteten bespitzeln lassen. Diese Behauptung ist aber erwiesenermaßen unwahr. Dies mußte den Beklagten auch bewußt sein. Ihnen war zweifellos bekannt, was unter einem "Spitzel(akt)" objektiv zu verstehen ist. Daraus allein, daß in einem Personalakt - wie dem Erstbeklagten bekanntgegeben wurde - Angaben über einzelne Verhaltensweisen des Bediensteten enthalten sind, auf eine dem Vorgehen diktatorischer Regime entsprechende Überwachung aller Bediensteten zu schließen, ist doch allzu leichtfertig. Im Hinblick auf die Schwere des Vorwurfes hätte es wesentlich eingehenderer Recherchen bedurft. Im übrigen hat schon das Berufungsgericht mit Recht darauf verwiesen, daß für die verallgemeinernde Schlußfolgerung, die Klägerin führe Spitzelakten, von Haus aus jede Grundlage gefehlt hat. Die Beklagten haben daher zumindest fahrlässig gehandelt, so daß ihnen die beanstandete Äußerung vorzuwerfen ist (Reischauer aaO Rz 16).

Den Beklagten kann auch darin nicht gefolgt werden, daß die Klägerin als Gebietskörperschaft den Schutz des § 1330 ABGB nicht in Anspruch nehmen könnte. Die - vom Obersten Gerichtshof schon in mehreren Entscheidungen (MR 1991, 146; eco 1992, 233; ÖBl 1992, 140; aM Korn-Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht

50) bejahte - Frage, ob juristische Personen passiv beleidigungsfähig und damit nach § 1330 Abs 1 ABGB aktiv legitimiert sind, ist hier nicht entscheidend, Daß juristische Personen den Anspruch auf Schutz ihres wirtschaftlichen Rufes nach § 1330 Abs 2 ABGB (SZ 56/124; SZ 61/193; SZ 61/210 ua; Reischauer aaO Rz 7) haben, unterliegt keinem Zweifel (MR 1990, 57; Reischauer aaO Rz 7b; Korn-Neumayer aaO). Die Klägerin ist auch entgegen den Revisionsausführungen keinesfalls ein "in jeder Hinsicht konkurrenzloses Rechtssubjekt", weil "sich niemand aussuchen" könne, "ob er ihr angehören will oder nicht". Die Beklagten übersehen, daß niemand gezwungen ist, seinen Wohnort oder Arbeitsplatz beizubehalten. Auch Unternehmen steht es grundsätzlich frei, ob sie mit der Klägerin zusammenarbeiten oder nicht. Es besteht für niemandem ein Zwang, sich um eine Anstellung bei der Klägerin zu bewerben. Daß eine Gebietskörperschaft an ihrem schlechten wirtschaftlichen Ruf nicht leiden könnte, trifft somit keinesfalls zu. Die Aktivlegitimation der Klägerin ist somit zu bejahen.

Ob die beanstandete Äußerung geeignet ist, den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen der Klägerin zu beeinträchtigen, ist eine Rechtsfrage. Irgendwelcher Feststellung dazu bedurfte es nicht. Die von den Vorinstanzen getroffene (negative) Feststellung, daß ein Schaden der Klägerin nicht feststehe, ist für die geltend gemachten Ansprüche - Schadenersatz hat die Klägerin nicht begehrt - ohne Bedeutung. Den Vorinstanzen ist zuzustimmen, daß die Behauptung, die Klägerin führe offenbar Spitzelakte, sehr wohl geeignet ist, den Ruf und damit auch die wirtschaftliche Lage der Klägerin zu beeinträchtigen, ist es doch ua durchaus vorstellbar, daß es der Klägerin dadurch schwerer gemacht wird, eine ausreichende Anzahl tüchtiger Mitarbeiter zu gewinnen.

Die Beklagten können sich schließlich auch nicht mit Erfolg auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art 10 EMRK und die dazu ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes - etwa den Fall "Lingens" (MR 1986, H 4, 11) - berufen. Nach Art 10 Z 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht kann jedoch nach Art 10 Z 2, da die Ausübung dieser Freiheit Pflichten und Verantwortungen mit sich bringt, bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, wie sie vom Gesetz vorgeschrieben und in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse ua des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind. Einen Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 MRK enthält ua § 1330 Abs 2 ABGB, welche nach dem oben Gesagten dem Schutz des wirtschaftlichen Rufes (Reischauer aaO Rz 7 mwN) dient. Zu prüfen bleibt demnach im Lichte des Art 10 EMRK nur noch, ob die im § 1330 Abs 2 ABGB vorgesehene Beschränkung der freien Meinungsäußerung zu dem erwähnten Zweck in einer demokratischen Gesellschaft unentbehrlich ist. Dabei kann der vorliegende Sachverhalt mit dem "Fall Lingens" - bei welchem es um beleidigende Äußerungen eines Journalisten gegen einen führenden Politiker im Zusammenhang mit einer Kritik an dessen Politik gegangen war - nicht verglichen werden, waren doch dort Werturteile eines Journalisten, die auf beweisbaren Fakten beruhten, zu beurteilen. (Dem Politiker wurde im Hinblick auf sein Verhalten gegenüber einer anderen Partei Opportunismus, unmoralisches und würdeloses Verhalten vorgeworfen.)

Im vorliegenden Fall geht es um eine unrichtige Tatsachenbehauptung. Für jede - nicht nur demokratische - Gesellschaft ist der Schutz des einzelnen Bürgers vor ihm abträglichen unwahren Vorwürfen unentbehrlich (ÖBl 1991, 27). In den Schutzbereich der Ausnahme vom Recht der freien Meinungsäußerung fallen auch juristische Personen (MR 1989, 219; ÖBl 1991, 27; Frowein-Peukert EMRK-Kommentar 238, Rz 32 zu Art 10).

Mit Recht haben demnach die Vorinstanzen alle Tatbestandsmerkmale des § 1330 Abs 2, Satz 1, ABGB bejaht. Der Revision mußte somit ein Erfolg versagt bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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