OGH 14Os138/21g

OGH14Os138/21g22.2.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Februar 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Socher im Verfahren zur Unterbringung des A*B* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 5. Oktober 2021, GZ 37 Hv 80/21a‑33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00138.21G.0222.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteilwurde die Unterbringung desA* B* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet. 

[2] Danach hat er in der Zeit von Mai 2021 bis Juli 2021 in O* unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, beruht, An* B* wiederholt mit einer erheblichen Verstümmelung gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ankündigte, ihm Kopf und Füße abzuschneiden und (in einem Fall) ihn auszuradieren, und somit Taten begangen, die als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5a und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen ist nicht im Recht.

[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider erfolgte die Abweisung des Antrags auf Durchführung eines Augenscheins zum Beweis dafür, dass aufgrund der örtlichen Gegebenheiten die Schreie des Angeklagten für das Opfer nicht hörbar gewesen wären (ON 32 S 27), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten. Denn der – nach dem Antragsvorbringen alleine – unter Beweis zu stellende Umstand betrifft die Abgrenzung von Versuch und Vollendung (zum Versuchsstadium bei gefährlicher Drohung Schwaighofer in WK² StGB § 107 Rz 9 mwN), dient also nicht der Klärung für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage entscheidender Tatsachen (RIS‑Justiz RS0122138; vgl zum Versuch der Anlasstat RIS-Justiz RS0090544 und Ratz in WK² StGB § 21 Rz 4 sowie zum Bezugspunkt der Verfahrensrüge RIS‑Justiz RS0116503). Dass die Handlungen des Betroffenen (bei gebotener Ex-ante-Betrachtung [vgl RIS‑Justiz RS0102826]) untauglich im Sinn des § 15 Abs 3 StGB gewesen sein sollen, behauptet die Beschwerde nicht.

[5] Die Tatsachenrüge (Z 5a) wendet sich gegen die Sachverhaltsannahmen der Tatrichter zur Krankheitseinsicht des Betroffenen und zu seiner Bereitschaft zur Mitwirkung an therapeutischen Maßnahmen (US 3), spricht damit aber keine (für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage) entscheidende Tatsache an und verfehlt solcherart den gesetzlichen Bezugspunkt (RIS‑Justiz RS0118780; zur Bekämpfung von der Prognoseentscheidung zugrundeliegenden Konstatierungen siehe unten).

[6] Indem der Beschwerdeführer das zur Tatsachenrüge erstattete Vorbringen pauschal auch zu jenem der Mängelrüge (Z 5) erklärt, vernachlässigt er den wesensmäßigen Unterschied der – demnach gesondert auszuführenden – Nichtigkeitsgründe (RIS‑Justiz RS0115902).

[7] Soweit sich die Beschwerde (nominell Z 11) mit eigenständigen Erwägungen zur Person des Betroffenen gegen die Gefährlichkeitsprognose richtet, erstattet sie bloß ein Berufungsvorbringen, weil die zu den im Gesetz genannten Erkenntnisquellen (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) getroffenen Sachverhaltsannahmen aus Z 11 zweiter Fall nicht bekämpft werden können (RIS‑Justiz RS0099869 [T25], RS0127354; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 680, 693, 717 f).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die (implizierte) Berufung des Betroffenen folgt (§§ 290 Abs 1 letzter Satz285i StPO).

[9] Der Vollständigkeit halber wird bemerkt, dass der in § 21 Abs 1 StGB normierte (mit jenem des § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO idente) Begriff der „schweren Folgen“ über die tatbestandsmäßigen Folgen hinaus alle konkreten Tatauswirkungen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit umfasst, also Art, Ausmaß und Wichtigkeit aller effektiven Nachteile sowohl für den betroffenen Einzelnen als auch für die Gesellschaft im Ganzen, den gesellschaftlichen Störwert einschließlich die Eignung, umfangreiche und kostspielige Abwehrmaßnahmen auszulösen und weit reichende Beunruhigung und Besorgnisse herbeizuführen (RIS‑Justiz RS0108487; Ratz in WK² StGB § 21 Rz 27; Kirchbacher/Rami, WK‑StPO § 173 Rz 43).

[10] Nicht durch schwere Nötigung begangener Widerstand gegen die Staatsgewalt oder – vom Erstgericht erkennbar angesprochene – Körperverletzung an einem Beamten während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben oder der Erfüllung seiner Pflichten stellen per se keine Taten mit schweren Folgen dar (vgl 15 Os 55/14y; Nimmervoll, Haftrecht³ Rz 654, 689). Deren Beurteilung als solche iSd § 21 Abs 1 StGB setzt ihre sachverhaltsmäßige Umschreibung der Art nach einschließlich der zuvor geschilderten tatbestandsmäßigen Folgen und darüber hinausgehenden konkreten Tatauswirkungen voraus (vgl RIS‑Justiz RS0118581 [T9]). Das – wie hier – bloße Anführen der Deliktsbezeichnungen wird diesem Erfordernis nicht gerecht (US 3 und 7 f; vgl zur sachverhaltsmäßigen Begründung der Gefährlichkeitsprognose Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 684 f, 721).

[11] Aufgrund der weiters konstatierten Prognosetaten, nämlich der mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Drohungen mit dem Tod oder erheblichen Verstümmelungen (US 7; vgl RIS‑Justiz RS0116500), kann dieses Feststellungsdefizit aber auf sich beruhen.

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