European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0130OS00083.20K.0113.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christoph H***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (A) sowie eines Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (B) und mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (C) schuldig erkannt.
Danach hat er – soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – in L***** und an anderen Orten (US 4 f) Sarah D*****
(A) die tief (US 5) schlief, somit eine wehrlose Person, am 16. Dezember 2018 unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihr dreimal aufeinanderfolgend, nachdem sie jeweils wieder eingeschlafen war, einen Vaginalverkehr, sohin den Beischlaf, vornahm,
(B) eine längere Zeit hindurch, nämlich von Mitte 2014 bis Mitte 2015, durch im Urteil näher beschriebene Handlungen mehrmals pro Monat am Körper misshandelt und einmal eine vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlung gegen Leib und Leben, nämlich eine Körperverletzung, an ihr begangen, sohin gegen die Genannte fortgesetzt Gewalt ausgeübt, sowie
(C) am Körper verletzt, und zwar
5) am 16. Dezember 2018 durch Schläge mit einem Ledergürtel gegen den rechten Oberarm und den rechten Oberkörper, wodurch sie zahlreiche Hämatome erlitt.
Rechtliche Beurteilung
[2] Dagegen wendet sich die auf Z 5, 5a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[3] Der zum Schuldspruch A erhobene Einwand der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) verkennt, dass diese nur dann vorliegt, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099431 [T1]).
[4] Mit der Hervorhebung einzelner Aussagepassagen der kontradiktorischen Vernehmung der Zeugin D***** (vgl aber RIS‑Justiz RS0116504) wird ein solches Fehlzitat nicht behauptet. Vielmehr bekämpft der Angeklagte damit bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung (RIS‑Justiz RS0099431 [T2, T5, T16]).
[5] Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt zum Schuldspruch A mit dem erneuten Verweis auf die – bereits im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) herangezogenen – Aussagedetails der kontradiktorischen Vernehmung der Zeugin Sarah D***** keine erheblichen Bedenken (dazu RIS‑Justiz RS0119583) gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter zur Feststellung der Wehrlosigkeit der Genannten infolge ihres durch Alkoholisierung, Übermüdung und Erschöpfung bedingten tiefen Schlafs (US 5 f).
[6] Gleiches gilt in Bezug auf die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite zum Schuldspruch A (US 6), die die Beschwerde unter Hinweis auf einen Passus der kontradiktorischen Vernehmung der Zeugin D***** und auf die einen Missbrauch leugnende Verantwortung des Angeklagten als „mehr als nur bedenklich“ bezeichnet.
[7] Soweit die Rüge zum Schuldspruch C/5 aus einem einzelnen, isoliert herausgegriffenen Verfahrensergebnis (Aussage der Zeugin Marie G*****) anhand eigener, spekulativer Beweiswerterwägungen für den Angeklagten günstigere Schlüsse betreffend die festgestellten Verletzungsfolgen ableitet als das Erstgericht, wendet sie sich erneut nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.
[8] Mit dem zum letztgenannten Schuldspruch erhobenen Vorbringen, die Aussage des Zeugen Michael K*****, wonach sich Sarah D***** ihm anvertraut habe, stehe in Widerspruch mit der Erwägung, die Genannte habe sich „in den Jahren zuvor niemandem anvertraut“ (US 11), weshalb sich das Erstgericht damit „genauer auseinandersetzen“ hätte müssen, unterlässt die Rüge die gebotene Bezugnahme auf entscheidende Tatsachen (RIS‑Justiz RS0117499).
[9] Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) behauptet einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) durch die erschwerende Wertung des langen Tatzeitraums zum Schuldspruch B im Rahmen der Strafbemessung (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB; US 14), weil der Tatbestand des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB gerade einen solchen erfordere.
[10] Das Tatbestandselement der „längeren Zeit“ (§ 107b Abs 1 StGB) lässt sich begrifflich nicht präzise bestimmen. Vielmehr erfordert die Beurteilung der Tatbestandsmäßigkeit nach § 107b StGB stets eine einzelfallbezogene Gesamtbetrachtung der Faktoren Dauer, Dichte und Intensität der Gewaltausübung, wobei eine besonders starke Ausprägung eines dieser Faktoren aus dem Blickwinkel der Subsumtion eine Reduktion des Gewichts der beiden übrigen Faktoren zulässt (RIS‑Justiz RS0127377).
[11] Ausgehend von diesen Kriterien ist bei der vorliegend festgestellten Dichte von mehreren Angriffen pro Monat und einer Gewaltintensität, die regelmäßig zu körperlichen Misshandlungen in Form von Schlägen in das Gesicht und Drücken des Körpers gegen feste Gegenstände sowie in einem Fall durch Würgen zu einer kurzen Bewusstlosigkeit und einer Rötung am Hals führte (US 3 f), die konstatierte Dauer der Gewaltausübung von einem Jahr keineswegs als für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der „längeren Zeit“ erforderliches zeitliches Mindestmaß zu beurteilen (vgl Schwaighofer in WK 2 StGB § 107b Rz 26; Winkler SbgK § 107b Rz 104; Leukauf/Steininger/Tipold , StGB 4 § 107b Rz 8 je mwN).
[12] Infolgedessen ist die erschwerende Wertung des einjährigen Tatzeitraums zum Schuldspruch B unter dem Aspekt des Doppelverwertungsverbots nicht zu beanstanden.
[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[14] Über die Berufungen hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).
[15] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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