Spruch:
Zarko Z***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Zarko Z***** wurde am 24. August 2005 verhaftet (ON 29). Am 25. August 2005 wurde über ihn die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a und b StPO verhängt (ON 36) und in der Folge - ab dem Beschluss vom 7. Dezember 2005 unter Entfall des Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr - fortgesetzt (ON 46, 86), wobei es zu mehreren Unterbrechungen zum Zweck des Vollzuges von (Ersatzfreiheits- und Verwaltungs-)Strafen (ON 63, 79, 80 und 91) kam. Dem Beschwerdeführer liegt nach den Verdachtsannahmen des angefochtenen Beschlusses das teilweise als Bestimmungstäter (§ 12 zweiter Fall StGB) begangene Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB, das Vergehen des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 und 2 StGB, das Vergehen des betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz nach § 153d Abs 1 und 3 StGB sowie das Verbrechen der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und 2, 161 Abs 1 StGB zur Last.
Die Vorsitzende des Schöffengerichtes hatte ungeachtet der Tatsache, dass in der Anklageschrift die Abhörung von 33 Zeugen beantragt worden war (ON 101; § 207 Abs 4 StPO) und sich der Angeklagte in der Voruntersuchung nicht schuldig verantwortet hatte (ON 35), keine einzige dieser Beweispersonen zu der für den 5. Mai 2005 anberaumten Hauptverhandlung geladen (ON 106).
Die Hauptverhandlung vom 5. Mai 2005 wurde nach Vernehmung der beiden wiederum leugnenden Angeklagten auf unbestimmte Zeit vertagt, wobei die Vorsitzende einen nächsten Verhandlungstermin „voraussichtlich Anfang September 2006" in Aussicht stellte (S 235/VI). Den daraufhin von Zarko Z***** gestellten Enthaftungsantrag wies der Schöffensenat ab und setzte die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO fort (ON 117).
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde des Angeklagten keine Folge und setzte die Untersuchungshaft seinerseits aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO fort. Dabei wurde die vom Rechtsmittelwerber gerügte Verzögerung durch die „Vertagung der Hauptverhandlung, möglicherweise auf einen Termin erst voraussichtlich im September 2006" als noch nicht grundrechtsbeeinträchtigend beurteilt, allerdings der Auftrag erteilt, „ehestens alle erforderlichen Vorkehrungen zur zügigen Abwicklung des Straffalles zu treffen".
Rechtliche Beurteilung
Was die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft anlangt, prüft der Oberste Gerichtshof, ausgehend von der Vorgabe des GRBG (wonach nicht die Haft, vielmehr die vom Oberlandesgericht getroffene Entscheidung über die Haft den Prozessgegenstand bildet) in jüngerer, jedoch bereits gefestigter Rechtsprechung in zwei Schritten, ob angesichts der vom Beschwerdegericht angeführten bestimmten Tatsachen der von diesem gezogene Schluss auf ein ausgewogenes Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe vertretbar war (§ 180 Abs 1 zweiter Satz StPO) und - zusätzlich nach Maßgabe eigener Beweiswürdigung (vgl Ratz, ÖJZ 2005, 415 [419]) - ob die Gerichte alles ihnen Mögliche zur Abkürzung der Haft unternommen haben (§ 193 Abs 1 StPO; vgl 15 Os 34/04, JBl 2005, 262; 14 Os 139/04, EvBl 2005/91, 395; 14 Os 141/05z, EvBl 2006/39, 209; 13 Os 48/06t). Eine ins Gewicht fallende Säumigkeit in Haftsachen ist demnach auch ohne Verletzung des § 180 Abs 1 zweiter Satz StPO grundrechtswidrig im Sinn einer Verletzung des § 193 Abs 1 StPO (13 Os 48/06t; anders noch 11 Os 75/03, EvBl 2003/192, 908 = SSt 2003/51). Die angefochtene Entscheidung des Oberlandesgerichtes verkennt zwar die Strenge des Beschleunigungsgebots nach § 193 Abs 1 StPO, insoweit sie es für zulässig hält, nach Durchführung einer auf die - eingehende - Vernehmung des Angeklagten beschränkten Hauptverhandlung ohne Ladung der in der Anklageschrift beantragten 33 Zeugen diese auf einen vier Monate in der Zukunft liegenden Termin zu vertagen. Auch ist es in der Regel nicht statthaft, die Hauptverhandlung vorerst nur zur Vernehmung des Angeklagten anzuberaumen, ohne diese gleich darauf zwecks Abhörung der beantragten oder sonst für nötig befundenen (vgl § 254 Abs 2 StPO) Zeugen und Sachverständigen fortzusetzen (vgl 13 Os 48/06t).
Im vorliegenden Fall war die Vorsitzende jedoch angesichts der im Vorverfahren höchst mangelhaft vorgenommenen Vernehmung des Angeklagten (ON 35: letzte Befragung am 24. Oktober 2005) und in Anbetracht der vom 5. August 2005 (S 3f) bis 10. April 2006 (S 3qq verso) geführten, sich neben Haftverhandlungen, der Erlassung von Durchsuchungsbefehlen, Kontoeröffnungsbeschlüssen und Erteilung von Erhebungsaufträgen auf die Sammlung von Unterlagen der Polizei und der Privatbeteiligten sowie eine einzige gerichtliche Zeugenvernehmung (ON 55) beschränkenden, solcherart oberflächlich betriebenen Voruntersuchung ausnahmsweise berechtigt, dem nunmehrigen Beschwerdeführer vorerst die Gelegenheit zu einer umfassenden Darstellung des Falles aus seiner Sicht zu geben und sich so ein Bild für weitere prozessleitende Verfügungen (vgl § 254 Abs 2 StPO) und für die Notwendigkeit der Abhörung der in der Anklageschrift zahlreich beantragten Zeugen zur Frage seiner Stellung in der Firma K***** GmbH zu machen, zumal sich aus dem Akt auch kein Hinweis darauf ergibt, dass der erste (nur einen Tag nach Einlangen des Aktes bei der Vorsitzenden ausgeschriebene; vgl S 3qq verso iVm ON 106) Verhandlungstermin zwecks einer - der StPO fremden und gesetzwidrigen (vgl 11 Os 77/04, JBl 2005, 127) - verfahrensbeendenden Absprache ohne die Ladung von Zeugen anberaumt wurde.
Die - in der Folge nicht umgesetzte - Bemerkung der Vorsitzenden, die auf unbestimmte Zeit vertagte Hauptverhandlung werde voraussichtlich erst im September fortgesetzt (S 235/VI), stellt demgegenüber (noch) keine rechtswirksame prozessleitende Verfügung dar und konnte daher auch dem Beschleunigungsgebot nicht widerstreiten. Dieser dessen ungeachtet problematischen (erst im Fall einer dieser Ankündigung entsprechenden späten Anberaumung der nächsten Hauptverhandlung oder im Fall eines längeren Untätigbleibens grundrechtsverletzenden) Vorgangsweise wurde im Übrigen (erfolgreich: vgl die zwischenzeitig erfolgte Anberaumung der nächsten Hauptverhandlung auf den 20. Juli 2006; ON 122) durch die angefochtene Entscheidung des Oberlandesgerichtes begegnet, mit welcher der Vorsitzenden die unverzügliche Fortführung des Verfahrens aufgetragen wurde. Der dem § 193 Abs 1 StPO widerstreitende, eine Säumigkeit im Sinn dieser Bestimmung begründende Ablauf der Voruntersuchung, welcher die Vorgangsweise der Vorsitzenden fallbezogen als ausnahmsweise zulässig erscheinen lässt, blieb hingegen ungerügt (§§ 1 Abs 1, 3 Abs 1 GRBG; vgl RIS-Justiz RS0114487; RS0061119; jüngst 11 Os 55/06g). Zarko Z***** wurde somit im vom Angeklagten geltend gemachten Umfang im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, sodass die Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.
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