European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00066.16D.0906.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Begründung:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Arthur K***** der Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB idF vor BGBl I 2015/112 (I) und der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB idF vor BGBl I 2015/112 (II/A), (richtig) mehrerer Vergehen der Begünstigung eines Gläubigers nach § 158 Abs 1 StGB (II/B), des Vergehens nach § 122 Abs 2 Z 1 und 2 GmbHG (II/C), mehrerer Vergehen der Schädigung fremder Gläubiger nach §§ 157 und 15 StGB (III) sowie (richtig) mehrerer Vergehen des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Solzialversicherung nach § 153c Abs 1 StGB idF vor BGBl I 2015/112 (IV) schuldig erkannt.
Danach hat er vom September 2012 bis zum 6. August 2013 an mehreren in Wien, in Niederösterreich und im Burgenland gelegenen Orten
(I) in zahlreichen, im Urteil einzeln beschriebenen Angriffen gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz andere durch Vortäuschung seiner Leistungsbereitschaft zu Dienst‑ und Arbeitsleistungen, zu Warenlieferungen sowie zur Übergabe von Geldbeträgen verleitet und hiedurch einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeigeführt,
(II) als faktischer Geschäftsführer (§ 161 Abs 1 StGB)
II/A) von acht im Urteil genannten Unternehmen durch rechtsgrundlose Entnahmen Bestandteile des Vermögens dieser Unternehmen verheimlicht oder beiseite geschafft oder deren Vermögen wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung der Unternehmensgläubiger in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag vereitelt oder geschmälert,
II/B) der K*****gmbH sowie der Kr***** GmbH nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit dieser Unternehmen Gläubiger durch vorrangige Befriedigung begünstigt und dadurch die anderen Gläubiger benachteiligt sowie
II/C) mehrerer im Urteil genannter Unternehmen in Berichten, Darstellungen und Übersichten betreffend diese Unternehmen sowie in öffentlichen Aufforderungen zur Beteiligung an ihnen die Unternehmensverhältnisse unrichtig wiedergegeben, verschleiert oder verschwiegen,
(III) im das Vermögen des Albert P***** betreffenden Insolvenzverfahren ohne Einverständnis mit dem Schuldner Bestandteile des Vermögens des Schuldners verheimlicht oder beiseite geschafft und dies versucht sowie
(IV) als faktischer Geschäftsführer (§ 153c Abs 2 StGB) der Kr***** GmbH Beiträge von Dienstnehmern dieses Unternehmens zur Sozialversicherung in der Höhe von insgesamt rund 5.200 Euro dem berechtigten Versicherungsträger, nämlich der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, vorenthalten.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 3, 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Soweit sich der Einwand der Verfahrensrüge, Dr. Gertraud H***** sei nicht über ihr Recht zur Aussageverweigerung informiert worden (§ 157 Abs 1 Z 2 StPO iVm § 159 Abs 3 StPO), auf den Schuldspruch wegen Betrugs zum Nachteil dieser Zeugin (I/B/1/c) bezieht, geht er schon im Ansatz fehl, weil bei Berufsgeheimnisträgern das angesprochene Zeugnisverweigerungsrecht auf die bei der Berufsausübung bekannt gewordenen Tatsachen begrenzt ist ( Kirchbacher , WK‑StPO § 157 Rz 16).
Hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Betrugs zum Nachteil des Albert P***** (I/B/1/a) gründete das Erstgericht bloß die Feststellungen zum den Geschädigten betreffenden Insolvenzverfahren auf die Aussage der Zeugin Dr. H*****. Zudem wurden selbst diese Feststellungen – neben mehreren weiteren Zeugenaussagen und zahlreichen Urkunden – bloß illustrativ auch auf die Angaben jener Zeugin gestützt (US 45). Demnach ist unzweifelhaft erkennbar, dass die geltend gemachte Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Beschwerdeführer nachteiligen Einfluss üben konnte, aus welchem Grund sie mit Blick auf § 281 Abs 3 erster Satz StPO unbeachtlich ist (14 Os 102/13a, EvBl 2013/159, 1094; RIS‑Justiz RS0112987).
Entgegen der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag, den Sachverständigen Mag. S***** aus dem Grund der Befangenheit zu entheben, weil der Beschwerdeführer den Beschluss, mit dem die Gebühr dieses Sachverständigen bestimmt worden war, bekämpft habe (ON 134 S 40), zu Recht ab (ON 134 S 41). Der Umstand, dass eine Prozesspartei von einem ihr eingeräumten Recht (hier § 41 Abs 1 erster Satz GebAG) Gebrauch macht, ist nämlich nicht geeignet, die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des von dieser Rechtsausübung betroffenen Sachverständigen in Zweifel zu setzen (vgl Lässig, WK‑StPO § 43 Rz 12 und 15).
Auch durch die Abweisung (ON 175a S 24) des Antrags auf Ablehnung des Sachverständigen Mag. S***** wegen dessen Tätigkeit im Ermittlungsverfahren (ON 175a S 23) wurden Verteidigungsrechte nicht verletzt: Wie der Oberste Gerichtshof bereits in zahlreichen Entscheidungen (13 Os 141/11a, 160/11w; 14 Os 2/12v; 12 Os 115/12x; 11 Os 51/13d, EvBl 2014/62, 420; 13 Os 55/13g, 56/13d; 13 Os 25/14x, EvBl 2014/136, 926; 13 Os 43/14v; RIS‑Justiz RS0120023 [T4] und RS0130055) dargelegt und auch der Verfassungsgerichtshof (VfGH 10. 3. 2015, G 180/2014, G 216/2014, G 232/2014, G 42/2015, G 77/2015) ausgesprochen hat, folgt nämlich allein aus dem Umstand, dass ein Sachverständiger bereits im Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft beigezogen worden ist, nicht der generelle Ausschluss dieses Sachverständigen für die Bestellung in der Hauptverhandlung. Vielmehr ist auch bei dieser Verfahrenskonstellation im Rahmen einer Einzelfallprüfung eine allfällige Befangenheit anhand der Regelung des § 47 Abs 1 Z 3 StPO iVm § 126 Abs 4 erster Satz StPO zu beurteilen (so auch VfGH 10. 3. 2015, G 180/2014, G 216/2014, G 232/2014, G 42/2015, G 77/2015 Rz 43). Ein Antrag, einen im Ermittlungsverfahren über Auftrag der Staatsanwaltschaft tätig gewesenen Sachverständigen nicht auch für die Hauptverhandlung zu bestellen, muss demnach Anhaltspunkte aufzeigen, die im Zusammenhang mit der konkreten Tätigkeit dieses Sachverständigen im Ermittlungsverfahren gegen dessen völlige Neutralität sprechen (13 Os 43/14v, RIS‑Justiz RS0130055), welchem Erfordernis der gegenständliche Antrag nicht entsprach.
Das die Anträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen.
Indem die Mängelrüge (Z 5) hinsichtlich des Schuldspruchs wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs (I) fehlende Erörterung (Z 5 zweiter Fall) der Ausführungen des Sachverständigen Mag. S***** zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einwendet, bezieht sie sich schon deshalb nicht auf schuld‑ oder subsumtionsrelevante Umstände, weil der Beschwerdeführer nach den Urteilskonstatierungen (nicht nur über seine Zahlungsfähigkeit, sondern auch) über seine Zahlungswilligkeit getäuscht hat (US 20, 21, 23, 28 und 29).
Hinzu kommt, dass die Aussage des Sachverständigen, die Zahlungsfähigkeit sei „spätestens“ am 31. Dezember 2012 eingetreten, der Feststellung des Eintritts‑Zeitpunkts mit „Oktober/November 2012“ (US 27) keineswegs entgegensteht.
Das übrige Vorbringen zu angeblicher Urteilsunvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) erschöpft sich darin, aus einzelnen Verfahrensergebnissen anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstige Schlüsse (insbesondere zur subjektiven Tatseite) abzuleiten. Damit bekämpft die Beschwerde nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO) in unzulässiger Weise die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).
Ein Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen den – im Übrigen wie dargelegt im gegebenen Zusammenhang nicht entscheidenden – Feststellungen, wonach einerseits der Beschwerdeführer und die von ihm geleiteten Unternehmen im Oktober oder im November 2012 zahlungsunfähig waren (US 27, 42) und andererseits der Beschwerdeführer wusste, dass zwei dieser Unternehmen „Ende 2012“ zahlungsunfähig waren (US 35), besteht nicht.
Die Behauptung offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zum Schuldspruch I übergeht die diesbezügliche Beweiswürdigung (siehe insbesondere US 41 bis 44) zur Gänze und entzieht sich solcherart einer meritorischen Erledigung (11 Os 53/07i, SSt 2007/68; RIS‑Justiz RS0119370).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich darin, den Überlegungen zur Aussage des Zeugen Ki***** und einer in der Hauptverhandlung vorgekommenen Urkunde (US 51 bis 53) eigene Beweiswerterwägungen entgegenzustellen . Damit bekämpft die Beschwerde einmal mehr unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter.
Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a), das Erstgericht treffe zu zwei Betrugsfakten (I/B/1/a und I/B/3) keine Feststellungen zum Schädigungsvorsatz, übergeht die diesbezüglichen Urteilskonstatierungen (US 20, 23) und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
Entsprechendes gilt für das Vorbringen zum Schuldspruch I/C, mit dem die Rüge die Feststellungen zum Schädigungsvorsatz (US 26) bestreitet.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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