European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00060.17Y.0628.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Haroon H***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (I), mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II) sowie der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (III), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (IV) und des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (V) schuldig erkannt.
Danach hat er in W***** und an einem anderen Ort
(I) am 7. Dezember 2016 im einverständlichen Zusammenwirken mit mehreren Mittätern (§ 12 erster Fall StGB) mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe dem Ali N***** fremde bewegliche Sachen, nämlich 60 Euro und ein Mobiltelefon im Wert von zumindest 20 Euro, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt, indem er ein Messer mit einer etwa 10 cm langen Klinge gegen dessen Körper richtete, während ein Mittäter eine Gaspistole gegen die Hüfte des Opfers drückte und anschließend mit dieser Pistole gegen dessen Stirn schlug,
(II) andere vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar
1) am 7. Dezember 2016 Ali N***** durch heftiges Packen am Hals,
2) am 28. Juli 2016 Hossain Ho***** durch Versetzten eines Faustschlags gegen das Gesicht,
3) am 19. Jänner 2016 Gholam Y***** durch Versetzen eines Faustschlags gegen das Gesicht und
4) am 29. Jänner 2016 Jama E***** durch Versetzen eines Faustschlags gegen den Körper,
(III) am 7. Dezember 2016 Ali N***** mit Gewalt, nämlich durch heftiges Packen am Hals, zur Unterlassung seiner Anhaltung (§ 80 Abs 2 StPO) wegen des zuvor ausgeführten Raubes (I) genötigt,
(IV) am 27. Juli 2016 Ahmad S***** mit jedenfalls einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er gegen dessen Brust schlug und ein etwa 20 cm langes Küchenmesser gegen ihn richtete, sowie
(V) am 18. Februar 2016 eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine Flasche Vodka, Gewahrsamsträgern des Unternehmens M***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen versucht.
Den Strafrahmen bildete das Erstgericht auf der Basis der Strafdrohung des § 143 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB und des § 36 StGB.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Urteil aus Z 5a, 9 (richtig) lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich darin, der – im Übrigen äußerst eingehenden (US 7 bis 10) – Begründung der Feststellungen zu den Schuldsprüchen I, II/1 und III eigene Beweiswerterwägungen entgegenzustellen und wendet sich damit nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO) in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).
Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a), die Vergehen der Körperverletzung (II/1) und der Nötigung (III) zum Nachteil des Ali N***** würden durch das Verbrechen des schweren Raubes (I) infolge Konsumtion verdrängt, argumentiert nicht auf der Basis des Urteilssachverhalts und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materiell‑rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
Nach den Feststellungen des Erstgerichts ging Ali N***** nach dem Raubüberfall zu Boden. Nachdem ihm ein Passant auf die Beine geholfen hatte, traf er zunächst einen Freund, mit dessen Mobiltelefon er die Polizei verständigte. Erst im Anschluss daran entdeckte er den Beschwerdeführer, der sich sodann durch die von den Schuldsprüchen II/1 und III umfasste Tat gegen seine Anhaltung zur Wehr setzte (US 5). Hievon ausgehend erfolgten die Nötigung und die Körperverletzung nach Vollendung des Raubes und dienten sie nicht der Ermöglichung der Flucht des Beschwerdeführers, sondern der Verhinderung seiner Anhaltung bis zum Eintreffen eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes (§ 80 Abs 2 StPO). Solcherart konkurrieren die Tatbestände der Nötigung und der Körperverletzung hier mit jenem des (schweren) Raubes echt (vgl 14 Os 67/15g, EvBl 2016/76, 517; RIS‑Justiz RS0093085, RS0093485 [T4, T7] und RS0113271 [T3, T6]; Eder‑Rieder in WK² StGB § 142 Rz 69; Hintersteininger SbgK § 142 Rz 73).
Die Behauptung fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf den Schuldspruch wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (IV) ist einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich, weil sie nicht erkennen lässt, welche über die vom Erstgericht getroffenen (US 6 f) hinausgehenden Konstatierungen zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich sein sollen (RIS‑Justiz RS0095939, RS0117247 und RS0118342).
Unter dem Aspekt des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei festgehalten, dass die Feststellungen, wonach es dem Beschwerdeführer darauf ankam (§ 5 Abs 2 StGB), sein Opfer in Furcht und Unruhe zu versetzen und er es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand (§ 5 Abs 1 StGB), zumindest mit einer Verletzung am Körper zu drohen, die Subsumtion nach dem Tatbestand des § 107 Abs 1 StGB in subjektiver Hinsicht sehr wohl tragen.
Das Vorbringen der Sanktionsrüge (Z 11), das Erstgericht hätte bei der Strafrahmenbildung die Bestimmung des § 5 Z 4 JGG anwenden müssen, trifft nicht zu. Diese Norm setzt nämlich Jugendstraftaten, also mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlungen, die von einem Jugendlichen begangen worden sind (§ 1 Z 3 JGG), voraus, wogegen der Beschwerdeführer nach den Urteilskonstatierungen zu den Zeitpunkten der von den Schuldsprüchen I, II/1 und 2, III sowie IV umfassten Taten das 18. Lebensjahr bereits vollendet hatte, also nicht mehr Jugendlicher war (§ 1 Z 2 JGG).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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