OGH 13Os37/23z

OGH13Os37/23z28.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Mair im Verfahren zur Unterbringung des Mag. * T* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. Februar 2023, GZ 32 Hv 89/22y‑37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00037.23Z.0628.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung des Mag. * T* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

[2] Danach hat er am 7. November 2022 in W* unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer wahnhaften Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis in Kombination mit Cannabis- und Alkoholkonsum, beruht, nachgenannte Personen gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

I) * L* mit dem Tod ihm nahestehender Personen, nämlich seiner Arbeitskollegen in einem Obdachlosenwohnheim, indem er diesem gegenüber äußerte, manche Mitarbeiter des Wohnheims seien Freimaurer, und in der Folge sinngemäß angab, wenn ihm ein Freimaurer „passiv aggressiv entgegenkommen“ werde, werde er diesen töten, ab morgen werde er damit anfangen, wobei er ein Küchenmesser mit einer ca 20 cm langen Klinge vorzeigte und sagte „Man kann auch anders töten“ sowie

II) die Polizeibeamten * M*, * E* und * Mü* mit dem Tod ihnen schutzbefohlener Zivilpersonen (US 5), indem er den Genannten gegenüber sinngemäß angab, dass er von Freimaurern psychisch gefoltert werde, was sich in „passiv aggressiver Weise“ etwa durch Husten in seiner Gegenwart oder gemeinsames Benützen des Gehsteigs äußere, und er ab morgen diesem „passiv aggressiven Verhalten“ ein Ende setzen werde und dafür dieses Messer benutzen könne, sowie mehrfach wiederholte, ab morgen jemanden umzubringen, der sich ihm gegenüber „passiv aggressiv verhalte“,

und durch diese Taten mehrere Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB begangen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 „Z 9a“ StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.

[4] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet, mangels ausreichender Konkretisierung der als Opfer in Betracht kommenden Personen in denÄußerungen des Betroffenen sei schon der Grundtatbestand des § 107 Abs 1 StGB nicht erfüllt. Sie entwickelt diesen Einwand allerdings prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) bloß auf der Grundlage der Festellungen zum Wortlaut der Äußerungen des Betroffenen, nicht aber jener zu deren – für die Beurteilung als gefährliche Drohung relevanten (RIS‑Justiz RS0092088 [T1]) – Bedeutungsgehalt (US 4 f).

[5] Soweit sie pauschal die Eignung der Drohungen, begründete Besorgnis einzuflößen, in Abrede stellt, lässt die Beschwerde die gebotene Ableitung aus dem Gesetz vermissen (RIS‑Justiz RS0116565, vgl im Übrigen zu Drohungen mit einem Angriff auf das Leben von Arbeitskollegen RIS-Justiz RS0092432 [T1] und Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 74 Rz 27 sowie mit einem solchen auf das Leben Schutzbefohlener gegenüber Sicherheitsorganen RIS‑Justiz RS0092432 [insbesondere T7]).

[6] Mit ihrer Behauptung, zur Anlasstat II habe der Betroffene seine Drohungen lediglich gegen „passiv aggressive Freimaurer“ gerichtet, orientiert sie sich erneut prozessordnungswidrig nicht am konstatierten Bedeutungsinhalt der Äußerung (US 5).

[7] Die zur Stützung des Beschwerdestandpunkts angeführte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs AZ 12 Os 160/16w wird im Übrigen sinnentstellt wiedergegeben, vernachlässigt das Beschwerdevorbringen doch die in dieser vorgenommene Differenzierung zwischen einer Bedrohung von – wie hier festgestellt – durch ihren Aufenthalt im Inland umschriebenen Schutzbefohlenen einerseits und im (relativ weit entfernten) Ausland aufhältigen unbestimmten Personen andererseits.

[8] Weiters erachtet die Rüge zur Anlasstat II „die bisherige höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den 'Schutzbefohlenen', als welche gegenüber einem Polizeibeamten quasi die gesamte inländische Bevölkerung anzusehen ist“, pauschal als „mehr als nur bedenklich“ und behauptet, die Beurteilung des urteilsgegenständlichen Sachverhalts als Anlasstat der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB verstoße gegen das Analogieverbot. Sie unterlässt es jedoch, sich mit der vom Obersten Gerichtshof diesbezüglich vorgenommenen Ableitung (RIS‑Justiz RS0092432 [T3, T6 und T7]; vgl auch Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 74 Rz 27) auseinanderzusetzen, bei der davon auszugehen ist, dass das Höchstgericht den Rahmen methodischer Vertretbarkeit nicht überschritten und sich solcherart am Gesetz ausgerichtet hat (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 590 mwN). Damit leitet sie die geforderte rechtliche Konsequenz nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (erneut RIS‑Justiz RS0116565).

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[10] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

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