OGH 12Os160/16w

OGH12Os160/16w26.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Jänner 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jorda als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung der Victoria S***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 14. Oktober 2016, GZ 16 Hv 48/16i‑78, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00160.16W.0126.000

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung wird die Betroffene auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Victoria S***** im zweiten Rechtsgang nach § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil sie unter dem Einfluss eines ihre Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer Manie mit psychotischen Symptomen (F31.2), welche aus einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, emotional instabilen, histrionischen und dissozialen Anteilen (F61.0) und einer bipolaren affektiven Störung bzw einer schizo‑affektiven Psychose resultiert, am 22. Dezember 2015 in H***** den Polizeibeamten Thomas O***** dadurch bedrohte, dass sie telefonisch über den polizeilichen Notruf ihm gegenüber zusammengefasst angab, sie befinde sich in H***** auf der Landstraße und habe vor, jemanden umzubringen, sie werde demnächst nach Liechtenstein gehen und einen Türken abstechen, gefährlich mit dem Tod einer Person, für die der Polizeibeamte Verantwortung trägt, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, also eine Tat begangen hat, die ihr, wäre sie zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen, als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB zuzurechnen gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass der dagegen von Victoria S***** erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, dass dem Urteil nicht geltend gemachte, der Betroffenen zum Nachteil gereichende Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Nach der Legaldefinition des § 74 Abs 1 Z 5 StGB handelt es sich bei einer gefährlichen Drohung um eine Drohung mit einer Verletzung an bestimmten Rechtsgütern, die geeignet ist, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen, ohne Unterschied, ob das angedrohte Übel gegen den Bedrohten selbst, gegen dessen Angehörige oder gegen andere unter seinen Schutz gestellte oder ihm persönlich nahestehende Personen gerichtet ist. Der Begriff der Schutzbefohlenen ist nicht allein im Sinn des Personenrechts des ABGB oder der Aufgaben von Sicherheitsorganen, sondern – unabhängig von einer vom Gesetz keineswegs verlangten rechtlichen Basis – im Sinn wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Gegebenheiten und einer sich daraus ergebenden Verantwortung für andere auszulegen (Jerabek in WK² StGB § 74 Rz 27).

Gegen welche Person sich das angekündigte Übel richtet, ist nicht zuletzt eine Frage des tatsächlichen Bedeutungsinhalts der Äußerung, den das Gericht nach dem Sprachgebrauch, den Gewohnheiten und nach den Begleitumständen festzustellen hat.

Das angefochtene Urteil entspricht diesen Anforderungen insofern nicht, als es die Äußerung der Betroffenen – mit Blick auf den Tatbestand der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB – in Ansehung jener vom Adressaten verschiedenen Person, gegen die sich das angekündigte Übel richtet, bloß wiedergibt, ohne zu konstatieren, ob die Ankündigung „jemanden umzubringen“, „demnächst nach Liechtenstein zu gehen und einen 'Türk' abzustechen“ (US 2), im konkreten Fall (auch) jeden Nächstbesten im Inland umfasst oder ausschließlich einen im (relativ weit entfernten) Ausland aufhältigen unbestimmten Ausländer betrifft.

Diese Differenzierung ist aber insofern von entscheidender Bedeutung, als nur im ersten Fall die Rechtsfrage der Eignung der Drohung, dem in der Notrufzentrale der Polizei tätigen Beamten begründete Besorgnisse einzuflößen, zu bejahen wäre. Den strafrechtlichen Schutz eines österreichischen Polizeibeamten vor Bedrohung nach § 107 StGB auch in Ansehung eines gänzlich unbestimmten, im Ausland aufhältigen Ausländers auszudehnen, widerspräche nämlich der ratio des § 74 Abs 1 Z 5 StGB, wonach eine einen Dritten betreffende Drohung nur dann einer gegen den Bedrohten selbst gerichteten Drohung gleichzusetzen ist, wenn ein gewisses Naheverhältnis zu diesem, uU auch im Sinn einer Verantwortung für diesen besteht. Dass eine Äußerung wie die gegenständliche (jedenfalls) Veranlassung zu polizeilichem Einschreiten bietet, vermag daran nichts zu ändern.

Das vorliegende Feststellungsdefizit erfordert die Kassation des Ausspruchs nach § 21 Abs 1 StGB und die Anordnung eines dritten Rechtsgangs. Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde war das angefochtene Urteil daher– in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch zu verweisen (§ 285e StPO).

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung war die Betroffene auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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