European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00015.23I.0419.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung des * K* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.
[2] Danach hat er am 26. Juli 2022 in W* unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich chronischem, schwerwiegenden Alkoholismus, alkoholbedingtem Persönlichkeitsabbau mit Wesensänderung, Zustand nach Cannabismissbrauch und einer alkoholbedingten organischen Psychose mit paranoid-psychotischem Inhalt, beruht, * L*, indem er mit einem Küchenmesser in der Hand auf ihn zuging, dabei Stichbewegungen in seine Richtung ausführte und wiederholt äußerte: „Ich stech dich ab, ich bring dich um!“, gefährlich mit dem Tod bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, und dadurch das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB begangen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 9 lit a und 10 (iVm § 433 Abs 1) StPO (idF vor BGBl I 2022/223) gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.
[4] Nur in der Hauptverhandlung gestellte Anträge können Grundlage einer Verfahrensrüge (Z 4) sein. Anträge, die in Schriftsätzen außerhalb der Hauptverhandlung eingebracht wurden, erfüllen diese Voraussetzung nur, wenn sie vom Antragsteller in der Hauptverhandlung wiederholt (also an den Kriterien des § 55 StPO orientiert formell gestellt) wurden. Die bloße Verlesung des betreffenden Schriftsatzes durch den Vorsitzenden reicht dafür nicht aus (RIS-Justiz RS0099099 und RS0099511).
[5] Indem sie sich (bloß) auf ein Beweisbegehren bezieht, das der Beschwerdeführer „mit Schriftsatz vom 24. November 2022“ gestellt habe, welcher – wie der „gesamte Akteninhalt“ – in der Hauptverhandlung „gemäß § 252 Abs 2a StPO vorgetragen“ worden sei, beruft sich die Rüge somit auf keinen unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 4 StPO beachtlichen Antrag.
[6] Mit dem Einwand, die Tat sei „offenkundige Äußerung von Unmut, Zorn und Wut“ in Form „augenblicksbedingte[r] nicht ernst zu nehmender Übertreibungen“, bestreitet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die (den Gegenstand einer Tatfrage bildende) Ernstlichkeit der Drohung (RIS-Justiz RS0092448 [T5], RS0093096 [T6]).
[7] Anders als zur Geltendmachung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes erforderlich (RIS‑Justiz RS0099810) versäumt sie es dabei, am (gesamten) im Urteil konstatierten Sachverhalt – insbesondere zum Bedeutungsinhalt der Äußerungen sowie zum subjektiven Handlungselement (US 5) – festzuhalten.
[8] Gleiches gilt, soweit sie die Urteilsfeststellungen (US 4 f) um eigenständig entwickelte Auffassungen (in Richtung einer zur Tatzeit vorgelegenen Putativnotwehrsituation) ergänzt und daraus – ohne einen Feststellungsmangel prozessförmig geltend zu machen (hiezu RIS‑Justiz RS0118580 [insbesondere T15]) – die rechtliche Konsequenz eines „nach den Regeln des § 3 Abs 2 StGB analog zu beurteilen[den]“ „Putativnotwehrexzess[es]“ einfordert.
[9] Im Übrigen erklärt sie nicht (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565), weshalb ein – ersichtlich angesprochener – zustandsbedingter Irrtum eines aufgrund seiner Abartigkeit zurechnungsunfähigen Täters über die tatsächliche Seite eines Rechtfertigungsgrundes (§ 8 StGB [zum Verhältnis dieser Bestimmung zu § 3 Abs 2 StGB im gegebenen Zusammenhang instruktiv Lewisch in WK² StGB § 3 Rz 190 ff]) seine Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB hindern sollte (dies zutreffend verneinend Ratz in WK2 StGB § 21 Rz 18 sowie RIS‑Justiz RS0089282).
[10] Das auf Z 10 gestützte Vorbringen, der Tatbestand des § 107 Abs 2 StGB sei nicht erfüllt, wird abermals nicht auf der Basis der Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Äußerungen des Betroffenen als Todesdrohung (US 5), sondern aus davon abweichenden Sachverhaltsprämissen entwickelt (erneut RIS‑Justiz RS0099810).
[11] Die Behauptung, die angesprochene Qualifikation dürfe „nur dann angenommen werden, wenn der Täter seine Drohung auch mit einer Waffe oder waffenähnlichen Gegenständen unterstreicht“ (was bei mit einem Messer von 20 cm Länge ausgeführten Stichbewegungen [US 5] nach Meinung des Beschwerdeführers „gerade nicht der Fall“ sei), entbehrt der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz (erneut RIS-Justiz RS0116565).
[12] Wäre dieses Vorbringen (prozessförmig und) zutreffend, hätte es im Übrigen keine andere Subsumtion (§ 260 Abs 1 Z 2 iVm § 430 Abs 2 StPO idF vor BGBl I 2022/223), sondern die Abweisung des Unterbringungsantrags zur Konsequenz, womit es der Sache nach als Rechtsrüge (Z 9 lit a) aufzufassen ist (RIS-Justiz RS0132762). Denn bei Wegfall der Qualifikation nach § 107 Abs 2 StGB würde die Tat keine mit Strafe bedrohte Handlung darstellen, die als Anlasstat im Sinn des § 21 Abs 1 StGB in Betracht käme.
[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[14] Über die Berufung hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).
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