OGH 13Os136/18a

OGH13Os136/18a13.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. März 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Mag. Walter M***** wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Finanzstrafbehörde gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16. Juli 2018, GZ 9 Hv 29/18p‑20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00136.18A.0313.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Walter M***** Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (I) und nach § 33 Abs 1 FinStrG (II) schuldig erkannt.

Danach hat er im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Graz‑Stadt vorsätzlich

I) am 15. Jänner 2012 als steuerrechtlich Verantwortlicher der L***** GmbH & Co KG unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung an Umsatzsteuer für November 2011 um 242.417,04 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten und

II) am 30. Juni 2006 und am 30. Juni 2007 als Geschäftsführer der I***** GesmbH unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten durch die Abgabe unrichtiger Jahressteuererklärungen für die Jahre 2005 und 2006 eine Verkürzung an Umsatzsteuer bewirkt, und zwar

i) für das Jahr 2005 um 70.824 Euro sowie

ii) für das Jahr 2006 um 52.822,52 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und „9“ StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Zum Vorbringen in Ansehung des Schuldspruchs I:

Entgegen dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung, wonach der Beschwerdeführer als steuerrechtlich Verantwortlicher der L***** GmbH & Co KG gehandelt habe (US 3), stützten die Tatrichter diese mängelfrei auf dessen „tatsachengeständig[e]“ Verantwortung (US 5; vgl ON 17 S 3 ff).

Zur subjektiven Tatseite stellten die Tatrichter fest, dass der Beschwerdeführer es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, durch sein Vorgehen seine Verpflichtungen nach § 21 UStG zu verletzen und die damit verbundene Verkürzung der Abgaben nicht nur für möglich, sondern für gewiss hielt (US 3 f, US 6; vgl Lässig in WK² FinStrG § 33 Rz 10). Der Vorwurf der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) der Konstatierungen zur Vorsatzform bleibt daher unverständlich.

Entgegen der Kritik offenbar unzureichender Begründung der Feststellungen der subjektiven Tatseite haben die Tatrichter diese methodisch einwandfrei auf das Vorgehen des Beschwerdeführers gestützt (US 6; vgl RIS‑Justiz RS0116882, RS0098671). Dem weiteren Rügeeinwand (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) zuwider legten sie überdies eingehend dar, weshalb sie der leugnenden Verantwortung des Angeklagten keinen Glauben schenkten (US 5 f).

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) im Zusammenhang mit dem Handeln für die L***** GmbH & Co KG Feststellungen zum „Auftragsumfang“ des Beschwerdeführers vermisst, leitet sie nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb solche über die erfolglos bekämpfte Feststellung seiner steuerrechtlichen Verantwortlichkeit (US 3) hinaus zu rechtsrichtiger Subsumtion erforderlich sein sollten (RIS‑Justiz RS0116565).

Die Rechtsrüge behauptet zudem einen Feststellungsmangel, weil die Aussagen des Beschwerdeführers sowie der Zeugin Marianne B***** und die Ausführungen in der Gegenäußerung zur Anklageschrift (ON 16; § 222 Abs 3 iVm § 244 Abs 3 StPO) eine „vollständige Offenlegung“ im Sinn des § 119 BAO indiziert hätten. Sie leitet jedoch nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb eine Übergabe von Kaufverträgen Verfahrensträgern im Zuge der Betriebsprüfung angesichts der Urteilsfeststellungen zur – mit der von § 33 Abs 2 lit a FinStrG geforderten Vorsatzform – unterlassenen Berichtigung der bisher zu Recht geltend gemachten Vorsteuer (US 3 f) der Annahme einer Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen und damit der rechtsrichtigen Subsumtion nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG entgegenstehen sollte. Solcherart ist sie erneut nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt.

Hinzugefügt sei, dass die erfolgreiche Geltendmachung eines Feststellungsmangels den Hinweis auf in der Hauptverhandlung vorgekommene, die geforderten Feststellungen indizierende Verfahrensergebnisse voraussetzt (RIS-Justiz RS0118580). Ausführungen in der Gegenäußerung zur Anklageschrift stellen jedoch kein Beweismittel dar (vgl 15 Os 68/91, SSt 61/65; 12 Os 143/04; RIS‑Justiz RS0098016), aus welchem Grund diese hier (zu Recht) gerade nicht in der Hauptverhandlung vorgekommen sind (ON 19 S 29 f).

Zum Vorbringen in Ansehung des Schuldspruchs II:

Der auf § 281 Abs 1 Z 3 und  5 StPO gestützte Einwand, den Entscheidungsgründen sei „kein abgabenrechtlich relevantes Handeln des Beschwerdeführers zu den [nur im Urteilstenor, nicht aber in den Entscheidungsgründen] genannten Tatzeitpunkten Juni 2006 und Juni 2007“ zu entnehmen, geht unter dem Aspekt der Mängelrüge (Z 5) daran vorbei, dass Umstände, welche bloß die Individualisierung betreffen, nicht entscheidend sind ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 406).

Aus dem Blickwinkel des § 260 Abs 1 Z 1 StPO sind Zeit und Ort der Tat nur insoweit von Bedeutung, als sie entweder – was hier nicht der Fall ist – ausnahmsweise subsumtionsrelevant oder zur Individualisierung des dem Schuldspruch zugrundeliegenden Sachverhalts erforderlich sind (RIS‑Justiz RS0117435). Weshalb das Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) in Ansehung der Tathandlungen nicht ausreichend individualisiert sein sollte (Z 3), bleibt unverständlich.

Die Behauptung, den Entscheidungsgründen sei nicht deutlich zu entnehmen (Z 5 erster Fall), worin der Tatverdacht der Prüfungsorgane im Zeitpunkt der Selbstanzeige des Beschwerdeführers bestanden und wie Letztgenannter von der Tatentdeckung Kenntnis erlangt habe, trifft nicht zu. Denn nach den Feststellungen reichte der Beschwerdeführer für die I***** GesmbH unter Anführung von Rechnungen, in denen zu Unrecht eine 20%-ige Umsatzsteuer ausgewiesen und verrechnet worden war, Umsatzsteuer-Jahreserklärungen für die Jahre 2005 und 2006 ein. In seinem Einzelunternehmen berichtigte er diese Rechnungen an die I***** GesmbH später auf „steuerfrei“, ohne jedoch gleichzeitig bei der I***** GesmbH eine Berichtigung der Vorsteuer im gleichen Ausmaß vorzunehmen (US 4 f). Im Zuge einer abgabenrechtlichen Prüfung verlangten die Prüfungsorgane des Finanzamts Graz‑Stadt zunächst in einem Gespräch, anschließend (am 27. Juni 2012) im Wege eines schriftlichen Fragenkatalogs eine Stellungnahme zur Verbuchung der gegenständlichen Rechnungen auf Seite der I***** GesmbH und stellten andernfalls eine Prüfung dieses Unternehmens in Aussicht, weil der substanziierte Verdacht bestand, der Angeklagte habe durch pflichtwidriges Unterlassen der korrespondierenden Berichtigung eine Abgabenverkürzung bewirkt (US 5). Die Selbstanzeige des Beschwerdeführers erfolgte erst am 16. August 2012, als dieser im Zuge der bei ihm durchgeführten Prüfung von der Prüferin auf die dargelegten Unregelmäßigkeiten aufmerksam gemacht wurde (US 5 iVm US 7).

Die relevierte Undeutlichkeit ist daher nicht auszumachen.

Weiters wendet die Rüge eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zum Verdacht der Prüfungsorgane und der diesbezüglichen Kenntnis des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Selbstanzeige ein. Dabei übergeht sie die bezughabenden Erwägungen der Tatrichter (US 6 f) und verfehlt solcherart die gesetzmäßige Ausführung der Mängelrüge (RIS‑Justiz RS0119370).

Der Kritik, die Gegenäußerung zur Anklageschrift (ON 16) sei unberücksichtigt geblieben (Z 5 zweiter Fall), ist zu entgegnen, dass diese – wie bereits ausgeführt – kein in der Hauptverhandlung vorgekommenes Verfahrensergebnis darstellt und daher im Urteil nicht zu erörtern war (15 Os 68/91, SSt 61/65; 12 Os 143/04; vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 421).

Dem weiteren Beschwerdeeinwand (Z 5 zweiter Fall) zuwider wurden die Aussagen der Zeugen Johann G***** und Anita S***** dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend ebenso hinreichend berücksichtigt wie die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers (US 7; US 6 f). Mit eigenständigen Erwägungen zu den genannten Aussagen bekämpft die Rüge bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.

Nach den Feststellungen erfolgte die Selbstanzeige am 16. August 2012 (US 5, 7 und 9 [dritter Absatz]). Bei der Anführung des Datums mit 12. August 2012 (US 9 [fünfter Absatz]) handelt es sich der – die Möglichkeit eines Versehens selbst einräumenden – Behauptung eines Widerspruchs (Z 5 dritter Fall) zuwider um einen offenkundigen Schreibfehler, der im Übrigen mit Blick auf den konstatierten zeitlichen Ablauf (US 7) unter dem Aspekt fehlender Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige (§ 29 Abs 3 lit b FinStrG) keine entscheidende Tatsache betrifft (siehe aber RIS‑Justiz RS0106268).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst Feststellungen zum Einreichen „unvollständiger oder wahrheitswidriger Steuererklärungen“, ohne sich an den gerade dazu getroffenen tatrichterlichen Konstatierungen (US 4) zu orientieren. Damit verfehlt sie den Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Soweit die Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige behauptende weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b) die bereits angeführten Feststellungen übergeht, auf die die Tatrichter die rechtliche Annahme eines substanziierten Verdachts der Prüfungsorgane betreffend die Tat gründeten (US 4 f), und wonach der Beschwerdeführer von dem bereits bestehenden Verdacht der Behörde wusste, bevor er die Selbstanzeige erstattete (US 9), ist auch sie nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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