OGH 15Os68/91

OGH15Os68/9127.6.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Juni 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Jahn als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mario S***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 und Abs. 2 SGG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 12.März 1991, GZ 20 Vr 178/91-21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde Mario S***** (zu A des Urteilssatzes) des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 und Abs. 2 SGG und (zu B) des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG schuldig erkannt.

Darnach liegt ihm zur Last, er habe den bestehenden Vorschriften zuwider

A/ gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge ein- oder ausgeführt oder in Verkehr gesetzt, indem er

I. mit den gesondert verfolgten Stefan SCH***** und Günter G***** im Frühjahr 1989 bei insgesamt drei Fahrten eine Gesamtmenge von 60 Gramm Kokain aus Österreich in die Schweiz schmuggelte und in Zürich verkaufte,

II. mit dem gesondert verfolgten Armin SCH***** im Frühsommer 1989 70 Gramm Heroin und 70 Gramm Kokain auf jeweils 130 bis 140 Gramm aufstreckte, aus Österreich in die Schweiz schmuggelte und in Zürich, Bern und St.Gallen verkaufte,

III. mit den gesondert verfolgten Silvia H***** und Günter G***** um den 20.Februar 1989 100 Gramm Heroin oder Kokain aus Holland durch Belgien und Deutschland nach Österreich schmuggelte und nach Aufstrecken des Suchtgiftes mit Armin SCH***** in die Schweiz schmuggelte und verkaufte,

IV. im Sommer 1989 in G***** insgesamt 20 Gramm Heroin und 4 Gramm Kokain dem Walter M***** verkaufte und

V. mit der gesondert verfolgten Sabine I***** am 24. oder 25. Dezember 1989 50 Gramm Heroin und 100 Gramm Kokain aus Holland durch Deutschland nach Österreich schmuggelte, sowie

B/ am 22.April 1989 in G***** außer dem Fall des § 14 a SGG ein Gramm Kokain, mithin ein Suchtgift, besessen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Schuldspruch unter Berufung auf Art 6 (Abs. 1) MRK und § 281 Abs. 1 Z 5 und 5 a StPO erhobenen, die geltendgemachten Gründe indes nicht getrennt ausführenden Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Soweit der Beschwerdeführer in der behaupteten Verletzung des Gebotes des fair trials und damit des Art 6 MRK einen eigenen Anfechtungsgrund zu erblicken scheint, so bleibt er jegliche Begründung dafür schuldig, warum den seiner Meinung nach in erster Instanz dem Gericht - und nur auf dessen Handlungen, nicht auch, wie dies der Beschwerdeführer vermeint, auf Äußerungen des Anklägers bezieht sich Art 6 MRK - unterlaufenen Rechtsverletzungen nicht mit dem Instrumentarium der geltenden Strafprozeßordnung (und insbesondere im Rechtsmittelverfahren nicht mit dem Katalog der Nichtigkeitsgründe) begegnet werden kann (vgl SSt 57/47).

So wäre es dem Angeklagten, soweit er Grundsätze eines fairen Verfahrens durch das Gericht verletzt sieht, freigestanden, im Verfahren erster Instanz entsprechende Anträge zur Gestaltung bestimmter Verfahrensvorgänge zu stellen oder Widerspruch gegen bestimmte Verfahrensvorgänge zu erheben. Da er dies unterließ und demgemäß auch kein Zwischenerkenntnis des Schöffengerichtes darüber erging, mangelt es ihm an der Legitimation zur Erhebung einer Verfahrensrüge (§ 281 Abs. 1 Z 4 StPO), die er der Sache nach mit seinem Vorbringen geltend macht. Das trifft insbesondere auf den von ihm behaupteten mangelnden Vortrag aus den Akten anläßlich von Vorhalten zu, desgleichen auf die Bemängelung der vorgeblichen Ungenauigkeiten in den Niederschriften über die Vernehmungen des Peter B*****, des Renato F*****, der Sabine ST***** und der Eveline BA*****, hinsichtlich derer, soweit er außerdem bemängelt, daß sie nicht in Anwesenheit des Verteidigers vernommen wurden und daher keine Gelegenheit zur Befragung durch diesen geboten wurde, es ihm außerdem freigestanden wäre, deren Vernehmung in der Hauptverhandlung zu beantragen.

Unerfindlich bleibt, weshalb eine mangelhafte Fassung der Übertragung des Kurzschriftprotokolls der Hauptverhandlung einen Begründungsmangel (Z 5) des Urteils darstellen soll oder erhebliche Bedenken (Z 5 a) gegen Tatsachenfeststellungen im Urteil erwecken sollen.

Sollte der Beschwerdeführer damit - unter Vergreifen in der ziffernmäßigen Bezeichnung - eine Nichtigkeit gemäß § 281 Abs. 1 Z 3 StPO (in bezug auf § 271 StPO) geltend machen wollen, sei er darauf verwiesen, daß nur das gänzliche Unterbleiben der Protokollaufnahme, nicht aber Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten des Hauptverhandlungsprotokolls diesen Nichtigkeitsgrund darstellen können (Mayerhofer/Rieder StPO3 E 51 zu § 281 Abs. 1 Z 3).

Unerfindlich bleibt weiters, weshalb, wie der Beschwerdeführer meint, durch ein mangelhaftes Protokoll ein Einfluß auf die Vertrautheit der Schöffen mit dem Gegenstand des Verfahrens bewirkt worden sein sollte; hatten diese doch nicht aufgrund der erst nach der Hauptverhandlung hergestellten Übertragung des Kurzschriftprotokolls, sondern aufgrund ihrer unmittelbaren Wahrnehmungen in der Hauptverhandlung judiziert.

Im übrigen wurde dem Protokollberichtigungsbegehren des Angeklagten, soweit es seine Verantwortung und die Aussage eines Zeugen betrifft, ohnedies inhaltlich voll Rechnung getragen (S 567 f). Damit fallen aber auch jene Beschwerdeeinwände in sich zusammen, die auf der nun nicht mehr exitenten Fassung der Übertragung des Kurzschriftprotokolls basieren.

Außerdem müssen, wie am Rand vermerkt sei, der Vortrag der Anklage und eine allfällige Gegenäußerung (§ 244 Abs. 1 und 3 StPO) - den Inhalt letzterer vermißt der Beschwerdeführer im Hauptverhandlungsprotokoll - ebensowenig wie die Schlußvorträge der Parteien (§ 255 StPO) im einzelnen festgehalten werden, weil sie keine Beweismittel darstellen (vgl § 271 Abs. 3 StPO); es genügt insoweit die Beurkundung der Einhaltung der wesentlichen Förmlichkeiten (§ 271 Abs. 1 StPO), wie hier geschehen.

Soweit der Beschwerdeführer in Ansehung der Bewertung der Aussage des Zeugen M***** durch das Erstgericht meint, die Urteilsausführungen, wonach "dessen augenscheinliche Beflissenheit, durch den Widerruf seiner den Angeklagten belastenden Angaben dessen Wohlwollen zurückzuerlangen, durch auffälliges Schwitzen, Zittern und unsicheres Auftreten dem Schöffengericht nachhaltig bewußt wurde", entbehrten "jeglicher Feststellung im Protokoll", die Aussage sei vielmehr "sehr ruhig" abgelegt worden, sei er vorerst darauf verwiesen, daß ein Festhalten des Gehabens einer Person anläßlich ihrer Vernehmung im Hauptverhandlungsprotokoll nicht erforderlich ist. Das Gericht ist jedoch dadurch nicht gehindert, auch dieses im Rahmen seiner Beweiswürdigung in die Überlegungen miteinzubeziehen (vgl SSt 54/4). Dem das konstatierte Gehaben des Zeugen bestreitenden Einwand aber ist zu entgegnen, daß das Schöffengericht sich bei Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen M***** nicht nur darauf stützte, sondern dessen Schreiben (S 503) und die sich aus diesem Schreiben einerseits und der Aussage des Zeugen in der Hauptverhandlung andererseits ergebenden Diskrepanzen über sein Motiv der angeblichen Verleumdung des Beschwerdeführers hervorkehrte (US 7).

Soweit der Angeklagte aber unter Bezugnahme auf einzelne Passagen der Aussage des Zeugen M*****, die das Schöffengericht entgegen den Beschwerdeausführungen im Interesse einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) nicht in jedem Detail erörtern mußte, versucht, die Beweiskraft der den Angeklagten belastenden Aussage dieses Zeugen vor der Sicherheitsbehörde in Frage zu stellen, unternimmt er einen ihm im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile verwehrten Angriff gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter.

Die Aussage der Zeugin H***** (S 517), wonach der Beschwerdeführer bei der Suchtgiftschmuggelfahrt um den 20. Februar 1989 (Faktum A III), bei der er nach seinem Eingeständnis in der Hauptverhandlung wußte, daß Suchtgift beschafft worden war (S 512), als Fahrer fungierte und ihr keinen "suchtgifterfahrenen Eindruck" vermittelte, war entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht erörterungsbedürftig, weil sie weder für die rechtliche Beurteilung der Tat noch für die Unterstellung der Tat unter den angewendeten Strafsatz entscheidend ist.

Ebensowenig war eine Erörterung des Umstandes geboten, daß der Angeklagte "einen erheblichen Teil des Jahres 1989 gar nicht im Inland war". Denn die im Urteil konstatierten Tatzeiten liegen ohnedies erkennbar nicht innerhalb des vom Beschwerdeführer mit "Frühsommer 1989" bis "gegen Ende 1989" behaupteten Auslandsaufenthaltes. Die in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, daß es seit diesem Auslandsaufenthalt bis zur "neuerlichen Festnahme in den USA im Jahre 1990" keine Verdachtsmomente für einen weiteren Drogenhandel gegeben habe, bleibt angesichts der Verurteilung zum Urteilsfaktum A/V unerfindlich, zu dem der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung wenngleich unter Einschränkung des Umfanges der Suchtgiftmenge im übrigen geständig war (S 513).

Bei Prüfung der Akten ergaben sich auch keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen.

Aus den angeführten Gründen war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 1 und 2 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO).

Die Kompetenz zur Entscheidung über die Berufungen fällt demnach dem Oberlandesgericht Innsbruck zu (§ 285 i StPO).

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