European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00123.16M.0517.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Antonello A***** des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 2 lit a, 39 Abs 2 und Abs 3 lit c FinStrG schuldig erkannt.
Danach hat er im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes Spittal Villach, ohne den Tatbestand des § 39 Abs 1 FinStrG zu erfüllen, durch das Gericht zu ahndende Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung dadurch begangen, dass er Vorsteuerbeträge geltend machte, denen keine Lieferungen oder sonstige Leistungen zugrunde lagen, um dadurch eine Abgabenverkürzung um mehr als 500.000 Euro zu bewirken, indem er als Geschäftsführer der K***** GmbH vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer bewirkte, nämlich
(1) am 7. November 2012 für den Voranmeldungszeitraum September 2012 um 102.820 Euro,
(2) am 11. Dezember 2012 für den Voranmeldungszeitraum Oktober 2012 um 291.950 Euro,
(3) am 15. Jänner 2013 und am 21. Jänner 2013 für den Voranmeldungszeitraum November 2012 um 358.320 Euro sowie
(4) am 21. Jänner 2013 für den Voranmeldungszeitraum Dezember 2012 um 221.550 Euro,
wobei er die Verkürzung nicht nur für möglich, sondern für gewiss hielt.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht – wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – fehl.
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag, Huifang L***** als Zeugin zu vernehmen (ON 95 S 3 iVm ON 73 S 37), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (ON 95 S 3). Der Antrag ließ nämlich nicht erkennen, warum die Ladung der Genannten möglich sein sollte, obwohl diese nach der Aktenlage seit 17. Mai 2016 (ON 84) erfolglos zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben war (vgl RIS‑Justiz RS0098248, RS0099399, RS0099733 und RS0108361).
Das übrige aus Z 4 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Vorbringen bezieht sich weder auf einen Antrag des Beschwerdeführers noch auf einen gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefassten Beschluss und orientiert sich solcherart nicht an den Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes.
Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also – soweit hier von Interesse (Sanktionsfragen werden von der Beschwerde nicht angesprochen) – über schuld‑ oder subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS‑Justiz RS0106268).
Hievon ausgehend nennt das Gesetz fünf Kategorien von Begründungsfehlern, die Nichtigkeit aus Z 5 nach sich ziehen:
Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn – nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, somit aus objektiver Sicht – nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, also für den Beschwerdeführer und das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (RIS‑Justiz RS0117995 [insbesonders T3 und T4]).
Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (13 Os 138/03, SSt 2003/93; RIS‑Justiz RS0118316).
Widersprüchlich sind zwei Urteilsaussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen nicht nebeneinander bestehen können (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 438). Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Widerspruch stehen (15 Os 51/04, SSt 2004/43; RIS‑Justiz RS0119089).
Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (14 Os 72/02, SSt 64/39; RIS‑Justiz RS0116732 und RS0118317).
Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (11 Os 122/00, SSt 63/112; RIS‑Justiz RS0099431).
In Bezug auf alle fünf Fehlerkategorien ist die Mängelrüge nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (11 Os 53/07i, SSt 2007/68; RIS‑Justiz RS0119370).
Wo das Gesetz auf einen Vergleich der angefochtenen Entscheidung mit Verfahrensergebnissen abstellt (Z 5 zweiter Fall und Z 5 fünfter Fall), ist überdies der entsprechende Aktenbezug herzustellen, was bei – wie hier – umfangreichem Aktenmaterial die genaue Angabe der jeweiligen Fundstelle erfordert (RIS‑Justiz RS0124172).
Diesen Anfechtungsrahmen verlässt die Beschwerde, indem sie – großteils ohne konkreten Konnex zu entscheidenden Tatsachen – mehrfach Urteils-unvollständigkeit einwendet, ohne Verfahrensergebnisse zu bezeichnen, welche die diesbezügliche Argumentation aus ihrer Sicht tragen, einzelne Teile der Urteilsbegründung unter Vernachlässigung der gebotenen Gesamtbetrachtung als offenbar unzureichend bezeichnet und aus der Verantwortung sowie aus Beweisanträgen des Beschwerdeführers anhand eigener Beweiswerterwägungen für diesen günstige Schlüsse zieht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei hinzugefügt, dass die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach durch die – mit dem AbgÄG 2012 BGBl I 2012/112 vorgenommene – Änderung des § 39 Abs 2 FinStrG der Inhalt dieser Norm unberührt blieb, zutrifft. Auch der in § 39 Abs 2 idF BGBl I 2010/104 verwendete Begriff „Abgabengutschrift“ war nämlich schon im Sinn einer Verringerung der Umsatzsteuer‑Zahllast zu verstehen, unabhängig davon, ob am Ende der jeweiligen Verrechnungsperiode ein positiver oder ein negativer Steuersaldo entstand (Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 15; Seiler/Seiler, FinStrG4 § 39 Rz 16). Die Umformulierung des § 39 Abs 2 FinStrG durch das AbgÄG 2012 diente insoweit bloß der Klarstellung (EBRV 1960 BlgNR 24. GP 61).
Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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