OGH 13Os113/12k

OGH13Os113/12k22.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. November 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krausam als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen DI Konstantin M***** und andere Angeklagte wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Johann R***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. März 2012, GZ 124 Hv 78/11s-524, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Johann R***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden DI Konstantin M***** und Johann R***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 und 13 FinStrG (A), nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (B) sowie nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 1 und nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 2 lit a FinStrG (C) schuldig erkannt.

Danach haben sie

(A) vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten Verkürzungen an Umsatzsteuer bewirkt und dies versucht, indem sie Vorsteuerbeträge zu Unrecht geltend machten (US 25 f), nämlich

I) DI Konstantin M***** um insgesamt 1.061.747,28 Euro und zwar

1) als Geschäftsführer der B***** GmbH

1/1) für das Jahr 1999 um 218.309,19 Euro und

1/2) für das Jahr 2000 um 390.398,47 Euro, wobei es beim Versuch geblieben ist,

2) als faktischer Geschäftsführer der Ba***** GmbH für das Jahr 1999 um 17.195,12 Euro, wobei es beim Versuch geblieben ist,

3) als faktischer Geschäftsführer der S***** GmbH

3/1) für das Jahr 1999 um 5.334,19 Euro und

3/2) für die Jahre 2000 bis 2002 um 62.193,42 Euro, 151.740,86 Euro und 73.000 Euro, wobei es jeweils beim Versuch geblieben ist, sowie

4) als faktischer Geschäftsführer der I***** GmbH

4/1) für das Jahr 1999 um 4.556,73 Euro,

4/2) für das Jahr 2000 um 16.202,04 Euro und

4/3) für das Jahr 2001 um 122.817,10 Euro,

wobei es jeweils beim Versuch geblieben ist,

II) Johann R***** um insgesamt 1.281.427,20 Euro, wobei es jeweils beim Versuch geblieben ist, als faktischer Geschäftsführer

1) der Ne***** GmbH

a) für das Jahr 1999 um 222.567,82 Euro,

b) für das Jahr 2000 um 610.829,71 Euro und

c) für das Jahr 2001 um 153.921,05 Euro,

2) der Ro***** GmbH i.L. für das Jahr 1999 um 21.583,83 Euro und

3) der V*****gesellschaft mbH für das Jahr 2001 um 272.524,88 Euro,

(B) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen Verkürzungen von Umsatzsteuer bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, indem sie Vorsteuerbeträge zu Unrecht geltend machten, nämlich

I) DI Konstantin M***** um insgesamt 716.214,53 Euro und zwar

1) als Geschäftsführer der B***** GmbH

a) für die Monate Jänner bis August 2001 um 257.205,95 Euro und

b) für die Monate September und Dezember 2001 um 107.272,08 Euro sowie

2) als faktischer Geschäftsführer der Ba***** GmbH

a) für das Jahr 2000 um 121.508,97 Euro und

b) für die Monate Jänner bis Juli und September 2001 um 230.227,53 Euro,

II) Johann R***** als faktischer Geschäftsführer der N***** GmbH für das Jahr 2001 um 280.517,14 Euro, weiters

(C) zu den Finanzvergehen des jeweils Anderen dadurch beigetragen, dass sie die Malversationen gemeinsam planten und organisierten sowie den jeweils Anderen durch das Ausstellen von Rechnungen, denen keine tatsächlichen Leistungen zu Grunde lagen, bzw durch deren Akzeptanz unterstützten, nämlich

I) DI Konstantin M***** in Bezug auf die Schuldsprüche A/II und B/II (strafbestimmender Wertbetrag [richtig] 1.561.944,34 Euro),

II) Johann R***** hinsichtlich der Schuldsprüche A/I/3 und A/I/4 (strafbestimmender Wertbetrag 435.844,34 Euro).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann R***** geht fehl.

Entgegen der Mängelrüge ist die Ableitung der Urteilsfeststellungen, wonach der Beschwerdeführer im Tatzeitraum faktischer Geschäftsführer der Ne***** GmbH gewesen ist (US 23), aus den als glaubwürdig erachteten Angaben des Angeklagten DI M***** sowie der Zeugen Ma***** und Nö*****, nach denen der Beschwerdeführer der wirtschaftliche Machthaber des genannten Unternehmens gewesen und im Außenverhältnis als Verantwortlicher aufgetreten sei, sowie dem Umstand, dass der Beschwerdeführer auf dem Unternehmenskonto zeichnungsberechtigt gewesen ist, (US 38 f) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden.

Entsprechendes gilt für die Urteilsannahme der Position des faktischen Geschäftsführers in Bezug auf die V***** GmbH (US 24), welche die Tatrichter mängelfrei (Z 5 vierter Fall) auf die als glaubwürdig angesehene Aussage der Zeugin Michaela T*****, wonach ihr als „Ansprechperson“ der Gesellschaft ausschließlich der Beschwerdeführer bekannt sei, und auf die im Rahmen einer beim Beschwerdeführer durchgeführten Hausdurchsuchung vorgenommene Sicherstellung einer Diskette mit Blanko-Briefpapier der V***** GmbH gründen (US 41).

Die Angaben der Zeugen U***** und Ma***** zu diesem Themenkomplex wurden vom Erstgericht kritisch gewürdigt (US 41), womit auch die insoweit behauptete Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) der angefochtenen Entscheidung nicht vorliegt.

Die Feststellung faktischer Geschäftsführung durch den Beschwerdeführer in Bezug auf die N***** GmbH (US 24 f) leitete das Erstgericht aus dem Umstand, dass dieser als „Gründungshelfer“ fungierte (US 42), und aus der Aussage des (freigesprochenen) Angeklagten Andreas L*****, wonach er über Vermittlung des Beschwerdeführers Außendienstmitarbeiter des genannten Unternehmens geworden sei und von diesem das Entgelt erhalten habe (US 42) und wonach „kein anderer als der Zweitangeklagte als Chef aufgetreten“ sei (US 43), ab, was aus dem Blickwinkel hinreichender Begründung (Z 5 vierter Fall) ebenfalls keinen Bedenken begegnet.

Die Aussage des Zeugen Ludwig Br***** wurde sehr wohl in ihrer Gesamtheit (Z 5 zweiter Fall) in die beweiswürdigenden Erwägungen einbezogen (US 42).

Sofern das bisher behandelte Vorbringen (auch) im Sinn des Einwands unzureichender Feststellungen zur Position des faktischen Geschäftsführers zu verstehen ist (solcherart Z 9 lit a), verfehlt die Beschwerde den in den tatrichterlichen Feststellungen gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581):

Nach den Konstatierungen des Erstgerichts waren in allen Fällen die im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführer weder in die operative Tätigkeit noch in die Entscheidungsfindung eingebunden, vielmehr nahm der Beschwerdeführer alle Leitungsaufgaben einschließlich der abgabenrechtlichen Verpflichtungen alleinverantwortlich wahr (US 23 bis 25). Faktische Geschäftsführung (durch den Beschwerdeführer) wird hiedurch zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht.

Die vermisste Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite hinsichtlich des Schuldspruchs C/II findet sich auf den US 43 f.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Anzumerken bleibt, dass die Strafaussprüche an Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO leiden:

Nach § 33 Abs 3 lit a erster Fall FinStrG ist die Abgabenverkürzung bewirkt, wenn bescheidmäßig festzusetzende Abgaben zu niedrig festgesetzt wurden. Angesprochen ist damit der (auch hier vorliegende) Fall der Abgabenfestsetzung in Entsprechung einer unrichtigen Abgabenerklärung, wobei zu veranlagende Abgaben nach ständiger Judikatur (erst) mit Rechtskraft des diesbezüglichen Bescheids festgesetzt sind (RIS-Justiz RS0086391, RS0086429, RS0086436, RS0086462; Lässig in WK² § 33 Rz 34).

Zumal das Erstgericht in Bezug auf die - insoweit interessierenden - Schuldsprüche wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (A, teilweise auch C) keine Feststellungen dazu trifft, ob Abgabenbescheide erlassen worden - die diesbezüglichen Ausführungen im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) vermögen die fehlenden Konstatierungen nicht zu ersetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 580) - und ob allenfalls erlassene Bescheide in Rechtskraft erwachsen sind, enthält sie insoweit keine tragfähige Basis für die Abgrenzung zwischen versuchter sowie vollendeter Tat und solcherart für das Vorliegen des - gemäß § 23 Abs 2 FinStrG auch im Finanzstrafrecht zu beachtenden - Milderungsumstands des § 34 Abs 1 Z 13 StGB, was Nichtigkeit im Sinn der Z 11 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO nach sich zieht (12 Os 119/06a, EvBl 2007/130, 700 [verst Senat]; RIS-Justiz RS0122137, RS0122138; Lässig in WK² FinStrG § 14 Rz 8).

Da aber die Urteilsfeststellungen zur Annahme der Tatvollendung in Bezug auf die Schuldsprüche wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (B) ausreichen und das Erstgericht hinsichtlich beider schuldig gesprochener Angeklagter den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, mildernd wertete (US 61, 62), wirkt der aufgezeigte Rechtsfehler nicht zu deren Nachteil, womit insoweit ein Vorgehen im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO ausscheidet.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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