OGH 13Os11/18v

OGH13Os11/18v14.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Walter H***** wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 24. Oktober 2017, GZ 31 Hv 8/17k‑69, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00011.18V.0314.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Walter H***** von der Anklage freigesprochen, er habe in S***** im Bereich des Finanzamts Salzburg‑Stadt als Geschäftsführer der B***** GmbH vorsätzlich unter Verwendung falscher Beweismittel, nämlich fingierter Werkverträge und Rechnungen,

I) unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten nachgenannte Verkürzungen von Abgaben bewirkt und zu bewirken versucht,

A) hinsichtlich der bescheidmäßig festzusetzenden Körperschaftsteuer durch die Erstattung unrichtiger Jahressteuererklärungen

a) bewirkt

1) für das Jahr 2008 um 182.682,78 Euro;

2) für das Jahr 2009 um 338.215,09 Euro;

3) für das Jahr 2010 um 446.658 Euro;

b) zu bewirken versucht für das Jahr 2011 um 220.719 Euro;

B) hinsichtlich der selbst zu berechnenden Kapitalertragsteuer durch die Nichtabfuhr unter Verletzung der Anmeldungspflicht in Bezug auf verdeckte Gewinnausschüttungen bewirkt

1) für das Jahr 2008 um 243.577,04 Euro;

2) für das Jahr 2009 um 364.286,79 Euro;

3) für das Jahr 2010 um 346.611,38 Euro;

4) für das Jahr 2011 um 294.291,12 Euro;

wobei er zu 2) und 3) in der Absicht gehandelt habe, sich durch die wiederkehrende Begehung einen nicht bloß geringfügigen fortlaufenden abgabenrechtlichen Vorteil zu verschaffen;

II) unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von § 76 EStG sowie dazu ergangener Verordnungen entsprechenden Lohnkonten Verkürzungen an Lohnsteuer, an Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, für die Jahre 2008 bis 2010 (im Urteil nach Entrichtungszeiträumen und Abgabenart aufgegliedert) insgesamt um 259.283,84 Euro.

 

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 6 und „9“ StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde.

Die Verfahrensrüge (Z 3 „iVm § 271 Abs. 1 Z 4 und 6 StPO“) wendet ein, das Erstgericht habe die Zeugen Alfred S*****, Klaus W*****, Horst L***** und Josip J***** zwar allgemein über ihr Entschlagungsrecht belehrt, aber keine Fragen gestellt und auch Fragen der Finanzstrafbehörde nicht zugelassen. Damit sei das Entschlagungsrecht dieser Zeugen „vorweggenommen“ worden, „obwohl weder dem Erstgericht noch dem Zeuge der Inhalt der Fragen bekannt war“. Nach der Beschwerdeauffassung hätte das Erstgericht vielmehr „im Zweifel, ob durch die Fragestellung ein zur Zeugnisbefreiung oder -verweigerung berechtigter Sachverhalt vorliegt, einen Kontrollbeweis führen müssen“.

Dieses Vorbringen geht schon deshalb ins Leere, weil die Verfahrensrüge nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO nicht offen steht, wenn der Vorsitzende zu Unrecht ein Zeugnisentschlagungsrecht anerkennt. Die Prozessparteien können sich gegen die irrige Gewährung eines Entschlagungsrechts nur durch einen zu begründenden Antrag, dem Zeugen kein solches Recht einzuräumen, zur Wehr setzen. Wird einem derartigen Antrag nicht entsprochen, kommt zur Urteilsanfechtung Nichtigkeit aus Z 4 in Betracht (RIS‑Justiz RS0113906 [T3]; vgl Kirchbacher , WK‑StPO § 159 Rz 28, § 246 Rz 181; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 362). Einen entsprechenden Antrag hat die Finanzstrafbehörde jedoch nach dem unwidersprochen gebliebenen Protokoll über die Hauptverhandlung zu keinem der genannten Zeugen gestellt (vgl ON 68 S 15, 17 und 21).

Soweit der Einwand durch die Bezugnahme „iVm § 271 Abs. 1 Z 4 und 6 StPO“ auf die Geltendmachung von Nichtigkeit in Ansehung des über die Hauptverhandlung am 24. Oktober 2017 aufgenommenen Protokolls (ON 68) abzielen sollte, ist zu entgegnen, dass nur die gänzliche Unterlassung der Aufnahme eines vom Vorsitzenden und vom Schriftführer zu unterschreibenden Protokolls, nicht aber eine mangelhafte Protokollierung mit Nichtigkeit bedroht ist (RIS‑Justiz RS0098665). Einer allfälligen Berichtigung des Protokolls dient vielmehr das in § 271 Abs 7 StPO vorgesehene Verfahren (vgl Danek, WK-StPO § 271 Rz 42 ff).

Mit Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich die Nichtigkeitswerberin gegen die Abweisung von ihr gestellter Beweisanträge (ON 68 S 33 f). Diesbezüglich scheitert sie schon an der Nichterfüllung der Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Verfahrensmangels zum Nachteil des Angeklagten gemäß § 281 Abs 3 StPO, wonach sich die Finanzstrafbehörde (Lässig in WK2 FinStrG § 200 Rz 10) der Formverletzung zu widersetzen, die Entscheidung des Schöffengerichts zu begehren und sich sofort nach Verweigerung oder Verkündung dieser Entscheidung die Nichtigkeitsbeschwerde vorzubehalten hat (§ 281 Abs 3 zweiter Satz StPO; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 735).

Gründet das Gericht einen Freispruch – wiehier – auf die Annahme, dass einzelne Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt seien, und trifft es nicht Feststellungen zu allen übrigen, reicht es für den Erfolg einer dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde nicht hin, einzelne von mehreren, schon je für sich den Freispruch ergebenden (hier: Negativ‑)Feststellungen zu bekämpfen. Vielmehr ist hinsichtlich aller getroffenen (den Freispruch ergebenden) Feststellungen ein Begründungsmangel (Z 5) geltend zu machen. In Hinsicht auf jene Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, dagegen ist unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse ein Feststellungsmangel (Z 9 lit a) aufzuzeigen; fehlen die dafür nötigen Indizien, bedarf es der Geltendmachung darauf bezogener Anträge aus Z 4 (RIS‑Justiz RS0127315).

Das zur Mängel‑ (Z 5) und zur Rechtsrüge (gemeint wohl Z 9 lit a) undifferenziert erstattete, im Übrigen nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe, insbesondere nicht an den Negativfeststellungen (US 3 f), orientierte (vgl aber RIS-Justiz RS0119370, RS0099810, RS0128974) Beschwerdevorbringen wird diesen Anforderungen schon deshalb nicht gerecht, weil es weder Feststellungsmängel zu der von den Tatrichtern nicht konstatierten subjektiven Tatseite zu sämtlichen Delikten, noch darauf bezogene Anträge aus Z 4 des § 281 Abs 1 StPO geltend macht. Damit spricht die Rüge von vornherein keine entscheidenden Tatsachen an (RIS-Justiz RS0130509), sodass sich ein näheres Eingehen auf die einzelnen Einwände erübrigt.

Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 6 StPO wird nur nominell herangezogen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demgemäß – im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

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