European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00078.20T.0910.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Schuld- und Freisprüche der Mitangeklagten Niclas S*****, Adem K*****, Pouriya M*****, Abdiraham Y*****, Marco G*****, Mohammad Sh*****, Süheyl Ku*****und Daniel Sc***** enthält, wurde – soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Belang – Sanjin R***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (VII./B./2./; US 31) schuldig erkannt.
Danach hat er am 22. Juli 2019 in I***** einer unbekannten Person 50 Stück Ecstasy‑Tabletten im Wert von 500 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz mit Gewalt weggenommen, indem er ihn mit voller Wucht mit beiden Händen gegen den Oberkörper stieß, sodass dieser stürzte und er dann mit den Ecstasy‑Tabletten die Flucht ergriff.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diesen Schuldspruch aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R***** schlägt fehl.
Nach den wesentlichen Feststellungen übergab ein unbekannter Suchtgifthändler die im Spruch genannten Ecstasy‑Tabletten an den (nicht rückgabe‑ und zahlungswilligen) Angeklagten bloß zur kurzfristigen Ansicht, wobei der Händler zwecks Kontrolle unmittelbar anwesend blieb. Die Aufforderung des Übergebers, ihm die Tabletten zurückzugeben, war im Hinblick auf die Gewaltanwendung des Angeklagten erfolglos (US 54 f, 74).
Entgegen der Mängelrüge (Z 5) steht die Feststellung, wonach der unbekannte Suchtgifthändler dem Angeklagten die Ecstasy‑Tabletten freiwillig zur Ansicht übergab (US 54), keineswegs im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) dazu, dass der Angeklagte diesen – nach Rückforderung – in der Absicht schlug, ihm die Tabletten mit Gewalt wegzunehmen sowie sich selbst durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern (US 55, 73), und dann mit den Ecstasy‑Tabletten die Flucht ergriff (US 31).
Der als „Scheinbegründung“ bzw als „zirkulär“ kritisierte Schluss (Z 5 vierter Fall) vom äußeren Tatgeschehen auf die innere Intention des Angeklagten (US 69) ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116882).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich darin, die getroffenen Feststellungen als „völlig lebensfremd“, „durch keinerlei Beweisergebnisse“ gedeckt und als „unerträgliche Fehlentscheidung“ zu kritisieren. Sie erweckt solcherart keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen.
Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zunächst einwendet, „einander widersprechende Feststellungen“ wiesen „kein zur Subsumtion geeignetes Sachverhaltsubstrat“ auf, ist sie auf das zur Mängelrüge (Z 5) bereits Ausgeführte zu verweisen.
Der Beschwerdestandpunkt, dass eine im Tatzeitpunkt vorliegende innere Intention des Angeklagten auf den Einsatz von Gewalt als räuberisches Mittel (US 55) für die rechtliche Beurteilung des Geschehens als Raub nach § 142 Abs 1 StGB nicht ausreichen sollte, sondern es vielmehr darauf ankäme, dass die Gewalt von vornherein von einem konkreten Tatplan umfasst gewesen sein müsste (vgl aber RIS‑Justiz RS0093767 [T4]), widrigenfalls (aus Beschwerdesicht) „ein Freispruch hinsichtlich des Vorwurfs des Raubes“ (Z 9 lit a) zur ergehen hätte, bleibt ohne Ableitung aus dem Gesetz.
Die weitere – teils mit der Zielrichtung eines Freispruchs (Z 9 lit a), teils mit der Forderung einer rechtlichen Beurteilung nach „§ 131 StGB“ (Z 10) verbundene – Rechtsmittelargumentation lässt nicht erkennen, weshalb die hier in Rede stehende freiwillige Übergabe der Ecstasy-Tabletten zur kurzfristigen Prüfung unter der unmittelbaren Kontrolle und in Anwesenheit des Übergebers bereits den Verlust von dessen Gewahrsam bewirkt haben sollte (vgl aber RIS‑Justiz RS0093841, RS0093769, RS0093767). Der (unter Berufung auf RIS-Justiz RS0093672 und RS0093704, die Entscheidung 10 Os 40/84 sowie eine Kommentarstelle [Stricker in WK² StGB § 131 Rz 18] vertretene) Standpunkt, der Angeklagte habe die Gewalt erst ausgeübt, um sich nach Gewahrsamserlangung (auf frischer Tat betreten) eine bereits weggenommene Sache zu erhalten, orientiert sich erneut nicht an der eingangs wiedergegebenen Tatsachenbasis des Urteils.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung (§ 285d Abs 1 StPO) sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung, die „Beschwerde gegen den nachträglichen Strafausspruch“ (vgl dazu Schroll in WK² JGG § 16 Rz 12, 15) sowie die (implizierte) Beschwerde gegen den Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
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