OGH 10Os40/84

OGH10Os40/8411.4.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. April 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich (Berichterstatter), Dr. Lachner sowie Hon.Prof.Dr.Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Nittel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Martin A wegen des Verbrechens des versuchten schweren und räuberischen Diebstahls nach § 15, 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 131 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 28. November 1983, GZ 2 a Vr 952/83-24, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Knob, des Angeklagten Martin A und des Verteidigers Dr. Werth zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Martin A des Verbrechens des versuchten schweren und räuberischen Diebstahls nach § 15, 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 131 StGB schuldig erkannt. Der auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO - der Sache nach jedoch nur auf den zuletzt bezeichneten materiellrechtlichen Grund - gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, mit der er lediglich die Verbrechensqualifikation nach § 131 StGB bekämpft, kommt keine Berechtigung zu.

Insoweit nahm das Erstgericht als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer, der gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Martin B bei Arbeiten auf dem Wiener Messegelände von einem Ausstellungsstand der Firma 'KAPSCH' zwei Telefonapparate im Gesamtwert von 9.000 S mit Diebstahlsvorsatz abmontiert hatte, von einem Aufseher dabei betreten wurde, als er sich eben anschickte, über die Umzäunungsmauer zu klettern, nachdem sein Komplize mit dem einen Apparat das Gelände bereits auf dem gleichen Weg verlassen hatte; bei diesem Versuch wurde er, nachdem er den zuvor unter der Jacke verborgen mitgetragenen anderen Apparat über die Mauer geworfen hatte, vom Aufseher festgehalten, worauf er jenen mit Faustschlägen sowie Fußtritten traktierte und nicht unerheblich verletzte, um ungestört mit seiner Beute flüchten zu können; dadurch gelang es ihm zwar hinauszuklettern, doch brach er sich beim Sprung von der Mauer ein Bein, sodaß er kurz darauf festgenommen werden konnte.

Von diesem Sachverhalt ausgehend vertritt der Angeklagte die Auffassung, er könne die Gewalt gegen den Aufseher schon objektiv deshalb nicht zu dem Zweck angewendet haben, um sich oder einem Dritten die weggenommene Sache 'zu erhalten', weil er zu dieser Zeit 'nicht mehr im Besitz des Telefons' gewesen sei, welches er schon vorher über die Mauer geworfen hatte; die damit (der Sache nach ausschließlich) erhobene Rechtsrüge (Z 10) geht jedoch fehl. Denn zum einen verliert ein Dieb dadurch, daß er die von ihm heimlich ergriffene und durch die Erlangung eines Mitgewahrsams daran im Sinn des § 131 StGB bereits 'weggenommene' Sache - idS EB 278; Burgstaller in 'Ladendiebstahl', Orac-Verlag, Wien 1981, 36 ff., Bertel im WK, RN 11 f. zu § 131, Mayerhofer-Rieder, StGB 2 , Anm. 3 zu § 131; bereits in diese Richtung tendierend auch 10 0s 188/78 = ÖJZ-LSK 1979/109, 9 0s 131/79, 12 0s 11/80, 9 0s 156/80 sowie 10 0s 38/83; aA allerdings Kienapfel, BT II, RN 2, 5, 9 zu § 131, Steininger in RZ 1981, 25 f., 11 0s 151/76 = ÖJZ-LSK 1977/25, 10

0s 89/77, 12 0s 166/77, JBl 1982, 550 sowie seinerzeit Judikatur und Literatur zu § 174 I lit b StG, wonach räuberischer Diebstahl nur nach Deliktsvollendung, sohin nach vollständigem Gewahrsamsbruch, in Betracht komme - über eine den Tatort begrenzende Mauer wirft, um nach deren überklettern mit ihr zu flüchten, selbst dann, wenn er inzwischen stellig gemacht wird, noch nicht seinen (Mit-) Gewahrsam an ihr, also die (gleichwohl nicht ungeteilte) faktische Verfügungsmacht über sie; und zum anderen endet, wie der Beschwerdeführer selbst richtig erkennt, jene Situation, in der ein Täter 'bei einem Diebstahl auf frischer Tat betreten' wird, erst in dem Augenblick, in dem er die Beute - über den endgültigen Vollzug des (heimlich begonnenen) Gewahrsamsbruchs (und damit über die Deliktsvollendung) hinaus auch schon - in Sicherheit gebracht hat (vgl. ÖJZ-LSK 1977/25, 26, 1979/109 uva). Davon aber kann dann, wenn er - wie im vorliegenden Fall - durch eine vom Berechtigten mit dem Schutz von dessen (noch immer aufrechtem Mit-) Gewahrsam an der Sache betraute Person am Verlassen des Tatorts und damit am Wegschaffen der in dessen unmittelbarer Nähe deponierten Beute gehindert wird, keine Rede sein. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer den Telefonapparat, den er zu stehlen versuchte, bereits über die Mauer geworfen hatte, steht demnach der Annahme, daß er die unmittelbar darauf, auf frischer Tat betreten, gegen den Aufseher angewendete Gewalt zu dem Zweck ausübte, sich die weggenommene Sache zu erhalten (§ 131 StGB), in objektiver Hinsicht nicht entgegen.

In Ansehung der subjektiven Tatseite der in Rede stehenden Qualifikation aber geht der Angeklagte mit dem Einwand (Z 10), es sei ihm bei der Gewaltanwendung gegen den Aufseher nicht mehr darum gegangen, sich im Besitz der Beute zu erhalten, sondern lediglich um die Ermöglichung seiner Flucht, nicht von den Urteilsfeststellungen aus, nach denen er diese Gewalt anwendete, um 'mit seiner Beute' flüchten zu können; durch diese Konstatierung aber ist die Annahme der bekämpften Verbrechensqualifikation in subjektiver Hinsicht vollauf gedeckt, weil es dazu genügt, wenn der Täter die ihm zur Last fallende Gewalt gegen eine Person auch in der Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) ausübt, sich dadurch die weggenommene Sache zu erhalten (vgl. ÖJZ-LSK 1978/167 u.a.).

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach (dem ersten Strafsatz des) § 131 StGB unter Anwendung des § 11 Z 1 JGG und unter Bedachtnahme auf das Urteil vom 29. Juni 1983, AZ 20 U 349/83, mit dem es wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB sowie der Sachbeschädigung nach § 125 StGB eine (bedingt nachgesehene) Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Wochen über ihn verhängt hatte, gemäß § 31, 40 StGB zu acht Wochen Zusatz-Freiheitsstrafe.

Dabei wertete es nichts als mildernd, seine beiden einschlägigen Vorstrafen und die Vehemenz seiner Gewaltanwendung hingegen als erschwerend.

Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Strafherabsetzung sowie die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt, kommt gleichfalls keine Berechtigung zu.

Denn das Jugendschöffengericht hat zwar einerseits tatsächlich den (die Sicherstellung der beiden Telefonapparate bereits erfassenden) Milderungsgrund, daß der Diebstahl beim Versuch geblieben ist, übersehen, anderseits aber auch die Berücksichtigung des raschen Rückfalls des Berufungswerbers, der schweren Verletzungen seines Opfers und der mehrfachen Deliktsqualifikation als Erschwerungsumstände verabsäumt. Davon jedoch, daß dem Angeklagten zudem eine besonders verlockende Gelegenheit zur Tat oder ein 'Tatsachengeständnis' als mildernd zugute zu halten wären, kann deshalb keine Rede sein, weil ihm zum einen ein über das Fehlen einer ständigen Beaufsichtigung, wie es bei Arbeiten außerhalb eines geschlossenen Betriebes die Regel ist, hinausgehender spezieller Anreiz zum Diebstahl keineswegs geboten war und er zum anderen weder einen Diebstahlsvorsatz zugegeben noch sonst wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat.

Bei diesen (korrigierten) Strafzumessungsgründen hat das Erstgericht die über den Berufungswerber verhängte Freiheitsstrafe (insbesondere mit Rücksicht auf die ihm zur Last fallende brutale Verletzung seines Opfers sowie auf sein sowohl in Richtung Vermögensdelinquenz als auch in bezug auf Gewalttätigkeit belastetes Vorleben) selbst dann, wenn er sich wirklich trotz gegebener Möglichkeit freiwillig der Zufügung eines größeren (Diebstahls-) Schadens enthalten haben sollte, mit der - in Verbindung mit seiner Zwischen-Verurteilung (§ 31, 40 StGB) dem Mindestmaß des (von drei Monaten bis zu zweieinhalb Jahren reichenden, reduzierten) gesetzlichen Rahmens (§ 131 erster Strafsatz StGB, § 11 Z 1 JGG) entsprechenden -

Dauer von acht Wochen nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) durchaus nicht zu hoch ausgemessen. Desgleichen konnte die Gewährung bedingter Strafnachsicht an den Angeklagten im Hinblick darauf, daß seine Vorverurteilungen keinerlei Resozialisierungseffekt erzielt haben, aus Gründen der Spezialprävention (§ 43 Abs 1 StGB) nicht mehr in Betracht gezogen werden. Auch der Berufung mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte