OGH 12Os68/16s

OGH12Os68/16s16.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Juni 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Janisch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alexander P***** wegen der Vergehen der Entwendung nach §§ 15 Abs 1, 141 Abs 1 StGB, AZ 32 U 6/14v des Bezirksgerichts Döbling, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 30. Juli 2014, GZ 32 U 6/14v‑12, aus Anlass dieses Urteils gefasste Beschlüsse und weitere Vorgänge ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Koenig, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00068.16S.0616.000

 

Spruch:

 

In der Strafsache AZ 32 U 6/14v des Bezirksgerichts Döbling verletzen

1./ das Urteil vom 30. Juli 2014, in seinem Strafausspruch § 141 Abs 1 StGB;

2./ die mildernde Berücksichtigung des geringen Werts der Beute § 32 Abs 2 erster Satz StGB;

3./ die unterbliebene Berücksichtigung des Milderungsgrundes, dass die Taten beim Versuch geblieben sind, § 34 Abs 1 Z 13 StGB.

Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Strafausspruch demzufolge auch die Beschlüsse auf Absehen vom Widerruf und Verlängerung einer Probezeit sowie auf Erteilung einer Weisung aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Döbling verwiesen.

Der durch den Eintritt der Rechtskraft bereits in Gang gesetzte Lauf der Probezeit wird durch diese Entscheidung nicht berührt.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

 

Gründe:

Mit gekürzt ausgefertigtem Urteil vom 30. Juli 2014, GZ 32 U 6/14v‑12, erkannte das Bezirksgericht Döbling Alexander P***** zweier Vergehen der Entwendung nach §§ 15 Abs 1, 141 Abs 1 StGB schuldig und verurteilte ihn hiefür „nach §§ 15, 141 StGB“ zu einer – gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen – sechswöchigen Freiheitsstrafe.

Dabei wertete es das Geständnis und den „geringen Wert“ als mildernd sowie „einschlägige Vorstrafen“ als erschwerend (US 2).

Zugleich wurde dem Angeklagten gemäß §§ 50, 51 StGB die Weisung erteilt, „binnen zwei Monaten dem Gericht einen Bericht über den Antritt einer stationären Suchtgifttherapiebehandlung vorzulegen“.

Zudem beschloss das Bezirksgericht gemäß „§ 494a Abs 1 Z 4 StPO“ vom Widerruf der zu AZ 43 Hv 33/11b des Landesgerichts für Strafsachen Wien gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen und die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde teilweise zu Recht aufzeigt, stehen das Urteil und mehrere Vorgänge mit dem Gesetz nicht im Einklang.

1./ § 141 Abs 1 StGB sieht eine Höchststrafdrohung von einem Monat Freiheitsstrafe vor. Da das Bezirksgericht bei der vorliegenden Verhängung einer sechswöchigen Freiheitsstrafe (offensichtlich) auch nicht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Abs 1 StGB ausgegangen ist, überschritt es seine Strafbefugnis.

2./ Zu Unrecht unterließ das Bezirksgericht die Berücksichtigung des Milderungsgrundes, dass die Taten beim Versuch geblieben sind (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB; zum Versuch als maßgebende Strafzumessungstatsache Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 712; vgl auch RIS-Justiz RS0099985).

3./ Da der geringe Wert der entzogenen Sache bereits die Strafdrohung des § 141 Abs 1 StGB bestimmt (vgl 15 Os 75/15s, EvBl 2015/161, 1115), durfte dieser Umstand mit Blick auf das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) nicht zusätzlich als mildernd angerechnet werden.

Da sich die zu 1./ und 2./ aufgezeigten Gesetzesverletzungen zum Nachteil ausgewirkt haben, sah sich der Oberste Gerichtshof in Zuerkennung konkreter Wirkung zur Aufhebung des Strafausspruchs veranlasst (§ 292 letzter Satz StPO). Die von dieser Kassation rechtslogisch abhängigen Entscheidungen gelten gleichermaßen als beseitigt (RIS-Justiz RS0100444).

Der durch den Eintritt der Rechtskraft bereits in Gang gesetzte Lauf der Probezeit wird durch das Vorgehen im Sinn des § 292 letzter Satz StPO nicht berührt (RIS-Justiz RS0118011), was im Spruch des Erkenntnisses deklarativ festgehalten wurde (vgl RIS-Justiz RS0092039).

Im Übrigen schlägt die Beschwerde jedoch fehl.

Soweit die Generalprokuratur den Beschluss auf Absehen vom Widerruf und Verlängerung der Probezeit aufgrund dessen Bezugnahme auf § 494a Abs 1 Z 4 StPO anstelle § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO kritisiert, ist ihr zu erwidern: „Gesetzwidrigkeit“ drückt eine Relation aus und bedeutet verfehlte Rechtsanwendung auf einen Lebenssachverhalt (RIS‑Justiz RS0117731; Ratz, WK‑StPO § 292 Rz 7). Eine solche liegt aber bei einem (bloßen) Fehlzitat der gesetzlichen Bestimmung im Spruch eines Beschlusses, dessen Norminhalt zweifelsfrei erkennbar ist, nicht vor (vgl 11 Os 93/12d, 134/12h, 135/12f).

Das Vorbringen, § 28 Abs 1 StGB sei in einer „gegen § 32 Abs 2 StGB“ verstoßenden Weise unangewendet geblieben, ist angesichts dessen, dass das Bezirksgericht bei (hier) zwei real konkurrierenden strafbaren Handlungen ohnehin auf eine Freiheitsstrafe erkannt und damit genau dem Gebot des § 28 Abs 1 erster Satz StGB Rechnung getragen hat (vgl Ratz in WK 2  StGB § 28 Rz 2, 7), nicht nachvollziehbar.

Dass das Bezirksgericht § 28 Abs 1 StGB nicht im Urteil zitiert hat, verletzt zwar § 447 iVm § 270 Abs 4 Z 1 iVm Abs 2 Z 4 iVm § 260 Abs 1 Z 4 StPO (vgl Lendl , WK‑StPO § 260 Rz 46). Dies blieb aber von der Generalprokuratur unbeanstandet.

Zu Unrecht erblickt die Generalprokuratur weiters im Unterbleiben der Ausfertigung und Zustellung eines gesonderten Beschlusses über die erteilte Weisung eine Gesetzesverletzung.

Über die Erteilung von Weisungen entscheidet in der Hauptverhandlung das erkennende Gericht durch mündlich zu verkündenden Beschluss (§ 494 Abs 1 StPO). Die Verkündung des Beschlusses ist zu protokollieren, wobei bei Vorliegen der diesbezüglichen Voraussetzungen auch ein Protokollsvermerk ausreicht, in welchen der verkündete Beschluss aufzunehmen ist (§ 270 Abs 4, § 271 Abs 1a StPO).

Gemäß § 86 Abs 3 StPO können Ausfertigung und Zustellung des Beschlusses unterbleiben, wenn die Berechtigten sogleich nach der Verhandlung auf Beschwerde verzichten oder ein selbständiges, die weitere Verhandlung hemmendes Rechtsmittel nicht zulässig ist. In diesen Fällen ist „der wesentliche Inhalt des Beschlusses im Protokoll zu beurkunden“ (§ 86 Abs 3 zweiter Satz StPO). Ist der Beschluss anfechtbar, lediglich ein selbständiges Rechtsmittel nicht vorgesehen, so bedeutet dies, dass (im Sinn des § 86 Abs 1 StPO) die tatsächlichen und rechtlichen Annahmen, die der Entscheidung zugrunde gelegt wurden, (soweit) anzugeben sind, um die Parteien über die Erwägungen des Gerichts in Kenntnis zu setzen und ihnen zu ermöglichen, ihr Prozessverhalten danach auszurichten, sowie um das Rechtsmittelgericht in die Lage zu versetzen, die Entscheidung zu überprüfen (vgl § 238 Abs 3 StPO, der die Verkündung der Entscheidungsgründe ausdrücklich vorsieht; Danek/Mann , WK-StPO § 238 Rz 10).

Bei einem aufgrund Rechtsmittelverzichts unanfechtbaren (und hier überdies von der Zustimmung des Angeklagten abhängigen; § 51 Abs 3 StGB) Beschluss hingegen ist der „wesentliche Inhalt“ nicht dahin zu verstehen, dass die Protokollierung einer die Erwägungen darstellenden Begründung erforderlich wäre, ist dies doch unter dem Aspekt der Nachvollziehbarkeit weder für die Parteien noch für eine Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht notwendig. Soweit das Hauptverhandlungsprotokoll – wie hier – durch einen Protokollsvermerk ersetzt wird, hat dieser zwar (neben den in § 271 Abs 1 Z 1-3 StPO angeführten Angaben) auch einen nach § 494 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO in der Hauptverhandlung gefassten und verkündeten rechtskräftigen Beschluss zu enthalten (vgl RIS‑Justiz RS0096920; Nimmervoll , Beschluss und Beschwerde, 99 f), hinsichtlich der Dokumentation dessen Inhalts ist aber naturgemäß kein „Mehr“ erforderlich (vgl auch die für Urteile geltende Regelung des § 270 Abs 4 Z 1 StPO: „mit Ausnahme der Entscheidungsgründe“). Eine Gesetzesverletzung liegt somit nicht vor (zum Ganzen 15 Os 136/15m; aM Jerabek , WK‑StPO § 494 Rz 3).

Insoweit war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen.

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