OGH 15Os75/15s

OGH15Os75/15s22.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juli 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Leisser als Schriftführerin in der Strafsache gegen Emrah A***** wegen Vergehen der Verhetzung nach § 283 Abs 2 StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 22. Oktober 2014, GZ 47 Hv 113/14i‑12, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00075.15S.0722.000

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 22. Oktober 2014, GZ 47 Hv 113/14i‑12, wurde Emrah A***** des Vergehens (richtig: der Vergehen) der Verhetzung nach § 283 Abs 2 (hier: iVm § 283 Abs 1 sechster und achter Fall StGB) schuldig erkannt und zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Danach hat er zwischen 9. und 17. Juli 2014 in O***** und andernorts für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar gegen eine nach den Kriterien der Religion und der Staatsangehörigkeit definierte Gruppe von Personen, nämlich Angehörige der jüdischen Religion und israelische Staatsangehörige, gehetzt und sie in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft und dadurch verächtlich zu machen gesucht, indem er auf seiner Seite im sozialen Netzwerk „Facebook“ für „Freunde“ aber auch außenstehende Dritte einsehbar als Kommentar zur laufenden Berichterstattung über zivile Opfer unter der palästinensischen Zivilbevölkerung der militärischen Intervention des Staats Israel in den autonomen Palästinensergebieten im Gazastreifen

1. ein Portrait Adolf Hitlers hochlud und diesem die dem Genannten zugeschriebene Äußerung beifügte, „ich hätte alle Juden töten können, aber ich habe einige am Leben gelassen, um euch zu zeigen, wieso ich sie getötet habe“;

2. sinngemäß äußerte, es sei „echt traurig“, dass die ganze Welt zuschaue, wie die „verfickten Juden“ vor allem Kinder mit Genuss umbrächten, Allah sei groß und er wünsche sich eine gerechte Bestrafung Israels;

3. das Bild einer israelischen Flagge unter einem Verbotszeichen sowie ein Bild eines Davidsterns unter einem Verbotszeichen in Verbindung mit dem Schriftzug „fuck you Israel“ hochlud.

Bei der Strafbemessung wertete der Einzelrichter (unter anderem) als erschwerend, dass der Angeklagte „aus rassistischen Gründen gehandelt“ habe (ON 12 S 2).

Dagegen richtet sich die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes mit folgender Begründung:

Die erschwerende Wertung der rassistischen Motive im Zuge der Strafbemessung verletzt das Gesetz zum Nachteil des Verurteilten:

Nach § 32 Abs 2 erster Satz StGB hat das Gericht bei der Bemessung der Strafe die Erschwerungs‑ und die Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen, soweit sie nicht die Strafdrohung bestimmen. Wird ein derartiger Umstand bei der Strafbemessung als Strafbemessungstatsache dennoch abermals berücksichtigt, so verstößt dies gegen das Doppelverwertungsverbot (RIS‑Justiz RS0099955).

Dies gilt auch für die ‑ fallaktuell erfolgte ‑ erschwerende Berücksichtigung rassistischer Motive im Zuge der Bemessung einer wegen des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs 2 StGB zu verhängenden Strafe, weil das Handeln aus rassistischen und fremdenfeindlichen Motiven typischerweise mit einem Schuldspruch nach § 283 StGB verbunden ist (vgl RIS‑Justiz RS0119083).

Da sich die dem vorliegenden Urteil solcherart anhaftende Gesetzesverletzung zum Nachteil des Angeklagten auswirkte, wäre der aufgezeigten Gesetzesverletzung gemäß § 292 letzter Satz StPO konkrete Wirkung zuzuerkennen.

 

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Das sogenannte Doppelverwertungsverbot ergibt sich aus dem in § 32 Abs 2 erster Satz StGB enthaltenen Gebot, Erschwerungs‑ und Milderungsgründe nur soweit bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen („gegeneinander abzuwägen“), als sie „nicht schon die Strafdrohung bestimmen“ ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 711). Für Letztere bestimmend sind nur subsumtionsrelevante Umstände (11 Os 87/10v = EvBl‑LS 2011/8, 43; vgl auch RIS‑Justiz RS0091003, RS0090977; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 668/4, 711), zu denen das Tatmotiv in der Regel ‑ wenn es nicht ausnahmsweise im Tatbestand genannt ist (zB § 141 StGB) ‑ nicht zählt (vgl RIS‑Justiz RS0088761).

Der Beweggrund für das inkriminierte Verhalten iSd § 283 Abs 2 StGB ist kein Tatbestandsmerkmal (zu den Tatbestandserfordernissen in subjektiver Hinsicht s Plöchl in WK 2 § 283 Rz 21), das Tatbild des § 283 Abs 2 StGB verlangt daher (auch) kein Handeln aus rassistischen Gründen.

Daraus folgt, dass die Heranziehung des Erschwerungsgrundes des § 33 Abs 1 Z 5 erster Fall StGB bei einem Schuldspruch wegen des ‑ auch hinsichtlich der Schutzobjekte ein alternatives Mischdelikt darstellenden (vgl Plöchl in WK 2 StGB § 283 Rz 4) ‑ Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs 2 StGB ‑ gegenständlich iVm § 283 Abs 1 sechster und achter Fall StGB (Verhetzung gegen nach den Kriterien der Religion und der Staatsangehörigkeit definierte Personengruppen) ‑ nicht gegen § 32 Abs 2 erster Satz StGB verstößt.

Dass ‑ dem widersprechend ‑ auch Umstände, die (bloß) „typischerweise“ mit der Verwirklichung eines Delikts verbunden sein mögen, für die Strafzumessung „verbraucht“ seien und ihre Berücksichtigung gegen das Doppelverwertungsverbot verstoße (vgl Ebner in WK 2 StGB § 32 Rz 61 ff und Rz 68a; 11 Os 147/03 und RIS‑Justiz RS0108874), findet im Gesetz keine Deckung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher zu verwerfen.

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