European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00049.15W.0709.000
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden des Cengiz G*****, des Lorenz K***** und des Oliver K***** sowie aus deren Anlass werden
A./ das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt,
1./ in den Schuldsprüchen
a./ des Cengiz G***** zu II./A./;
b./ des Lorenz K***** zu IV./B./, V./B./1./ und zu XV./A./1./;
c./ des Oliver K***** zu IV./B./, V./B./2./ und V./C./
d./ des Agonis A***** zu VII./A./‑C./ sowie zu XVI./;
e./ des Veton C***** zu XII./;
2./ demzufolge im Cengiz G*****, Lorenz K*****, Oliver K*****, Agonis A***** und Veton C***** betreffenden Strafausspruch sowie in der Vorhaftanrechnung zu Cengiz G*****, Lorenz K*****, Oliver K***** und Agonis A*****;
3./ im Jenny L***** betreffenden Konfiskationserkenntnis und
4./ im Agonis A***** betreffenden Zuspruch von 6.000 Euro an Simon Gr*****;
B./a./ die verfehlt in die Urteilsausfertigung aufgenommenen (vgl RIS‑Justiz http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0101841&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False , http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0120887&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [T2 und T3]; Danek, WK‑StPO § 270 Rz 50; Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 39) Beschlüsse über die Erteilung einer Weisung nach § 50 Abs 1 StGB an Agonis A***** (US 20) und Veton C***** (US 21) sowie
b./ der Beschluss auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht in Ansehung des Cengiz G*****
aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird das Verfahren zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.
Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Cengiz G*****, Lorenz K***** und Oliver K***** zurückgewiesen.
Mit ihren Berufungen gegen den Ausspruch über die Strafe werden die Angeklagten Cengiz G*****, Lorenz K*****, Oliver K***** und Agonis A***** ebenso auf die Kassation verwiesen, wie der Erst- und der Letztgenannte mit ihren Beschwerden.
Über die Berufung der Angeklagten Lorenz K***** wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Anspruche der Melanie Gr***** wird das Oberlandesgericht Wien nach Abschluss des Verfahrens erster Instanz zu entscheiden haben.
Den Angeklagten Cengiz G*****, Lorenz K***** und Oliver K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden ‑ soweit gegenständlich von Relevanz ‑
Cengiz G***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I./A./), der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II./A./), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (IV./A./), des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (VI./A./4./ und 5./a./), des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (IX./C./1./), sowie des Verbrechens der Geldfälschung nach § 232 Abs 1 StGB (X./);
Jenny L***** (richtig:) des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (VI./A./2./ und 5./a./), der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II./A./) sowie des Verbrechens der Geldfälschung nach § 232 Abs 1 StGB (X./);
Agonis A***** ua des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I./A./), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (IV./A./), (richtig:) des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (VI./A./4./ und 5./b./ und XVI./ [im Urteil als „Strafantrag vom 1. August 2012“ bezeichnet]), (richtig:) des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 dritter Fall und Abs 2, 148 erster und zweiter Fall StGB (VII./ und XVII./ [im Urteil als „Strafantrag vom 21. Februar 2014“ bezeichnet]) sowie des Verbrechens der Geldfälschung nach § 232 Abs 1 StGB (X./);
Lorenz K***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I./A./), des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB (I./B./), der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II./A./ und B./), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (IV./A./), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (IV./B./), der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (V./A./ und B./1./), des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB (XV./A./1./ [im Urteil als „I./1./ des Strafantrags vom 10. September 2014“ bezeichnet]), des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (XV./A./2./ [im Urteil als „I./2./ des Strafantrags vom 10. September 2014“ bezeichnet]), (richtig:) des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1 und Z 3, 15 StGB (VI./A./1./ und B./ und XV./A./ [im Urteil als „II./ des Strafantrags vom 10. September 2014“ bezeichnet]), sowie des Verbrechens der Geldfälschung nach § 232 Abs 1 StGB (X./);
Oliver K***** ua des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I./A./), des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB (I./B./), der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II./B./ und D./), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (IV./A./), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (IV./B./), sowie der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (V./B./2./ und C./);
Veton C***** des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs 1 StGB (XII./)
schuldig erkannt.
Danach haben
I./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit Gewalt gegen eine Person bzw durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Nachgenannten fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen bzw abgenötigt,
A./ Cengiz G*****, Agonis A*****, Lorenz K***** und Oliver K***** am 25. März 2014 in S***** dem Fabian J*****, indem Oliver K***** das Treffen mit dem Opfer anbahnte und dessen Erscheinen seinen Komplizen telefonisch mitteilte und in der Folge Agonis A***** mit einem Teleskopschlagstock und Cengiz G***** mit einem Pittbull‑Kampfhund bei ihm vorstellig wurden, sodann Lorenz K***** ‑ konkludent Verletzungen am Körper in Aussicht stellend ‑ ihm mit einem Baseballschläger auf den (mit einem Sturzhelm geschützten) Kopf schlug und schließlich Cengiz G***** ihm ein neuwertiges Mobiltelefon der Marke Sony im Wert von rund 300 Euro aus der Jackentasche entwand, wobei sie den Raub unter Verwendung von Waffen verübten;
B./ Lorenz K***** und Oliver K***** am 14. Juni 2014 in W***** dem Christoph E*****, indem sie nach Äußerung der Forderung „Geld her“ den zunächst Widerstrebenden an der Schulter packten, ihm einen Faustschlag gegen den Kopf versetzten, den nunmehr am Boden Liegenden gegen Kopf und Körper traten, seine Kleidung durchsuchten und ihm sodann ein Paar Schuhe und 50 Euro Bargeld wegnahmen, wobei das Opfer durch die ausgeübte Gewalt eine Rissquetschwunde an der rechten Stirnseite sowie einen Bruch des Nasenbeins mit Verschiebung der Bruchstücke, verbunden mit Schleimhauteinrissen und konsekutivem Nasenbluten erlitt, somit an sich schwer verletzt wurde (§ 84 Abs 1 StGB) und die Tat überdies eine mehr als 24‑tägige Gesundheitsstörung zur Folge hatte;
II./ Nachgenannte im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter vorsätzlich am Körper verletzt und zwar
A./ Cengiz G*****, Jenny L***** und Lorenz K***** am 23. März 2014 in W***** jeweils durch Versetzen von Fußtritten bzw Schlägen ‑ Lorenz K***** auch mit einer Glasflasche ‑ Michael Gs*****, Matthias Gs***** und Magdalena Kn*****, wodurch der Erstgenannte eine Rissquetschwunde am Hinterhaupt, der Zweitgenannte Prellungen im Kopf‑ und Oberschenkelbereich und die Letztgenannte eine Prellung mit Bluterguss im Bereich des rechten Jochbeins, eine Rissquetschwunde am linken Ellbogen sowie Hautabschürfungen beider Unterarme erlitt;
B./ Lorenz K***** und Oliver K***** am 4. Mai 2014 in P***** Christoph R***** durch Versetzen von Faustschlägen gegen den Kopf, wodurch der Genannte eine Schädelprellung, eine Prellung des Nasenrückens und eine oberflächliche Hautabschürfung an der rechten Hand erlitt;
III./ in N***** und an anderen Orten jeweils durch riskante Fahrweise im Rahmen von „Verfolgungsjagden“ mit der Polizei, wobei es nur durch Glück bzw Zufall nicht zu Körperverletzungen kam, in dem in § 81 Abs 1 Z 1 StGB bezeichneten Fall zumindest fahrlässig eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit anderer herbeigeführt, und zwar
A./ Agonis A***** am 21. März 2014 für jene der mitfahrenden Jenny L*****, Cengiz G*****, Lorenz K***** und Oliver K***** sowie mehrerer weiterer ‑ insbesondere entgegenkommender ‑ Verkehrsteilnehmer, indem er ohne entsprechende Ausbildung und aufrechte Lenkberechtigung seinen PKW VW Golf III mit weit überhöhter Geschwindigkeit lenkte und mehrfache waghalsige Überholmanöver unter Einhaltung unzureichender Seiten- und Tiefenabstände durchführte, wodurch entgegenkommende Verkehrsteilnehmer gefährdet und zum Abbremsen veranlasst wurden;
B./ Cengiz G***** am 26. März 2014 für jene der mitfahrenden Jenny L***** und Lorenz K***** sowie des „gegenbeteiligten“ Josef U*****, indem er ohne entsprechende Ausbildung und aufrechte Lenkberechtigung seinen PKW Nissan 100 NX ungeachtet erkennbar unzureichender Bremswirkung mit weit überhöhter Geschwindigkeit lenkte, sodass es geschehen konnte, dass er ‑ auch infolge Missachtung des Vorrangs des „gegenbeteiligten“ Lenkers ‑ mit dem PKW des Josef U***** kollidierte;
IV./ Nachgenannte zu Handlungen genötigt und zwar jeweils im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter
A./ Cengiz G*****, Agonis A*****, Lorenz K***** und Oliver K***** am 25. März 2014 in S***** Patrick S***** mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tod bzw einer erheblichen Verstümmelung oder auffallenden Verunstaltung zur Begleichung vermeintlich bestehender Schulden in Höhe von 120 Euro, indem sie im Rahmen der unter I./A./ beschriebenen Tat und unter Aufrechterhaltung der Bedrohung durch den Kampfhund und die Waffen die Kleidung des eingeschüchterten Opfers durchsuchten, die Herausgabe des Bargelds von Patrick S***** forderten, Lorenz K***** dem Opfer mit einem Baseballschläger gegen den linken Oberschenkel schlug und ankündigte, er werde ihn und seinen Freund Fabian J***** aufschlitzen, sollten sie nicht bis 19:00 Uhr 120 Euro auftreiben, wobei Agonis A***** ein ca 20 cm langes Militärmesser aufklappte und fragte: „So aufschlitzen?“, worauf Lorenz K***** ergänzte: „Nein, viel qualvoller“;
B./ Lorenz K***** und Oliver K***** am 13. Juni 2014 an einem nicht mehr festzustellenden Ort den Jacek Sm***** durch gefährliche Drohung zumindest mit einer Verletzung am Körper ‑ nämlich die sinngemäße Äußerung, wenn er seinen „Arsch retten“ wolle, müsse er ihrem Willen entsprechen, ansonsten würden sie ihn „fertig machen“ und er werde „verrecken“ ‑ zur Anbahnung eines Treffens mit Agonis A***** zwecks Begehung der unter II./C./1./ näher beschriebenen Körperverletzung zum Nachteil des Agonis A*****;
V./ Nachgenannte zumindest mit Verletzungen am Körper gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar
A./ Lorenz K***** im Februar 2014 in T*****
1./ den Christopher Sc***** als Vergeltung für eine Anzeige, indem er ihn mehrfach auf dem Schulweg abpasste und ihm mittels WhatsApp mitteilte: „Ich habe gehört du hast mich verraten ... man sieht sich“;
2./ die Barbara Sc***** durch die sinngemäß Verletzungen am Körper zum Nachteil ihres Sohnes ankündigende Äußerung: „Pass auf deinen Sohn auf“;
B./ am 4. Mai 2014 in N***** den Christoph R***** ‑ an die ihm bereits zugefügten Verletzungen am Körper (II./B./) anknüpfend ‑
1./ Lorenz K***** dadurch, dass er ihn im Krankenhaus abpasste und zu ihm sagte: „Wenn ich draußen bin, wirst eh sehn, was du davon hast“;
2./ Oliver K***** durch Übermittlung einer Nachricht mit dem Inhalt: „Du hast gestern etwas begonnen, was nicht gut ausgehen wird für euch! Mit Feuer sollte man nicht spielen“;
C./ Oliver K***** im April 2014 die Albenisa A***** durch die Ankündigung, er werde sie und ihre Familie „töten“;
VI./ fremde bewegliche Sachen Nachgenannten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz
A./ weggenommen und zwar
5./a./ Cengiz G***** und Jenny L***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter in der Nacht auf den 26. März 2014 in S***** Verfügungsberechtigten des Unternehmens O***** Treibstoff im Wert von 77,09 Euro;
VII./ Agonis A***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese am Vermögen schädigten, und zwar
A./ am 20. März 2014 in N***** Verfügungsberechtigte der „La*****“‑Tankstelle durch die Vorspiegelung ein redlicher Kunde zu sein zur Ausfolgung von Treibstoff im Wert von 70 Euro;
B./ in S***** jeweils durch die Vorspiegelung ein zahlungsfähiger und ‑williger Kunde zu sein, unter Verwendung falscher (insbesondere: Kreditkarten‑)Daten zur Täuschung
1./ in oftmals wiederholten Angriffen zwischen 2. Dezember 2013 und Mitte Jänner 2014 Verfügungsberechtigte des Unternehmens X***** zur Ausfolgung von Waren im Wert von 4.638,50 Euro und Gutscheinen im Wert von 9.000 Euro;
2./ am 11. Dezember 2013 Verfügungsberechtigte des Unternehmens Am***** zur Lieferung von LED‑Rückleuchten für seinen PKW im Wert von 124,78 Euro;
3./ am 4. Dezember 2013 Verfügungsberechtigte des Unternehmens T***** zur Lieferung von 20 Stangen Zigaretten im Wert von 977 Euro;
4./ nicht mehr feststellbare Verfügungsberechtigte Ende 2013 bzw Anfang 2014 zur Lieferung von Mundsprays im Wert von 120 Euro sowie eines WLAN‑Repeaters im Wert von rund 50 Euro;
C./ in oftmals wiederholten Angriffen zwischen Ende März 2014 und Ende Juni 2014 in N***** den Simon Gr***** durch die Vorspiegelung lukrativer Anlagemöglichkeiten sowie eines Zinsertrags von 100 % zur Ausfolgung von insgesamt mindestens 6.000 Euro Bargeld, wobei er den Betrug mit dem 3.000 Euro übersteigenden Schaden von rund 21.000 Euro und den schweren Betrug (§ 147 Abs 1 Z 1 StGB) in der Absicht beging, sich durch dessen wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen;
IX./ Urkunden, über die sie nicht verfügen durften, unterdrückt, wobei sie mit dem Vorsatz handelten, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses bzw einer Tatsache gebraucht werden, und zwar
C./1./ Cengiz G***** zwischen Anfang 2014 und 26. März 2014 in N***** durch Abmontieren bzw Unterschlagen der Kennzeichentafel ***** des Unternehmens Sca***** und Anbringen am eigenen PKW;
XII./ Veton C***** am 14. Juni 2014 in W***** dadurch, dass er ungeachtet seines Wissens über die bevorstehende Tatausführung untätig blieb und stattdessen während der Tat gemeinsam mit dem als Chauffeur Beitragsdienste leistenden Enis D***** den Tatort umrundete, es mit dem Vorsatz, dass vorsätzlich die zu I./B./ beschriebene, mit Strafe bedrohte Handlung begangen werde, unterlassen, ihre unmittelbar bevorstehende bzw schon begonnene Ausführung zu verhindern bzw der Behörde oder dem Bedrohten mitzuteilen, wobei die strafbare Handlung zumindest versucht worden und mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist;
XV./ Lorenz K*****
A./ am 25. August 2014 in W***** Melanie Gr***** dadurch, dass er der ‑ nach Verfolgung und Anhaltung der Täter die Rückgabe zuvor von seinem Bruder bzw dessen Freunden gestohlener bzw betrügerisch herausgelockter 20 Euro Bargeld fordernden ‑ Genannten Schläge bzw Fußtritte versetzte, wodurch diese eine dislozierte Nasenbeintrümmerfraktur, einen Bruch der vorderen Wand und der Seitenwand mit einzelnen kleinen Fragmenten der Kieferhöhle links, eine Rissquetschwunde an der linken Augenbraue und eine Gehirnerschütterung erlitt,
1./ „mit Gewalt zu einer Unterlassung nämlich der weiteren Ausübung ihres Anhalterechts und einer Duldung, nämlich der Flucht des Betrügers bzw Diebs mit der Beute, genötigt, die Nadine Kr***** am Vermögen schädigten, wobei er mit dem Vorsatz handelte, durch das Verhalten der Genötigten sich bzw einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern“;
2./ vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Verletzung an sich schwer ist und eine mehr als 24‑tägige Gesundheitsstörung zur Folge hatte;
B./ am 5. September 2014 eine fremde bewegliche Sache, nämlich ein Fahrrad im Wert von etwa 300 Euro, der Kerstin Le***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, wobei er den Diebstahl beging, indem er eine Sperrvorrichtung, nämlich ein Fahrradschloss, aufbrach;
XVI./ Agonis A***** am 20. Juni 2012 in N***** dem Marcel H***** 20 Euro Bargeld mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen.
Rechtliche Beurteilung
Die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ceniz G***** richtet sich gegen die Schuldsprüche I./A./, II./A./, IV./A./, VI./A./5./a./ und IX./C./1./, der Angeklagte Lorenz K***** stützt seine gegen die Schuldsprüche V./A./2./, V./B./1./ sowie XV./ gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und b StPO und der Angeklagte Oliver K***** erhebt seine gegen die Schuldsprüche II./B./ und V./B./2./ gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit b StPO.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Cengiz G*****:
Voranzustellen ist, dass Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt ist. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann. Von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend ist zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder Z 10 gerügten Fehlers klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich allfälliger Negativkonstatierungen) welche rechtliche Konsequenz (§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO) hätte abgeleitet werden sollen (RIS‑Justiz RS0117247 [T6]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581, 584).
Die zu I./A./ Feststellungen zur Absicht des Beschwerdeführers, das Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben zu bedrohen, vermissende Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet nicht aus dem Gesetz ab, weshalb die Vorsatzform der Absichtlichkeit (§ 5 Abs 2 StGB) zur Erfüllung des Tatbestands des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB erforderlich sein sollte, und verfehlt somit die prozessordnungsgemäße Darstellung materiell‑rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0116565).
Soweit der Nichtigkeitswerber das Fehlen von Feststellungen zu seinem Vorsatz hinsichtlich der Verwendung eines Teleskopschlagstocks und eines Baseballschlägers durch seine Mittäter sowie zu einer diesbezüglichen vorhergehenden Vereinbarung kritisiert, übergeht er prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099775) die Konstatierung, wonach er Fabian J***** und Patrick S***** gemeinsam mit Lorenz und Oliver K***** sowie Agonis A***** mit dem Teleskopschlagstock, dem Baseballschläger und dem Kampfhund bedrohte, um Fabian J***** das Mobiltelefon wegzunehmen und sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern (US 28).
Die bloße Behauptung, es mangle an Feststellungen zur subjektiven „Tatsache“ (gemeint: Tatseite) bringt den materiellen Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO nicht auf die vom Gesetz vorgesehene Weise zur Darstellung, weil der Beschwerdeführer nicht angibt, welche Feststellungen seiner Ansicht nach für die Gesetzesanwendung erforderlich gewesen wären (RIS‑Justiz RS0095939).
Der pauschale Einwand, das Erstgericht habe in Ansehung der subjektiven Tatseite die erforderlichen Tatsachen nicht festgestellt, sondern diese allein unter Verwendung der verba legalia in seinen Feststellungen als gegeben angenommen, unterlässt den gebotenen Hinweis, welcher weiterer Konstatierungen es aus Beschwerdesicht bedurft hätte (RIS‑Justiz RS0099620, RS0095939) und weshalb den Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite (US 28, 48) der erforderliche Sachverhaltsbezug (RIS‑Justiz RS0119090; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 8) fehlen sollte.
Die einen Entfall der Qualifikation des § 143 zweiter Fall StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) zu I./A./ übergeht erneut prozessordnungswidrig die oben angeführten tatrichterlichen Feststellungen, wonach auch die Verwendung von Waffen beim Raub vom Vorsatz des Beschwerdeführers umfasst war.
Weshalb der Teleskopschlagstock und der Baseballschläger, die nach den Konstatierungen zur Bedrohung des Opfers verwendet wurden (US 28), den von der ständigen Rechtsprechung zu § 143 zweiter Fall StGB vertretenen funktionalen Waffenbegriff (im Sinne solcher Gegenstände, die technischen Waffen nach § 1 WaffG nach ihrer Anwendbarkeit und Wirkung gleichkommen; vgl Eder‑Rieder in WK² StGB § 143 Rz 18 mwN) nicht erfüllen sollten, leitet der Nichtigkeitswerber nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab.
Im Ergebnis zutreffend zeigt die Mängelrüge zu II./A./ Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) der Begründung auf, weil die Aussage der Mitangeklagten Jenny L***** unerörtert blieb (vgl US 40), wonach der Beschwerdeführer niemanden geschlagen hat, weil er ja am Boden lag bzw aufgrund eines Faustschlags sogar kurz ohnmächtig war (ON 92 S 87; ON 231 S 20).
Zufolge der solcherart gebotenen Aufhebung dieses Schuldspruchs in Ansehung des Nichtigkeitswerbers ist auf die weiteren Beschwerdeausführungen dazu nicht mehr einzugehen.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu IV./A./ orientiert sich mit der Behauptung, das Erstgericht habe keinerlei Feststellungen getroffen, wonach der Nichtigkeitswerber Patrick S***** gedroht haben soll, nicht an den gerade gegenteiligen Konstatierungen (US 48 f) und verfehlt damit den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit.
Gleiches gilt für das Vorbringen, die Tatrichter hätten keine Feststellungen bezüglich der Ernstlichkeit einer etwaigen Drohung getroffen (siehe US 49).
Weshalb beim alternativen Mischtatbestand der Nötigung (RIS‑Justiz RS0093521) über die getroffenen Feststellungen zur Bedrohung des Patrick S***** mit dem Tod bzw einer erheblichen Verstümmelung oder auffallenden Verunstaltung (US 48) hinaus für die rechtsrichtige Subsumtion nach § 105 Abs 1 StGB Konstatierungen zum Einsatz von Gewalt als Nötigungsmittel erforderlich wären, leitet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu IV./A./ nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565).
Die eine Kausalität des Verhaltens des Beschwerdeführers für die Übergabe der 120 Euro durch das Opfer bestreitende Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu IV./A./ orientiert sich neuerlich nicht an den tatrichterlichen Feststellungen, wonach Lorenz und Oliver K*****, Agonis A***** und der Beschwerdeführer Patrick S***** auf dieselbe Weise wie Fabian J*****, nämlich mit dem Teleskopschlagstock, dem Baseballschläger und dem Kampfhund bedrohten und einschüchterten, um ihn zur Begleichung vermeintlich bestehender Schulden zu nötigen, wobei Patrick S***** in der Folge 120 Euro „auftrieb“ und ihnen diesen Betrag übergab (US 28 iVm US 48 f).
Mit der zu IV./A./ vorgebrachten Kritik, das Erstgericht habe nicht die notwendigen Feststellungen hinsichtlich der inneren Tatseite getroffen, bringt der Beschwerdeführer den materiellen Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO mangels Anführung jener Feststellungen, die nach seiner Ansicht für die rechtliche Unterstellung unter §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB erforderlich gewesen wären, nicht auf die vom Gesetz vorgesehene Weise zur Darstellung (RIS‑Justiz RS0095939).
Die Subsumtionsrüge (Z 10) zu IV./A./ strebt mit der Bestreitung des Vorsatzes des Beschwerdeführers hinsichtlich der Ankündigung des Todes bzw der erheblichen Verstümmelung oder auffallenden Verunstaltung und eigenen Erwägungen über den Bedeutungsinhalt der Äußerungen „So aufschlitzen?“ bzw „Nein, viel qualvoller“ den Entfall der Qualifikation des § 106 Abs 1 Z 1 StGB an. Damit orientiert sie sich jedoch nicht an den tatrichterlichen Feststellungen, wonach (auch) der Nichtigkeitswerber Patrick S***** mit einem Teleskopschlagstock, einem Baseballschläger und einem Kampfhund, einem Schlag gegen den Oberschenkel und dem Aufklappen eines Messers verbunden mit der Frage „So aufschlitzen?“ und der Antwort „Nein, viel qualvoller“ mit dem Tod bzw einer erheblichen Verstümmelung oder auffallenden Verunstaltung bedrohte, um ihn zur Begleichung vermeintlich bestehender Schulden zu nötigen, wobei er den ‑ ernst gemeinten ‑ Drohungen mit den beschriebenen Mitteln Nachdruck verlieh (US 48 f). Solcherart verfehlt sie den Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit.
Die den Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung im Zeitpunkt der Wegnahme bestreitende Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu VI./A./5./a./ übergeht prozessordnungswidrig die Feststellungen, wonach der Nichtigkeitswerber und Jenny L*****, die Treibstoff für ihr Fahrzeug brauchten, im bewussten und gewollten Zusammenwirken getankt haben, um sich durch die Zueignung des Treibstoffs unrechtmäßig zu bereichern (US 49 iVm US 29).
Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu IX./C./1./ Feststellungen dazu vermisst, dass der Nichtigkeitswerber über die Kennzeichentafeln des Unternehmens Sca***** unberechtigter Weise verfügte, übergeht sie die gerade gegenteiligen Urteilskonstatierungen (US 49) und verfehlt solcherart die porzessordnungsmäßige Darstellung materiell-rechtlicher Nichtigkeit.
Die das Fehlen von Konstatierungen darüber, ob der Nichtigkeitswerber die Kennzeichentafel tatsächlich vom Unternehmen Sca***** besorgt hat, oder diese gegebenenfalls auf andere Art und Weise erhalten habe, kritisierende Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu IX./C./1./ leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb dies über die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen hinaus zur Erfüllung des Tatbestands des § 229 Abs 1 StGB erforderlich wäre.
Gleiches gilt für die „Anmerkung“ (Z 9 lit a), das unbefugte Anbringen entfremdeter echter KFZ‑Kennzeichentafeln stelle eine bloße Verwaltungsübertretung dar. Solcherart wird nicht vertretbar darlegt, weshalb die Subsidaritätsklausel des § 134 Abs 2 Z 2 KFG fallbezogen nicht zur Anwendung kommen sollte.
Auch die Subsumtionsrüge (Z 10) zu IX./C./1./ behauptet bloß, es wäre „sofern das Gericht die notwendigen Feststellungen getroffen hat, keine Strafbarkeit im Sinne des § 229 Abs 1 StGB vorliegend, sondern eine nach § 127 StGB, zumal ... die inkriminierten Kennzeichentafeln auf dem PKW Nissan montiert wurden“, ohne methodengerecht aus dem Gesetz abzuleiten, weshalb Kennzeichentafeln (§ 49 KFG 167) entgegen der nunmehr ständigen Rechtsprechung nicht als Urkunden ohne eigenständigen Wert anzusehen (13 Os 52/10m verstärkter Senat = EvBl 2011/28, 181; RIS‑Justiz RS0126373, RS0126372 sowie RS0093753) und daher Gegenstand einer strafbaren Handlung gegen fremdes Vermögen sein sollten.
Undeutlichkeit im Sinne der Z 5 ist gegeben, wenn ‑ nach der Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, also aus objektiver Sicht ‑ nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, somit sowohl für den zur Anfechtung berechtigten Beschwerdeführer als auch das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde, oder aus welchen konkreten Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 419). Soweit der Beschwerdeführer unter diesem Nichtigkeitsgrund erneut vorbringt, es sei den Feststellungen nicht zu entnehmen, ob er die Kennzeichentafel direkt von dem Unternehmen Sca***** besorgt hat, oder ob sie bereits bei Erhalt entfremdet waren, wiederholt er der Sache nach bloß seine Ausführungen zur bereits behandelten Rechtsrüge, sodass auf deren Beantwortung verwiesen werden kann.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Oliver K*****:
Der eine „nähere Auseinandersetzung“ mit der Verantwortung des Beschwerdeführers sowie der Aussage seines mitangeklagten Bruders Lorenz K***** vermissenden Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zu II./B./ zuwider waren die Tatrichter, die sowohl seine leugnende Verantwortung als auch die Aussagen seines Bruders berücksichtigten (US 40), nicht dazu verpflichtet, den vollständigen Inhalt dieser Aussagen im Einzelnen zu erörtern und darauf zu untersuchen, wie weit sie für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante sprechen (RIS‑Justiz RS0098778; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 428). Vielmehr hat der Schöffensenat die Feststellung, wonach auch Oliver K***** auf Christoph R***** hinschlug und der Genannte die angeführten Verletzungen durch die Schläge von Lorenz und Oliver K***** erlitt (US 30), mängelfrei auf die Angaben des Opfers in Zusammenhalt mit den Aussagen der Brüder K***** gestützt (US 40).
Soweit der Nichtigkeitswerber ohne weiteres Vorbringen erklärt, zu II./B./ „hilfsweise auch“ § 281 Abs 1 Z 5a StPO geltend zu machen, versagt die Beschwerde mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung dieses Nichtigkeitsgrundes (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).
Im Ergebnis zutreffend zeigt die Rechtsrüge (richtig: Z 9 lit a) auf, dass die Feststellungen zu V./B./2./ die Subsumtion nach § 107 Abs 1 StGB nicht zu tragen vermögen.
Ein Schuldspruch wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB setzt in tatsächlicher Hinsicht die Feststellung voraus, dass der (vom Drohenden gewollte) Sinn einer Äußerung darin lag, beim Bedrohten den Eindruck einer ernstgemeinten Ankündigung der bevorstehenden Beeinträchtigung eines (in § 74 Abs 1 Z 5 StGB genannten) Rechtsguts zu erwecken (RIS‑Justiz RS0092588; Jerabek in WK² StGB § 74 Rz 34). Dabei ist der grundlegende Erfahrungswert in Rechnung zu stellen, dass der Sinn eines Ausdrucks oder auch einer Geste je nach Situation, Vorverständnis, Schichtzugehörigkeit, Umgangsformen, Bildungsgrad der Beteiligten oder anderen Begleitumständen durchaus unterschiedlich sein kann (Kienapfel/Schroll StudB BT I³ § 105 Rz 35; Schwaighofer in WK² StGB § 105 Rz 64; RIS‑Justiz RS0092588 [T42]). Feststellungen zu einem derartigen Bedeutungsinhalt der inkriminierten Äußerung, die zur Beurteilung der Tatbestandsmäßigkeit einer gefährlichen Drohung jedoch unbedingt erforderlich wären, weil Drohungen mit bloßer Misshandlung nicht als solche mit einer Verletzung am Körper zu beurteilen sind (Kienapfel/Schroll StudB BT I³ § 105 Rz 40; Jerabek in WK² StGB § 74 Rz 29 mwN), hat das Erstgericht aber nicht getroffen, sondern sich auf die Konstatierung beschränkt, Oliver K***** habe dem Christoph R***** die Nachricht „Du hast gestern etwas begonnen, was nicht gut ausgehen wird für euch! Mit Feuer soll man nicht spielen.“, mittels WhatsApp übermittelt, um den Genannten in Furcht und Unruhe zu versetzen (US 30). Das aufgezeigte Konstatierungsdefizit kann allein durch die einleitenden Passagen zu V./ und V./B./ im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) im Urteilstenor nicht kompensiert werden (RIS‑Justiz RS0114639).
Ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen zu diesem Schuldspruch erübrigt sich daher.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Lorenz K*****:
Die das Androhen einer Verletzung am Körper zum Nachteil des Sohnes der Barbara Sc***** bestreitende Rechtsrüge (richtig: Z 9 lit a) zu V./A./2./ orientiert sich prozessordnungswidrig nicht an den Konstatierungen, wonach der Nichtigkeitswerber Barbara Sc***** „auf die im Spruch genannte Weise“ bedrohte (US 54). Durch den ausdrücklichen Verweis auf den Urteilstenor wird dieser im bezeichneten Umfang zu einem Teil der Feststellungen (vgl Danek , WK‑StPO § 270 Rz 32; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 580; RIS‑Justiz RS0098759 [T6]), sodass die Tatrichter eine Drohung zumindest mit einer Verletzung am Körper feststellten (US 54 iVm US 7).
Zutreffend zeigt die Rechtsrüge (richtig: Z 9 lit a) zu V./B./1./ auf, dass die Konstatierungen die Subsumtion nach § 107 Abs 1 StGB nicht zu tragen vermögen. Zu den für einen Schuldspruch nach dieser Bestimmung erforderlichen Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht kann auf die Ausführungen zur Rechtsrüge des Oliver K***** zu V./B./2./ verwiesen werden.
Diesen Anforderungen entsprechen die Urteilskonstatierungen zu V./B./1./ nicht, wonach der Nichtigkeitswerber Christoph R***** abpasste und zu ihm sagte, „Wenn ich draußen bin, wirst eh sehn, was du davon hast“, um den Genannten damit in Furcht und Unruhe zu versetzen (US 30). Das aufgezeigte Konstatierungsdefizit kann allein durch die einleitenden Passagen zu V./ und V./B./ im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) im Urteilstenor nicht kompensiert werden (erneut RIS‑Justiz RS0114639).
Entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zu XV./A./2./ waren die Tatrichter nicht zur gesonderten Erörterung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. B***** über die mögliche Verursachung der Verletzungen der Melanie Gr***** durch einen Stoß mit dem rechten Ellenbogen und einen nachfolgenden Sturz auf die linke Gesichtshälfte (ON 232 S 99) verpflichtet. Hatte doch der Angeklagte selbst angegeben, er habe mit dem linken Ellenbogen zurückgestoßen (ON 232 S 41) wobei der Sachverständige bei nachfolgender Befragung ausführte, dass das Verletzungsbild bei Melanie Gr***** mit dieser Verantwortung nicht erklärbar sei (ON 232 S 97).
Vielmehr stützten die Tatrichter die bekämpfte Urteilskonstatierung unter dem Aspekt eines Begründungsfehlers mängelfrei auf die mit dem Sachverständigengutachten Dris. B***** in Einklang zu bringende Aussage der Melanie Gr*****, während sie der Verantwortung des Nichtigkeitswerbers nicht folgten, er habe die Genannte wahrscheinlich beim Versuch sich loszureißen mit dem Ellenbogen getroffen (US 44).
Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zu XV./B./ behauptet, es gebe „tatsächlich keinen Beweis, welcher die leugnende Verantwortung des Angeklagten widerlegen könnte“ und kritisiert die Begründung (US 44 f) als „unzureichend“. Im Ergebnis wendet sie sich jedoch bloß mit eigenen Erwägungen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.
Soweit der Nichtigkeitswerber zu diesem Schuldspruch „hilfsweise auch § 281 Abs 1 Z 5a StPO releviert“ versagt die Nichtigkeitsbeschwerde mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung der Nichtigkeit begründenden Tatumstände (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Schuldspruch des Lorenz K***** zu XV./A./1./ ein nicht geltend gemachter Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) zum Nachteil des Nichtigkeitswerbers anhaftet, der von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Wer jemanden mit Gewalt zu einer Unterlassung nötigt, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt, verwirklicht, wenn er mit dem erweiterten Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung handelt, den Tatbestand der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB.
Nach den Urteilsfeststellungen übergab Nadine Kr***** dem Angeklagten Lorenz K***** und seinen Begleitern 20 Euro für die Beschaffung von Suchtgift. Diese entfernten sich jedoch ohne Suchtgift zu übergeben, um Nadine Kr***** mit dem genannten Betrag am Vermögen zu schädigen. Melanie Gr***** verfolgte sie und wollte Lorenz K***** anhalten, um die 20 Euro zurückzubekommen. Um die Anhaltung zu verhindern und im Besitz des Geldes zu bleiben, schlug der Genannte auf Melanie Gr***** ein und trat auf sie hin (US 35, 55).
Dass die Anwendung der Gewalt gegen Melanie Gr***** die Vermögensschädigung unmittelbar herbeiführte (vgl Eder-Rieder in WK2 StGB § 144 Rz 3; Fabrizy, StGB11 § 144 Rz 3) und Lorenz K***** dabei mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz handelte, ist dem Urteil nicht zu entnehmen, sodass die Konstatierungen die Subsumtion nach § 144 Abs 1 StGB nicht zu tragen vermögen.
Aufgrund der demgemäß gebotenen Aufhebung des Schuldspruchs XV./A./1./ erübrigt sich ein Eingehen auf das bezughabende Beschwerdevorbringen.
Zu den (weiteren) amtswegigen Maßnahmen:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil mehrfach nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 9 lit a und Z 11) zum Nachteil der Angeklagten anhaftet, die von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Bezüglich der für die Erfüllung des Tatbestands der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB erforderlichen Feststellungen und die Unmöglichkeit, diese allein durch eine einleitende Passage im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) im Urteilstenor zu ersetzen, kann auf die Ausführungen zur Rechtsrüge des Oliver K***** zu V./B./2./ verwiesen werden.
Diese Anforderungen gelten auch für eine gefährliche Drohung als Mittel der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB. Den Konstatierungen zu IV./B./, wonach Oliver und Lorenz K***** gegenüber Jacek Sm***** äußerten, wenn er seinen „Arsch retten“ wolle, müsse er ein Treffen mit Agonis A***** vereinbaren, ansonsten würden sie ihn fertig machen, um ihn damit zur Anbahnung des Treffens mit Agonis A***** zu bringen, was dieser auch tat (US 31), ist hingegen nicht zu entnehmen, dass der von den Drohenden gewollte Sinn der Äußerung darin lag, beim Bedrohten den Eindruck einer ernstgemeinten Ankündigung der bevorstehenden Beeinträchtigung eines in § 74 Abs 1 Z 5 StGB genannten Rechtsguts zu erwecken.
Gleiches gilt für den Schuldspruch V./C./. Denn die bloße Wiedergabe des Wortes „töten“ macht nicht deutlich, welche konkrete Rechtsgutverletzung iSd § 74 Abs 1 Z 5 StGB damit in Aussicht gestellt werden sollte und ist solcherart nicht geeignet, die Beurteilung der Gefährlichkeit der Drohung zu ermöglichen (RIS‑Justiz RS0092588 [T41]).
Zum Schuldspruch VII./ fehlt es an hinreichenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Betrugs:
In Ansehung des Schuldspruchs VII./A./ mangelt es an der Konstatierung, dass der ‑ zumindest bedingte ‑ Vorsatz des Angeklagten Agonis A***** darauf gerichtet war, einen Vermögensschaden des Getäuschten zu bewirken (vgl US 26 erster Absatz), zu den Schuldsprüchen VII./B./ und C./ darüber hinaus an der Feststellung, dass der Genannte mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz handelte (vgl US 33 f). Die Subsumtion nach § 146 StGB entbehrt daher einer entsprechenden Basis.
Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 286 StGB ist, dass dem Handlungspflichtigen die Vornahme der gebotenen Handlung im konkreten Fall physisch real möglich gewesen wäre (vgl Plöchl in WK² StGB § 286 Rz 9). Zudem setzt der subjektive Tatbestand des § 286 StGB voraus, dass die Verhinderung nicht nur vorsätzlich, sondern auch mit dem Vorsatz unterlassen worden sein muss, dass vorsätzlich eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen werde (sog „Doppelvorsatz“). Damit der subjektive Tatbestand erfüllt ist, muss daher festgestellt sein, dass der Handlungspflichtige Kenntnis von der tatbestandsmäßigen Situation hatte, sich seiner individuellen Handlungsmöglichkeit bewusst war, die Begehung der fremden Vorsatztat wollte und sich dazu entschlossen hat, ihre Ausführung nicht zu verhindern (vgl 15 Os 54/00; Plöchl in WK² StGB § 296 Rz 13).
Diesen Anforderungen genügen die Feststellungen der Tatrichter zu XII./ nicht, wonach der im PKW mitfahrende Veton C***** von dem Plan jemanden auszurauben ebenso wie von der unmittelbar bevorstehenden Tatausführung gewusst und nichts unternommen hat, um die in I./B./ beschriebene Handlung zu verhindern (US 33).
Auch zum Schuldspruch XVI./ vermögen die getroffenen Feststellungen die rechtliche Unterstellung unter § 127 StGB nicht zu tragen:
Die Tatrichter gingen davon aus, dass Lorenz K***** und Abid Ri***** dem Marcel H***** dessen Rucksack entrissen, ihn durchsuchten und die Geldbörse des Genannten an sich nahmen. Abid Ri***** entnahm daraus 5 Euro. Der inzwischen dazugekommene Agonis A***** nahm 20 Euro aus der Geldbörse, um sich durch die Zueignung dieses Betrags unrechtmäßig zu bereichern (US 36). Dass Agonis A***** das Bargeld dem Marcel H***** weggenommen, das heißt den bisher bestehenden Gewahrsam des Genannten gegen dessen Willen beseitigt hat ( Fabrizy , StGB 11 § 127 Rz 1b), ist den Feststellungen nicht zu entnehmen, sondern vielmehr, dass dem Opfer bereits zuvor durch Lorenz K***** und Abid Ri***** die Geldbörse samt dem darin befindlichen Bargeld weggenommen worden war.
Das Konfiskationserkenntnis (§ 19a StGB) hinsichtlich der Angeklagten Jenny L***** leidet an von Amts wegen wahrzunehmender Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO, weil das Erstgericht die ‑ zwingend vorgesehene (§ 19a Abs 2 StGB) ‑ Verhältnismäßigkeits-prüfung unterließ (RIS‑Justiz RS0088035).
Anzumerken bleibt, dass die verfehlte Annahme mehrerer Vergehen des Diebstahls für die Angeklagte Jenny L***** (zu VI./A./2./ und 5./a./; US 15) nicht nachteilig iSd § 290 Abs 1 StPO ist, weil dieser Umstand bei der Strafbemessung nicht als erschwerend gewertet wurde (siehe US 57) und daher Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO nicht vorliegt (RIS‑Justiz RS0113957).
Soweit auch in Ansehung der Angeklagten Agonis A***** (vgl US 16) und Lorenz K***** (vgl US 17) die Bildung von Subsumtionseinheiten unterblieb, ist zufolge Aufhebung der Strafaussprüche zu den Genannten auf die verfehlte Annahme mehrerer Verbrechen des Diebstahls bzw mehrerer Verbrechen und Vergehen des Betrugs ‑ mit Blick auf den zweiten Rechtsgang ‑ ebenso bloß hinzuweisen wie auf die Agonis A***** und Cengiz G***** betreffende verfehlte Annahme eines statt mehrerer Vergehen der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 (§ 81 Abs 1 Z 1) StGB (III./A./ und B./).
Der Kostenausspruch, der die amtswegigen Maßnahmen nicht umfasst (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12), gründet sich auf § 390a StPO.
Von einer vorherigen Zuleitung der Akten an das Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Lorenz K***** gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche betreffend Melanie Gr***** (§ 285i StPO) wurde im Hinblick auf das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen (§ 9 Abs 2 StPO, Art 5 Abs 3 zweiter Satz EMRK) Abstand genommen. Über diese Berufung wird nach Abschluss des Verfahrens erster Instanz zu entscheiden sein.
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