OGH 12Os43/13k

OGH12Os43/13k20.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Juni 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Müller als Schriftführerin in der Strafsache gegen Stefanie T***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 23. Jänner 2013, GZ 163 Hv 117/12i-11a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Nichtvornahme der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch I./ zugrunde liegenden Tat unter § 142 Abs 2 StGB und demzufolge im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Ihr fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch einen unbekämpft gebliebenen Freispruch der Angeklagten enthaltenden - Urteil wurde Stefanie T***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, (richtig:) der Verbrechen der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB (III./) und des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15 Abs 1, 127 StGB (IV./) schuldig erkannt.

Danach hat sie in Wien

I./ im August 2009 Sarah R***** mit Gewalt gegen ihre Person, indem sie ihr eine Ohrfeige versetzte, ihren Gürtel im Wert von 15 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt;

II./ im August 2009 Sarah R***** mit Gewalt, nämlich durch Versetzen einer Ohrfeige, zu einer Handlung, nämlich zum kurzfristigen Überlassen ihres Handys, genötigt;

III./ zwischen der zu I./ genannten Tat und 13. November 2009 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Sarah R***** durch gefährliche Drohung, indem sie diese mehrmals anrief und ihr Schläge androhte, zumindest vier mal zur Übergabe von jeweils 4 Euro, mithin zu Handlungen genötigt, die Sarah R***** am Vermögen schädigten;

IV./ am 1. März 2010 Gewahrsamsträgern des Geschäfts C***** eine Ringpackung im Wert von 4,90 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 10 und Z 10a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Stefanie T*****.

Der sich gegen die Unterstellung der Tathandlungen (Schuldspruch I./) unter § 142 Abs 1 StGB wendenden, eine solche auch unter § 142 Abs 2 StGB anstrebenden Subsumtionsrüge (Z 10) kommt Berechtigung zu.

§ 142 Abs 2 StGB als Privilegierung des Grundtatbestands des § 142 Abs 1 StGB verlangt kumulativ (RIS-Justiz RS0094279), dass der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Werts begangen wurde, die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und es sich nicht um einen schweren Raub (§ 143 StGB) handelte.

Der Beurteilung der Erheblichkeit der Gewalt ist eine gemischt objektiv-subjektive Betrachtung zugrunde zu legen und die persönliche Beschaffenheit des Raubopfers zu berücksichtigen (vgl RIS-Justiz RS0094440, RS0094427; Eder-Rieder in WK2 § 142 Rz 56; Hintersteininger in SbgK § 142 Rz 45).

Vorliegend attestieren die erstgerichtlichen Feststellungen bloß, dass die Angeklagte stärker (US 7), ein Jahr älter und größer als das Raubopfer gewesen sei (US 8). Weil allfällige Drohungen bei der Beurteilung der Erheblichkeit der Gewaltausübung außer Betracht zu bleiben haben (RIS-Justiz RS0094296; Eder-Rieder in WK2 § 142 Rz 56; Hintersteininger in SbgK § 142 Rz 48), mangelt es an Feststellungen zu einer möglichen erheblichen Unterlegenheit des Raubopfers gegenüber der ebenfalls jugendlichen Angeklagten zur verlässlichen Beurteilung, ob die Belastung des Opfers unter Anlegung des gemischt objektiv-subjektiven Maßstabs im Vergleich zu Durchschnittsfällen gering war oder die Erheblichkeitsschwelle des § 142 Abs 2 StGB bereits überschritten hat.

Weiters mangelt es an Feststellungen, die eine Klärung zuließen, ob - angesichts des jedenfalls einer Anwendung des § 142 Abs 2 StGB nicht entgegenstehenden Werts des geraubten Gürtels von lediglich 15 Euro (US 4; RIS-Justiz RS0120079; vgl hiezu Eder-Rieder in WK2 § 142 Rz 59, Hintersteininger in SbgK § 142 Rz 49) - die Tat nicht nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat. Bedeutende tatbestandsmäßige und außertatbestandsmäßige negative Auswirkungen der Tat (RIS-Justiz RS0094501; Eder-Rieder in WK2 § 142 Rz 60; Hintersteininger in SbgK § 142 Rz 51) wurden über die in der rechtlichen Beurteilung ohne Sachverhaltsbezug angeführte Annahme hinaus, wonach die Tat keine unbedeutenden Folgen hatte (US 8), nicht konstatiert.

Die Diversionsrüge hingegen schlägt fehl. Ein Urteil ist nämlich nur dann aus § 281 Abs 1 Z 10a StPO nichtig, wenn die darin enthaltenen Feststellungen bei richtiger Rechtsansicht die Nichtanwendung der Diversion nicht zu tragen vermögen oder wenn Ergebnisse der Hauptverhandlung auf einen Umstand hindeuten, der für die positive Beurteilung der diversionellen Voraussetzungen den Ausschlag gäbe, das Gericht aber keine Feststellungen getroffen hat. Nicht anders als im Fall von Rechts- und Subsumtionsrügen (§ 281 Abs 1 Z 9 und 10 StPO) ist somit Gegenstand der Diversionsrüge der Vergleich der im Urteil getroffenen Konstatierungen mit den Diversionskriterien. Hat das Gericht aus Sicht des Beschwerdeführers zu deren Beurteilung erforderliche Feststellungen nicht getroffen, ist ein Feststellungsmangel geltend zu machen (RIS-Justiz RS0119091).

Diesen Kriterien wird die Beschwerde nicht gerecht, die ohne Bezugnahme auf die erstgerichtlichen Ausführungen (US 10) für jede Straftat isoliert diversionelle Erledigungen begehrt und die gebotene Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Kriterien (Schroll, WK-StPO § 198 Rz 21 ff) - insbesondere der vorliegenden Faktenvielfalt von (richtig) fünf Verbrechen und zwei Vergehen - außer Acht lässt. Im Übrigen ist eine Aufsplitterung in eine diversionelle Reaktion und eine Sanktion nach Schuldspruch unzulässig (Schroll, WK-StPO § 198 Rz 47).

Demzufolge war der Nichtigkeitsbeschwerde in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort Folge zu geben (§ 285e StPO), im Übrigen war sie sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf den kassatorischen Teil der Entscheidung zu verweisen.

Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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