Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden und auch Schuldsprüche mehrerer Mitangeklagter enthaltenden - Urteil wurde Bernhard F***** der Verbrechen nach § 3g erster Fall VerbotsG (A./I./ und A./II./) schuldig erkannt.
Danach haben sich Bernhard F*****, Philipp Sch*****, Simon Schm***** und Anton S***** in Freistadt und anderen Orten in Oberösterreich
A./ auf andere als die in §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt,
I./ indem sie von Frühjahr 2005 bis Sommer 2006 in den Wohnungen von Philipp Sch***** und Simon Schm***** und fallweise auch in einer „für nachfolgende Zwecke beschriebenen“ Gartenhütte anlässlich regelmäßiger Zusammenkünfte „Rechtsrockmusik“ mit im Urteil angeführten Texten hörten und sich dadurch in ihrer nationalsozialistischen bzw rechtsgerichteten Gesinnung bestärkten,
II./ indem sie von Frühjahr 2005 bis Sommer 2006 im Regelfall im Anschluss an die zu I./ beschriebenen Tathandlungen verschiedene Lokale und Festveranstaltungen aufsuchten, sodann vor und in den Lokalen sowie auf dem Nachhauseweg vor allem gegenüber türkischen Staatsangehörigen bzw Menschen türkischer Abstammung nationalsozialistische Parolen, nämlich „Heil Hitler“, „White Power“ sowie „Sieg Heil“ riefen und dabei die rechte Hand zum Hitler-Gruß bzw Kühnen-Gruß hoben, wobei sie dabei auch das Lied „Polacken-Tango“ von der Gruppe Landser mit dem im Urteil angeführten Text sangen.
Mit Beschluss vom 29. Jänner 2010, GZ 25 Hv 9/09z-69, wies die Vorsitzende des Schwurgerichtshofs einen Protokollberichtigungsantrag des Bernhard F***** teilweise ab und begründete dies damit, dass sich aus den handschriftlichen Aufzeichnungen der Schriftführerin sowie aus den Tonbandaufzeichnungen die Richtigkeit des Hauptverhandlungsprotokolls ergebe.
Gegen das Urteil richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 5, 6 und 8 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, gegen den abweisenden Teil des Beschlusses ON 69 eine Beschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Vorweg ist festzuhalten, dass mangels Einbringung einer Rechtsmittelschrift nach der - aufgrund einer partiellen Protokolländerung (ON 69) erforderlich gewesenen - neuerlichen Zustellung der Urteilsausfertigung (S 13 in ON 1) das bereits eingebrachte Rechtsmittel (ON 66) beachtlich ist (vgl Ratz, WK-StPO § 285 Rz 2).
In seiner Verfahrensrüge (Z 5) erachtet der Rechtsmittelwerber seine Verteidigungsrechte durch die Abweisung seines Antrags auf Einvernahme seiner Eltern Herbert und Stefanie F***** (S 72 in ON 52) verletzt. Den Antrag wies der Schwurgerichtshof jedoch zu Recht ab (S 75 in ON 52). Zur Frage der Hörgewohnheiten und der Kleidung des Angeklagten zeigt der Antrag nicht auf, aus welchen Gründen die beantragten Zeugen im Stande sein sollten, lückenlos Auskunft geben zu können, dass ihr Sohn keinerlei Handlungen gesetzt hätte, welche als nationalsozialistische Wiederbetätigung zu werten wären (vgl RIS-Justiz RS0107040; 11 Os 160/08a, JBl 2009, 666). Thema des Zeugenbeweises sind sinnliche Wahrnehmungen, nicht aber Schlussfolgerungen oder sonstige Meinungen wie eine (als Beweisthema behauptete) innere Abneigung oder die Gesinnung einer Person (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 352). Ob der Angeklagte in Gegenwart seiner Eltern „Parolen des NS-Regimes“ verwendete und ob ein bestimmter im Vernehmungsprotokoll aufscheinender Ausdruck im Zuge der Befragung von den Polizeibeamten „vorgeschlagen“ (und nicht - wie im Rechtsmittel angeführt - „vorgegeben“; vgl S 73 in ON 52) wurde, ist für die Beurteilung des Tatverdachts hingegen nicht von Bedeutung (§ 55 Abs 2 Z 1 StPO).
Auch der in der Hauptverhandlung am 16. Oktober 2009 gestellte neuerliche Antrag auf Einvernahme des Herbert F***** (S 3 in ON 54) wurde zu Recht abgewiesen, weil eine Tatbegehung durch Tragen von Emblemen und Schnürstiefeln nicht inkriminiert wurde (vgl S 4 in ON 54; § 55 Abs 2 Z 1 StPO).
Auf die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe für dies Anträge, die vorwiegend spekulative Rückschlüsse aus den behaupteten Beobachtungen der Eltern des Angeklagten betreffen, war nicht weiter einzugehen, weil allein der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag den Gegenstand der Entscheidung des Schwurgerichtshofs bildet. Deshalb prüft der Oberste Gerichtshof dessen Berechtigung stets auf den Antragszeitpunkt bezogen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325; Schroll/Schillhammer, AnwBl 2006, 449; RIS-Justiz RS0099618, RS0099117).
In der Fragenrüge (Z 6) kritisiert der Nichtigkeitswerber die (anklagekonforme) Stellung einer Frage nach einer Mittäterschaft zusammen mit Philipp Sch*****, Simon Schm***** und Anton S*****, weil seiner Meinung nach die Bejahung der Hauptfragen zu einem der drei Mitangeklagten eine entsprechend gleichgelagerte Antwort auf die den Rechtsmittelwerber betreffenden Hauptfragen nach sich ziehe.
Diese bloße Behauptung leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588, 590 iVm § 345 Rz 23), weshalb bei Mittäterschaft in den nach § 312 StPO für jeden einzelnen Angeklagten zu stellenden Hauptfragen (vgl Schindler, WK-StPO § 312 Rz 3 ff) die in der Anklage inkriminierte Beteiligungsform ausgespart bleiben müsste.
Im Übrigen ist durch die Beantwortung der einen Angeklagten betreffenden (Haupt-)Frage - ungeachtet der Beteiligungsform und des vorgeworfenen Mitwirkens anderer Angeklagter - jeweils ausschließlich dessen Schuld zu beurteilen, worauf die Geschworenen auch hingewiesen wurden (siehe Rechtsbelehrung S 23). Eine Verletzung der in den §§ 312 bis 317 StPO enthaltenen Vorschriften zeigt der Beschwerdeführer somit nicht auf.
Die Instruktionsrüge (Z 8) nimmt nicht Maß an der erfolgten schriftlichen Rechtsbelehrung und legt nicht dar, aus welchem Grund trotz des in der Beschwerde übergangenen Verweises auf die im Beratungszimmer aufliegende Belehrung „StPO-Form RMB 1“, wonach es den Geschworenen auch gestattet ist, eine Frage nur teilweise zu bejahen, eine Undeutlichkeit der Belehrung über die Bestimmung des § 330 Abs 2 StPO (vgl S 4 der Belehrung) vorliegen sollte.
Des Weiteren enthält die Rechtsbelehrung - entgegen der Rüge - ohnehin Ausführungen zur für die Verwirklichung des Tatbestands nach § 3g VG erforderlichen inneren Tatseite (Rechtsbelehrung S 45 iVm S 42 zum Wiederbetätigungsvorsatz und S 45 iVm S 43 zur Wahrnehmbarkeit für die Außenwelt und zur tätergewollten Betätigung in nationalsozialistischem Sinn) sowie dahingehend, dass jeder Angeklagte nach seiner Schuld zu bestrafen ist (Rechtsbelehrung S 23).
Die vermisste Belehrung zum Wesen einer nationalsozialistischen Betätigung findet sich teilweise sogar wörtlich im Sinne der Rüge („Ziele des Nationalsozialismus propagiert“ - S 43; „zu neuem Leben erweckt“ - S 41 f) ebenfalls in der in ihrer Gesamtheit zu prüfenden (vgl Philipp, WK-StPO § 321 Rz 18; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 57 ff) Rechtsbelehrung (S 41 ff), was die Beschwerde indes prozessordnungswidrig übergeht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§§ 285i, 344 StPO).
Die Beschwerde gegen den abweisenden Teil des Beschlusses des Landesgerichts Linz vom 29. Jänner 2010, GZ 25 Hv 9/09z-69, die sich auf einen im Hauptverfahrungsprotokoll angeblich unrichtig protokollierten Umstand (eine Passage aus der Aussage des Angeklagten) bezieht, der als Urteilsanfechtungsgrund gar nicht geltend gemacht wurde, ist damit erledigt:
Bezugspunkt der Urteilsanfechtung ist - außer im Fall eines bereits rechtskräftig entschiedenen Protokollberichtigungsantrags und anders als bei (hier nicht interessierender) Aktenwidrigkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 letzter Fall StPO) - der tatsächliche Vorgang oder Umstand, nicht dessen Wiedergabe im Hauptverhandlungsprotokoll (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 312). Zweck der Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls hinwieder ist allein die Sicherstellung des Rechtsmittelerfolgs, was unmissverständlich aus dem gegenüber § 270 Abs 3 zweiter Satz StPO eingeschränkten Kreis der Antragsberechtigten auf eine „zur Ergreifung von Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde berechtigte Partei“ hervorgeht.
Als erheblich im Sinne von § 271 Abs 7 zweiter Satz StPO kommen folgerichtig nur jene Umstände oder Vorgänge in Betracht, die Grundlage des Rechtsmittelvorbringens sein können. Darin besteht demnach der Maßstab für die vom Erstgericht vorzunehmende Erheblichkeitsprüfung (RIS-Justiz RS0120683). Wird dessen Beschluss nicht angefochten, bindet er das über die Urteilsanfechtung entscheidende Rechtsmittelgericht; vorgenommene Ergänzungen oder Berichtigungen führen zu erneuter Urteilszustellung (§ 271 Abs 7 letzter Satz StPO).
Anders, wenn ein nach § 271 Abs 7 zweiter Satz StPO ergangener Beschluss von einer zur Ergreifung von Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde berechtigten Partei angefochten wird. Für einen solchen Fall ordnet § 271 Abs 7 fünfter Satz StPO ausdrücklich die bloß „sinngemäße Geltung“ des § 270 Abs 3 zweiter bis vierter Satz StPO an.
Wäre aufgrund einer Beschwerde isoliert darüber zu befinden, ob ein als erheblich reklamierter Umstand oder Vorgang zum Erfolg der Urteilsanfechtung führen kann, könnte der zu Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung berechtigten Partei die Disposition über die Urteilsanfechtungsgründe genommen werden (vgl EGMR 17. Jänner 2002, Nr 33382/96, Fischer gg Österreich, NL 2002, 16; EGMR 22. Februar 1996, Bulut gg Österreich, Nr 17358/90, NL 1966, 44 = ÖJZ 1996, 430). Andererseits nähme das Beschwerdegericht die Entscheidung über Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung ohne Einhaltung des auf die Erledigung dieser Rechtsmittel bezogenen gesetzlichen Verfahrens in zirkulärer Weise vorweg (vgl dazu im Detail 14 Os 10/10t, 11/10i).
Lediglich der Vollständigkeit halber sei daher angemerkt, dass das Austauschen von Datenträgern mit Musik rechtsradikalen Inhalts keinen Gegenstand dieses Verfahrens bildet, sodass es sich bei der vom Protokollberichtungsantrag thematisierten Frage, zu welchem Zeitpunkt der Beschwerdeführer Kenntnis vom Inhalt der übernommenen CDs hatte, um keinen erheblichen Umstand iSd § 271 Abs 7 zweiter Satz StPO handelt, der für die Beurteilung entscheidungswesentlicher Tatsachen von Bedeutung sein könnte.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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