Spruch:
Die zum Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. Dezember 2011 zu AZ 43 Hv 118/11b nachträglich mit Beschluss vom 22. Jänner 2014 sowie die mit Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 15. Jänner 2013 zu AZ 38 U 83/12f gewährten bedingten Strafnachsichten werden widerrufen.
Mit seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (1./ und 3./) sowie des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB idF vor BGBl I 2015/112 (2./) schuldig erkannt.
Danach hat er am 11. September 2015 in W***** in drei Angriffen (erg: durch Drohung) mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung eines 14 cm langen, spitz zugeschliffenen metallenen Messerteils, somit einer Waffe, anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz abgenötigt bzw dies versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er Nachgenannten den spitzen Messerteil vorhielt,
1./ Luke O***** zwei Euro Bargeld, wobei es infolge Flucht des Opfers beim Versuch blieb;
2./ Stephan W***** zehn Euro Bargeld;
3./ Marcus Pr***** ein Headset und Bargeld, wobei es beim Versuch blieb.
Rechtliche Beurteilung
Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit auf § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt.
Die Mängelrüge kritisiert die tatrichterliche Annahme, der Beschwerdeführer habe dem flüchtenden Luke O***** nachgerufen „I don't want to kill you“, um ihn durch diese explizite Drohung, ihn mit dem Messerteil abzustechen und zu töten, zum Anhalten zu bewegen (US 8), als offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), zumal daraus ein Drohen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nicht abgeleitet werden könne. Sie orientiert sich jedoch der Verfahrensordnung zuwider nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370, RS0116504; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 394), wonach das Erstgericht aus der zuvor erfolgten Bargeldforderung des Angeklagten unter gleichzeitigem Vorhalten eines stichwaffentauglichen Messerteils logisch und empirisch einwandfrei eine konkludente Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben des Tatopfers Luke O***** erschloss (US 8, 16; RIS‑Justiz RS0092343; Eder‑Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 28, 30 ff). Damit spricht sie jedoch bloß das Nachtatverhalten des Nichtigkeitswerbers und solcherart weder einen entscheidenden noch einen erheblichen Umstand an (
zu den Begriffen: Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 399 ff, 409 ff).
Der zu Schuldspruch 3./ erhobene Einwand offenbar unzureichender Begründung noch bestehenden Bereicherungsvorsatzes auf den Vermögenswert des Headsets zum Zeitpunkt des Fehlschlagens des Versuchs infolge Flucht des Opfers mitsamt der ursprünglichen Beute (vgl US 9, 12) verkennt, dass die Tatrichter den Beschwerdeausführungen zuwider nicht die Frage „dahin gestellt“ ließen, ob der Angeklagte ohne Bereicherungsvorsatz bereit gewesen wäre, die Kopfhörer zurückzugeben, sondern ausschließlich jene nach dem nicht entscheidungswesentlichen Umstand, ob der Nichtigkeitswerber „nicht zusätzlich zum Kopfhörer auch noch das (für dessen Rückgabe geforderte) Bargeld geraubt hätte“ (US 12 zweiter Absatz; vgl auch US 17).
In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen.
Zutreffend releviert die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) jedoch die verfehlte Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 39 StGB (US 18 f). Die mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. August 2010 zu AZ 111 Hv 96/10s auf die bedingt nachgesehene (in der Folge widerrufene, jedoch bislang nicht vollzogene) Freiheitsstrafe erfolgte Anrechnung der am 17. Juli 2010 von 00:30 Uhr bis 12:10 Uhr erlittenen polizeilichen Verwahrungshaft (US 6, 18) erfüllt nämlich die Voraussetzung einer in der Dauer von zumindest einem Tag (§ 18 Abs 2 StGB) erfolgten (teilweisen) Strafverbüßung nicht (RIS‑Justiz RS0091350; Flora in WK2 StGB § 39 Rz 4). Dass die ausgesprochene achtjährige Freiheitsstrafe (US 4) innerhalb des ersten Strafrahmens des § 143 StGB idF vor BGBl I 2015/112 ausgemessen wurde, ändert nichts an der aufgezeigten Nichtigkeit des Strafausspruchs (RIS‑Justiz RS0125294; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 668/3, 671; Flora in WK2 StGB § 39 Rz 44). Überdies vermeinte das Erstgericht zu Unrecht, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 StGB ein Strafrahmen von fünf bis 22 ½ Jahre zur Anwendung käme (US 18 f; vgl demgegenüber jedoch Flora in WK2 StGB § 39 Rz 30).
Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde im Strafausspruch, einschließlich der Anrechnung der Vorhaft und des (zu AZ 43 Hv 118/11b des Landesgerichts für Strafsachen Wien und zu AZ 38 U 83/12f des Bezirksgerichts Leopoldstadt gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten) Widerrufsbeschlusses (RIS‑Justiz RS0100194) aufzuheben und die Strafe neu zu bemessen.
Bei der erforderlichen Neubemessung der Strafe ist trotz Inkrafttretens des ‑ keine Übergangsbestimmungen enthaltenden ‑ Strafrechtsänderungsgesetzes 2015, BGBl I 2015/112, mit 1. Jänner 2016 von der Rechtslage im Zeitpunkt des Urteils erster Instanz auszugehen, weil nur der Ausspruch über die Sanktion (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO), nicht aber der Schuldspruch selbst mit Nichtigkeit behaftet ist. Damit hatte es jedoch zu keiner Aufhebung des Schuldspruchs und neuerlichen Entscheidung in der Sache selbst zu kommen, sodass der erstgerichtliche Schuldspruch der Strafneubemessung zu Grunde zu legen war (Ratz, WK‑StPO § 288 Rz 34; 11 Os 95/02 [verst Senat]; RIS‑Justiz
RS0087462 [T1]; vgl auch § 295 Abs 1 StPO).
Als erschwerend waren die einschlägige Vorstrafenbelastung und das Zusammentreffen dreier Verbrechen als mildernd demgegenüber der Umstand zu werten, dass es in zwei Fällen beim Versuch geblieben ist und ein teilweises Geständnis.
Ausgehend von einem Strafrahmen von fünf bis zu 15 Jahren war über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren als den ein bloß geringes Erfolgsunrecht aufweisenden Taten entsprechend und seiner Schuld angemessen zu verhängen.
Die Anrechnung der Vorhaft war dem Erstgericht zu überlassen.
Im Hinblick auf die einschlägige Vordelinquenz und die Wirkungslosigkeit bisher gewährter mehrfacher bedingter Strafnachsicht waren mit Blick auf die Erfordernisse der Spezialprävention die dem Angeklagten zum Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. Dezember 2011, AZ 43 Hv 118/11b, nachträglich mit Beschluss vom 22. Jänner 2014 gemäß § 40 SMG sowie die mit Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 15. Jänner 2013, AZ 38 U 83/12f, jeweils gewährten bedingten Strafnachsichten zu
widerrufen (§ 53 Abs 1 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 4 StPO).
Mit seiner Berufung und seiner (implizierten) Beschwerde (§ 498 Abs 3 StPO) war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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