OGH 12Os157/13z

OGH12Os157/13z28.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel‑Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Moritz als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef P***** wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, AZ 505 Hv 97/12b des Landesgerichts Korneuburg, über den Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0120OS00157.13Z.0828.000

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts Korneuburg vom 15. Juni 2012, GZ 505 Hv 97/12b‑61, wurde Josef P***** des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat verurteilt, deren Vollzug gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Danach hat er am 8. Juli 2010 in V***** eine fremde Sache, nämlich die Wasserleitung am Grundstück Nr 362 der Wassergenossenschaft K***** unbrauchbar gemacht, indem er die frisch verlegten Wasserrohre unter Zuhilfenahme eines Kettenbaggers herausriss, wobei durch die Tat ein 300 Euro nicht übersteigender Schaden entstand.

Seiner dagegen erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 17. Oktober 2013, AZ 23 Bs 199/13b, mit der Maßgabe nicht Folge, dass die Freiheitsstrafe gemäß § 31 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 15. März 2012, AZ 505 Hv 56/10w, als Zusatzstrafe anzusehen ist (ON 69).

Das Erstgericht traf im Wesentlichen folgende Feststellungen:

Nachdem bereits seit Jahren diverse Streitpunkte zwischen Josef P***** und den Siedlern am K***** II, die eine Wassergenossenschaft gegründet hatten, bestanden, errichtete diese eine neue Rohrleitung, die über mehrere Grundstücksparzellen des Grundstücks Nr 362 verlief und auf dem Grundstück der Ehegattin des Angeklagten Nr 362/14 endete. Am 8. Juli 2010 wurden an dem neu verlegten Wasserrohr auf dem Grundstück der Waltraud P***** Abschlussarbeiten durchgeführt, sodass in der Folge die einzelnen Häuser am K***** an das sanierte und neu verlegte Wasserrohr angeschlossen werden sollten.

An diesem Tag veranlasste Josef P***** die Freilegung der Wasserleitung, riss das auf dem Grundstück seiner Gattin gelegene Rohr in einer Länge von 1,5 m heraus und schüttete anschließend die Künette wieder zu.

Die neu verlegte Wasserleitung verlief auch außerhalb der Parzelle der Waltraud P***** und war durch das Herausreißen des Rohres derart beschädigt, dass sie für ihre Zwecke in ihrem gesamten Verlauf - also auch außerhalb der Parzelle der Ehegattin des Angeklagten - völlig unbrauchbar wurde.

Schließlich nahm das Erstgericht als erwiesen an, der Angeklagte sei nicht davon ausgegangen, dass er zu der geschilderten Handlung zum Schutz des Eigentums seiner Ehefrau berechtigt gewesen sei (US 2 f).

Dagegen richtet sich der Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens des Verurteilten, in dem dieser eine Verletzung von Art 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK und von Art 6 Abs 1 EMRK behauptet.

Rechtliche Beurteilung

Der Antrag ist zulässig, aber offenbar unbegründet:

Für einen ‑ wie hier ‑ nicht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützten Erneuerungsantrag, bei dem es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, gelten alle gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und Abs 2 EMRK sinngemäß (RIS-Justiz RS0122737).

Demnach hat ‑ weil die Opfereigenschaft nach Art 34 EMRK nur anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 13 Rz 16) ‑ auch ein Erneuerungsantrag gemäß § 363a StPO per analogiam deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine (vom angerufenen Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende) Grundrechtsverletzung im Sinn des § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (RIS-Justiz RS0122737 [T17]). Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS‑Justiz RS0124359) und ‑ soweit er (auf Grundlage der Gesamtheit der Entscheidungsgründe) nicht Begründungsmängel aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen zu wecken vermag ‑ seine Argumentation auf Basis der Tatsachenannahmen der bekämpften Entscheidung zu entwickeln (RIS‑Justiz RS0125393 [T1]).

Ferner kann der Oberste Gerichtshof erst nach Rechtswegausschöpfung angerufen werden. Dem Erfordernis der Ausschöpfung des Rechtswegs wird entsprochen, wenn von allen effektiven Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht wurde (vertikale Erschöpfung) und die geltend gemachte Konventionsverletzung zumindest der Sache nach und in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften im Instanzenzug vorgebracht wurde (horizontale Erschöpfung; vgl RIS-Justiz RS0122737 [T13]).

Dem wird der Erneuerungsantrag nicht gerecht:

Die Behauptung einer Verletzung des Rechts auf Schutz des Eigentums, weil unberechtigterweise eine Wasserleitung über das Grundstück seiner Ehefrau geführt worden sei, begründet per se keine Konventionsverletzung durch den wider den Antragsteller ergangenen Schuldspruch, sodass insoweit keine Opfereigenschaft anzunehmen ist (Grabenwarter/Pabel, MRK5 § 13 Rz 16 ff, 44).

Aber auch der daraus „im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung“ abgeleitete Einwand mangelnder Rechtswidrigkeit angesichts der „Abwehr eines rechtswidrigen Eingriffs“ bleibt bereits jegliche Begründung schuldig, weshalb behördliche Hilfe zu spät gekommen wäre, um den rechtmäßigen Zustand wieder herzustellen, und er solcherart zu Selbsthilfe (§§ 19, 344 ABGB) berechtigt gewesen wäre (vgl Lewisch in WK2 StGB Nach § 3 Rz 165 f).

Ebenso wenig dringt der Erneuerungswerber mit der Reklamation unangemessener Verfahrensdauer von über drei Jahren seit der Anzeigeerstattung am 8. Juli 2010 durch. Denn zur Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art 35 Abs 1 EMRK bedarf es zur Geltendmachung einer darin gelegenen Verletzung von Art 6 Abs 1 EMRK mit Erneuerungsantrag (anders als zur Einforderung des Milderungsgrundes nach § 34 Abs 2 StGB) auch der vorherigen Einbringung jener Anträge, die wirksam Abhilfe gegen eine Verzögerung versprechen. Als ein solcher ist im gerichtlichen Verfahren ‑ ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren hat im vorliegenden Fall nicht stattgefunden (ON 1 S 1) ‑ ein Fristsetzungsantrag gemäß § 91 GOG anzusehen (15 Os 52/12d mwN). Da der Verurteilte die Ergreifung dieses innerstaatlichen Rechtsbehelfs unterlassen hat, steht dem Erneuerungsantrag in diesem Punkt das Fehlen der Rechtswegausschöpfung (Art 35 Abs 1 EMRK) entgegen.

Im Übrigen erweist sich auch die auf § 418 ABGB gestützte Kritik, wonach die Entfernung einer rechtswidrig verlegten Leitung durch den Grundeigentümer keinen Straftatbestand begründen könne, der Sachverhalt also zu Unrecht dem Tatbestand des § 125 StGB unterstellt worden sei, schon deshalb ‑ wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat ‑ als unberechtigt, weil die Wasserleitung durch die Tathandlung auch für die anderen Grundeigentümer unbrauchbar wurde.

Der Erneuerungsantrag war daher gemäß § 363b Abs 2 Z 3 StPO bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen.

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