OGH 12Os137/17i

OGH12Os137/17i19.4.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. April 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Patrick G***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen, durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 2, 130 vierter Fall, 15 Abs 1 StGB idF vor BGBl I 2015/112 und einer weiteren strafbaren Handlung AZ 30 Hv 14/15g des Landesgerichts Salzburg über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 1. Juni 2015, GZ 30 Hv 14/15g‑185, und einen weiteren Vorgang erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Gföller, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00137.17I.0419.000

 

Spruch:

Im Verfahren verletzen das Gesetz

1./ das Urteil vom 1. Juni 2015 in dem Patrick G***** betreffenden Strafausspruch in § 36 StGB (idF BGBl I 2001/19);

2./ der Beschluss vom 1. Juni 2015, mit welchem Patrick G***** aus einem Rest der mit diesem Urteil unbedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe bedingt entlassen wurde, in § 265 Abs 1 StPO iVm § 46 Abs 1 und Abs 2 StGB.

Das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 1. Juni 2015, GZ 30 Hv 14/15g‑185, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in dem Patrick G***** betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) – gemeinsam mit dem damit untrennbar verbundenen Beschluss über die bedingte Entlassung und die Anordnung von Bewährungshilfe – aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Für das ihm zur Last liegende Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen, durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 2, 130 vierter Fall, 15 Abs 1 StGB sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB, jeweils in der Fassung vor BGBl I 2015/112, wird Patrick G***** unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB sowie des § 36 StGB iVm §§ 19 Abs 1, 5 Z 4 JGG nach § 130 zweiter Satz StGB idF vor BGBl I 2015/112 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten verurteilt, von der gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Strafteil von zehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.

Der durch den Eintritt der Rechtskraft bereits in Gang gesetzte Lauf der Probezeit wird durch diese Entscheidung nicht berührt.

Die Vorhaftanrechnung wird aus dem Ersturteil übernommen.

Gründe:

Mit dem – sogleich in Rechtskraft erwachsenen und gekürzt ausgefertigten – Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 1. Juni 2015, GZ 30 Hv 14/15g‑185, wurde unter anderem der am 31. August 1993 geborene Patrick G***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen, durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 2, 130 vierter Fall, 15 Abs 1 StGB (I./) sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II./) – jeweils idF vor BGBl I 2015/112 – schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 130 zweiter Satz StGB aF zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt, von der gemäß § 43a Abs 3 StGB ein zwölfmonatiger Strafteil unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Die vom Angeklagten in der Zeit vom 23. Oktober 2013, 19:07 Uhr, bis zum 2. April 2014, 8:00 Uhr, im Verfahren AZ 30 Hv 124/14g (des Landesgerichts Salzburg) und vom 14. Oktober 2014, 18:20 Uhr, bis zum 28. November 2014, 8:00 Uhr, vom 12. Jänner 2015, 8:00 Uhr, bis zum 2. Februar 2015, 13:20 Uhr, und vom 4. Februar 2015, 7:20 Uhr, bis zum 1. Juni 2015, 19:37 Uhr, jeweils im gegenständlichen Verfahren erlittene Vorhaft wurde – auch hinsichtlich der Haftzeiten aus dem erstgenannten Verfahren zu Recht (vgl RIS‑Justiz RS0108399; ON 32 in AZ 37 Hv 93/15a des Landesgerichts Salzburg) – gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB auf diese Strafe angerechnet (US 5). Mit zugleich gefasstem Beschluss gewährte das erkennende Gericht gemäß § 265 Abs 1 StPO iVm § 46 Abs 1 und Abs 2 StGB – ebenfalls unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit – die bedingte Entlassung aus dem „nach Verbüßung von zwei Drittel des unbedingten Strafenteils verbleibenden Strafrest von zwei Monaten“ (US 6).

Nach dem Schuldspruch hat Patrick G***** in S***** und andernorts

I./ (mehrheitlich im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit anderen) fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt 3.000 Euro übersteigenden Wert nachstehenden Geschädigten teils durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er diese Taten in der Absicht begangen hat, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

1./ in der Zeit zwischen 15. August 2013 und 6. Oktober 2013 Verfügungsbefugten der M***** GmbH in ca 20 Angriffen Bargeld in Höhe von zumindest 40 Euro sowie Zeitungen unbekannten Wertes, teilweise durch Aufbrechen von Zeitungskassen, somit von Behältnissen;

2./ am 1. August 2014 Auguste G***** durch Aufbrechen eines Fensters und der Wohnungstüre einen Safe unbekannten Wertes, einen ein Kilogramm schweren Goldbarren im Wert von ca 30.000 Euro, eine Fassung eines goldenen Feuerzeugs unbekannten Wertes, eine Perlenkette im Wert von 1.090 Euro, weiteren Schmuck unbekannten Wertes sowie Bargeld in unbekannter Höhe;

...

4./ am 26. Juli 2014 Adolf K***** einen SAT‑Receiver sowie ein Kabel im Gesamtwert von 80 Euro und vier weiteren bislang unbekannten Geschädigten unbekannte Sachen durch Aufbrechen der Türen bzw Fenster von fünf Schrebergartenhütten, wobei die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind;

5./ am 10. September 2014 Verfügungsbefugten des Unternehmens I***** zwei externe Festplatten im Gesamtwert von 189,80 Euro sowie einen portablen Lautsprecher im Wert von 29,90 Euro;

6./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 11. September 2014 in F***** Verfügungsbefugten der S***** GmbH zwei Modelleisenbahn-Lokomotiven der Marke „Rocco“ im Gesamtwert von 570 Euro;

7./ am 14. Oktober 2014 Verfügungsbefugten des Unternehmens B***** Arbeitsbekleidung im Gesamtwert von 46 Euro;

8./ am 14. Oktober 2014 Verfügungsbefugten des Unternehmens T***** ein T-Shirt im Wert von 7,99 Euro;

9./ am 21. Juli 2014 durch Aufbrechen eines Kellerfensters des Gasthofs „*****“ Mirwais Ko***** eine Sporttasche, Bekleidung sowie eine Brieftasche unbekannten Wertes und einer unbekannten Geschädigten ein Mobiltelefon unbekannten Wertes;

II./ Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, und zwar

1./ am 1. August 2014 ein Sparbuch der Auguste G*****;

...

3./ am 21. Juli 2014 einen Reisepass des Mirwais Ko*****.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht der Patrick G***** betreffende Strafausspruch des Urteils des Landesgerichts Salzburg vom 1. Juni 2015, GZ 30 Hv 14/15g‑185, und der gemeinsam mit diesem Urteil ergangene Beschluss auf bedingte Entlassung mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Laut dem Urteilstenor (RIS‑Justiz RS0125764; US 2 f) betrafen die Qualifikationsumstände des schweren Diebstahls und des Diebstahls durch Einbruch sowie die daraus resultierende gewerbsmäßige Tatbegehung nach § 130 vierter Fall StGB nur vor Vollendung seines 21. Lebensjahres am 31. August 2014 begangene Straftaten des Angeklagten als junger Erwachsener (Urteilsfakten I./1./, 2./, 4./ und 9./). Die danach als Erwachsener begangenen Taten waren auch in Summe nicht wertqualifiziert.

Ungeachtet der Subsumtionseinheit des § 29 StGB wäre daher – auch angesichts der rechtlichen Selbstständigkeit der einzelnen Straftaten (vgl Ratz in WK2 StGB § 29 Rz 7) – bei Bestimmung des Strafrahmens auf das Alter des Angeklagten unter 21 Jahren bei Erfüllung der strafsatzbestimmenden Qualifikation der gewerbsmäßigen Begehung der Einbruchsdiebstähle nach § 130 vierter Fall StGB abzustellen gewesen (Schroll in WK2 JGG 1988 [Kommentierung 2010 zur Fassung vor BGBl I 2015/154] § 5 Rz 5 ff mwN; RIS‑Justiz RS0086930 [T1]; vgl auch nunmehr § 5 Z 11 JGG; aA [zur Rechtslage vor BGBl I 2015/154] Ratz in WK2 StGB § 29 Rz 14 mwN). Nach dem Absorptionsprinzip des § 28 Abs 1 StGB (demzufolge die strengste Strafobergrenze sowie die strengste Mindeststrafe maßgeblich sind; Fabrizy, StGB12 § 28 Rz 4; Ratz in WK2 StGB § 28 Rz 2, 7) wäre sodann von einem konkret anzuwendenden Strafrahmen (nach § 130 zweiter Fall StGB in der Fassung vor BGBl I 2015/112 iVm § 36 dritter Satz StGB idF BGBl I 2001/19) von sechs Monaten bis zu zehn Jahren auszugehen gewesen.

Schon die rechtsirrige – dem Verurteilten zum Nachteil gereichende (§ 292 letzter Satz StPO) – Nichtanwendung der Strafbemessungsvorschrift des § 36 StGB (idF BGBl I 2001/19) verletzt unabhängig davon, ob die verhängte Strafe die Grenzen der gesetzlichen Strafbefugnis tangiert, das Gesetz (RIS‑Justiz RS0116127).

Eine bedingte Entlassung des Patrick G***** aus dem mit diesem Urteil unbedingt ausgesprochenen Strafteil kam schon begrifflich nicht mehr in Betracht, weil die Sanktion (zwei Monate Freiheitsstrafe) durch die Vorhaftanrechnung bereits zur Gänze verbüßt war (RIS‑Justiz RS0126180). Zufolge der Bestimmung einer dreijährigen Probezeit war ein dem Verurteilten nachteiliger Ausfluss dieser Gesetzesverletzung nicht auszuschließen (vgl 13 Os 123/12f).

Der Oberste Gerichtshof sah sich daher veranlasst, das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 1. Juni 2015, GZ 30 Hv 14/15g‑185, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in dem Patrick G***** betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) – gemeinsam mit dem damit untrennbar verbundenen Beschluss über die bedingte Entlassung und die Anordnung von Bewährungshilfe – aufzuheben.

Bei der damit erforderlichen Strafneubemessung war zu berücksichtigen, dass seit dem am 1. Jänner 2016 in Kraft getretenen JGG-ÄndG 2015 der Strafrahmen im vorliegenden Fall gemäß § 36 StGB iVm §§ 19 Abs 1, 5 Z 4 JGG nunmehr ohne Untergrenze bis zu zehn Jahren reicht. Grundsätzlich ist zwar im Fall, dass es nach dem Urteil erster Instanz zu einer – wie hier keine Übergangsbestimmungen enthaltenden – Gesetzesänderung kommt, bei Kassation des Sanktionsausspruchs (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO) ohne neuerlicher Entscheidung in der Schuldfrage der erstgerichtliche Schuldspruch und damit auch der dort zur Anwendung gebrachte Strafsatz der Strafneubemessung zu Grunde zu legen (vgl 12 Os 165/15k mwN). Da es sich vorliegend aber um eine neue mildere Strafrahmenvorschrift und nicht um ein die Subsumtion beeinflussendes Strafgesetz handelt, war – im Sinne der Intention des Gesetzgebers – der jetzt anzuwendende Strafrahmen der Strafneubemessung zu Grunde zu legen (Ratz, WK‑StPO § 288 Rz 35).

Als mildernd war das umfassende und reumütige Geständnis, der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, die eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit und das Alter unter 21 Jahren bei einem Großteil der Fakten, erschwerend hingegen das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit zwei Vergehen, zwei einschlägige Vorverurteilungen, die Tatwiederholung zu I./ sowie die Delinquenz während anhängigen Verfahrens zu werten.

Ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu zehn Jahren war über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten als dem Unrecht der Taten entsprechend und seiner Schuld angemessen zu verhängen. Gemäß § 43a Abs 3 StGB war ein Strafteil von zehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen.

Der durch den Eintritt der Rechtskraft bereits in Gang gesetzte Lauf der Probezeit wird durch das Vorgehen im Sinn des § 292 letzter Satz StPO nicht berührt (RIS‑Justiz RS0118011), was im Spruch des Erkenntnisses deklarativ festgehalten wurde (vgl RIS‑Justiz RS0092039).

Die Vorhaftanrechnung war aus dem Ersturteil zu übernehmen.

Über eine allfällige neuerliche Anordnung der zwischenzeitig aufgehobenen (ON 238) Bewährungshilfe wird das Erstgericht zu entscheiden haben.

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