OGH 12Os105/19m

OGH12Os105/19m15.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Vasile B***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 erster und zweiter Fall), 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Vasile B***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16. Mai 2019, GZ 16 Hv 16/19d‑146, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00105.19M.1015.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Vasile B***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil das auch unbekämpft gebliebene Schuldsprüche zweier Mitangeklagter und einen Freispruch eines Mitangeklagten enthält, wurde Vasile B***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 erster und zweiter Fall), 15 StGB schuldig erkannt und unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf ein rechtskräftiges Urteil eines französischen Gerichts nach § 128 Abs 2 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Danach hat er als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, bestehend aus dem Genannten, den Mitangeklagten Stefan I***** und Ludovic F***** sowie den abgesondert verfolgten Marin S*****, Nora Br***** und Karalin K*****, die (US 8:) als ein auf längere Zeit angelegter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen darauf ausgerichtet war, dass von ihren Mitgliedern Einbruchsdiebstähle in Juweliergeschäfte in Österreich und (US 8:) anderen europäischen Staaten ausgeführt werden, unter Mitwirkung (§ 12 StGB) von anderen Mitgliedern dieser Vereinigung und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Diebstählen (§ 128 Abs 1 Z 5 StGB) und von Einbruchsdiebstählen (§ 129 Abs 1 Z 1 StGB) längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB), Gewahrsamsträgern nachstehender Unternehmen fremde bewegliche Sachen in einem jeweils 5.000 Euro, insgesamt 300.000 Euro übersteigenden Wert mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Einschlagen der Panzerscheiben von Schaufenstervitrinen, sohin durch Einbruch in einen anderen umschlossenen Raum, weggenommen und wegzunehmen versucht, und zwar

A./ mit Stefan I*****

1./ am 12. April 2015 in L***** Uhren und Schmuck im Wert von 63.910 Euro zum Nachteil der S.***** Ges.m.b.H. & Co KG, wobei es wegen der Widerstandsfähigkeit der Vitrine beim Versuch blieb;

2./ am 13. April 2015 in K***** Uhren und Schmuck im Wert von 96.500 Euro zum Nachteil der O.***** Ges.m.b.H., wobei es wegen der Widerstandsfähigkeit der Vitrine beim Versuch blieb;

3./ am 14. April 2015 in G***** Uhren im Wert von 85.108,46 Euro zum Nachteil der H***** GmbH & Co KG;

B./ mit Stefan I***** und Ludovic F***** am 25. August 2015 in G***** Uhren im Wert von 156.550 Euro zum Nachteil der H***** GmbH & Co KG.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus Z 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Vasile B***** kommt keine Berechtigung zu.

Die Mängelrüge releviert ausschließlich zu A./ die Begründung der Konstatierungen zur Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung als unvollständig (Z 5 zweiter Fall) und offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall). Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte auch den Einbruchsdiebstahl zu B./ als Mitglied einer kriminellen Vereinigung verübt (US 8 f iVm US 2 f). Damit spricht die Mängelrüge mit Blick auf die gemäß § 29 StGB zu bildende Subsumtionseinheit keine entscheidende Tatsache an (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 401; ders in WK 2 StGB § 29 Rz 5 ff; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.114; RIS‑Justiz RS0113903).

Im Übrigen wurden die Gründe der Tatrichter für die Annahme der Tatbegehung des Beschwerdeführers als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit mängelfrei dargelegt (US 9 bis 11). Mit der pauschalen Behauptung, die angegebenen Gründe seien unzureichend und nicht überzeugend genug, wird kein Begründungsdefizit iSd Z 5 dargetan, sondern vielmehr bloß unzulässig die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung kritisiert (vgl RIS‑Justiz RS0098471). Entgegen der weiteren Beschwerdekritik (Z 5 zweiter Fall) wurde auch die eine Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers nicht übergangen (vgl US 9). Das Erstgericht war jedoch – dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend – nicht verhalten, im Urteil den vollständigen Inhalt seiner Aussage im Einzelnen zu erörtern und darauf zu untersuchen, wieweit er für oder gegen die Feststellungen spricht (RIS‑Justiz RS0098377 [insb T17]).

Der Einwand der Sanktionsrüge (nominell Z 11 dritter Fall), wonach durch die Verhängung der Zusatzfreiheitsstrafe in unvertretbarer Weise „gegen die Bestimmungen der §§ 31, 34 und 40 StGB“ verstoßen worden sei, weil angesichts der verhängten Freiheitsstrafe von fünf Jahren durch das Vor-Urteil des französischen Gerichts bei gemeinsamer Aburteilung „eine Freiheitsstrafe von höchstens fünf Jahren angemessen“, daher „von einer Zusatzstrafe gemäß § 40 zweiter Fall StGB abzusehen“ gewesen wäre, stellt bloß ein Berufungsvorbringen dar (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 730; RIS‑Justiz RS0099985, RS0099892).

Die Behauptung der Nichtberücksichtigung des französischen Urteils bei der Strafbemessung übersieht die gegenteiligen tatrichterlichen Ausführungen auf US 12 iVm US 3 und 5.

Soweit die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) die Überschreitung des Strafrahmens durch Verhängung der Zusatzfreiheitsstrafe releviert, weil das Erstgericht – den Grundsatz der Spezialität des § 31 EU‑JZG verletzend – irrig von einem Strafrahmen bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen sei, obwohl im Europäischen Haftbefehl nur eine Höchstgrenze von fünf Jahren Freiheitsstrafe aufscheine, ist sie nicht im Recht.

Vorliegend wurde Vasile B***** aufgrund eines Europäischen Haftbefehls von den französischen Justizbehörden an Österreich übergeben, der sich auf die vier im gegenständlichen Urteilsspruch angeführten Tathandlungen bezog, wobei zu einem Faktum eine konkrete Schadenssumme und daraus folgend der Verdacht eines insgesamt 300.000 Euro übersteigenden Schadens noch nicht bekannt waren. Ausgehend davon erfolgte die rechtliche Qualifikation im Europäischen Haftbefehl (bloß) nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 2 StGB (ON 66 S 4 f).

Der Grundsatz der Spezialität (§ 31 EU-JZG, § 70 ARHG) bezieht sich stets auf die Tat als tatsächlichen Lebenssachverhalt (RIS‑Justiz RS0087147 [T3]). Es darf also nur jener historische Lebenssachverhalt eine Strafverfolgung der übergebenen Person in Österreich auslösen, der Gegenstand des Europäischen Haftbefehls ist. Jener Sachverhalt, der der Strafverfolgung in Österreich zu Grunde liegt, und jener, auf den sich der Europäische Haftbefehl bezieht, müssen übereinstimmen (Identität der Tat). Unter Wahrung der Tatidentität ist auch eine rechtliche Beurteilung der Tat im österreichischen Strafurteil zulässig, die von der (juristischen) Qualifikation im Europäischen Haftbefehl abweicht (RIS‑Justiz RS0087147 [T4]; Hinterhofer in WK 2 EU‑JZG § 31 Rz 14; ebenso Göth-Flemmich in WK 2 ARHG § 70 Rz 6).

Dass das Erstgericht durch den im Europäischen Haftbefehl angegebenen Strafrahmen beschränkt wäre, ist § 31 EU‑JZG – entgegen dem Vorbringen der Sanktionsrüge – nicht zu entnehmen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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