European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00075.17I.0410.000
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dahir S***** sowie aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt,
betreffend die Angeklagten Araaye A***** und Mohamed Sh***** in der rechtlichen Unterstellung des dem Schuldspruch I./A./ zu Grunde liegenden Sachverhalts unter § 28a Abs 4 Z 2 SMG,
betreffend Dahir S***** in der rechtlichen Unterstellung des dem Schuldspruch I./A./ zu Grunde liegenden Sachverhalts unter § 28a Abs 2 Z 2 SMG sowie weiters
hinsichtlich sämtlicher Angeklagter in der rechtlichen Unterstellung des dem Schuldspruch I./B./ zu Grunde liegenden Sachverhalts unter § 28 Abs 3 SMG, des dem Schuldspruch II./A./ zu Grunde liegenden Sachverhalts unter § 31a Abs 3 SMG sowie des dem Schuldspruch II./B./ zu Grunde liegenden Sachverhalts unter § 31 Abs 3 SMG,
demzufolge auch in sämtlichen Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnungen) sowie in den hinsichtlich A***** und Sh***** ergangenen Beschlüssen gemäß § 494a StPO aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten sowie jene der Staatsanwaltschaft verworfen.
Mit ihren Berufungen und Beschwerden werden die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Den Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen (prozessual verfehlten – RIS‑Justiz RS0117261) Freispruch der drei Angeklagten enthält (US 6), wurden A***** und Sh***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 dritter Fall, Abs 2 Z 3, Abs 4 Z 2 SMG, § 15 StGB (I./A./), S***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 dritter Fall, Abs 2 Z 2 und Z 3 SMG, § 15 StGB (I./A./) sowie – darüber hinaus – A*****, Sh***** und S***** je des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall, Abs 3 SMG (I./B./), des Handels mit psychotropen Stoffen nach § 31a Abs 1 dritter Fall, Abs 2, Abs 3 SMG, § 15 StGB (II./A./) und der Vorbereitung des Handels mit psychotropen Stoffen nach § 31 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2, Abs 3 SMG (II./B./) schuldig erkannt.
Danach haben Araaye A*****, Mohamed Sh***** und Dahir S***** in Wien seit zumindest Dezember 2015 bis 8. März 2016 „als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung“ vorschriftswidrig
I./ Suchtgift, und zwar von Kath‑Stauden abgetrennte Zweigspitzen mit Blättern, beinhaltend mindestens 0,014 % Cathinon,
A./ in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge aus Österreich
1./ ausgeführt, indem sie per Post 500 kg (beinhaltend 70 Gramm Cathinon) in Paketen an verschiedene nordeuropäische Adressen verschickten;
2./ auszuführen versucht, und zwar 31,36 kg, beinhaltend 4,45 Gramm Cathinon, wobei es beim Versuch blieb, weil sie auf frischer Tat bei der Postaufgabestelle betreten wurden;
B./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem sie zumindest 338,7 kg (Reinsubstanz 48,09 Gramm Cathinon) zu Zwecken der versandfertigen Paketierung und Versendung ins Ausland in angemieteten Depots und in einem Kellerabteil lagerten;
II./ einen psychotropen Stoff in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 31b SMG) übersteigenden Menge, und zwar die in Punkt I./ genannten Teile von Kath- Pflanzen beinhaltend mindestens „1,614 %“ [richtig: 0,1614 %] Cathin
A./ durch die in I./A./ beschriebene Tathandlung (857,6 Gramm Reinsubstanz) aus Österreich ausgeführt bzw auszuführen versucht;
B./ durch die in I./B./ beschriebene Tathandlung (546,66 Gramm Reinsubstanz) mit dem Vorsatz besessen, dass er in Verkehr gesetzt werde.
Rechtliche Beurteilung
Ihre dagegen gerichteten Nichtigkeitsbeschwerden gründen die Angeklagten A***** auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO, Sh***** auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO, S***** auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a, 10 und 11 StPO sowie die Staatsanwaltschaft auf § 281 Abs 1 Z 5, 10 und 11 StPO.
Soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung stellte das Erstgericht in objektiver Hinsicht Folgendes fest:
Im Dezember 2015 beschlossen die Angeklagten gemeinsam mit Suchtgift und psychotropen Stoffen zu handeln und übernahmen zu diesem Zweck – von Kurieren aus Kenia und Äthiopien letztlich nach Österreich gebrachte – Kartons mit von Kath-Stauden abgetrennten Zweigspitzen und Blättern in bereits trockenem Zustand. Auch bereits getrocknete Blätter und Blattspitzen enthalten das Suchtgift Cathinon und den psychotropen Stoff Cathin. Die übernommene „Ware“ wurde in drei Lagerräumen verstaut und später zur Wohnung des Sh***** verbracht, wo sie in Paketen zu je 8 kg versandfertig gemacht wurden. Im Februar und März 2016 wurden 66 Kartons tatsächlich nach Nordeuropa versandt, am 8. März 2016 versuchten die Angeklagten weitere vier Kartons mit Kath-Blättern postalisch aufzugeben (US 7–9).
1./ Zum Vorgehen gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO:
Bereits aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur davon (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass die Entscheidungsgründe (US 7 ff) keine hinreichende Sachverhaltsgrundlage für die vorgenommene Subsumtion des A***** und Sh***** (zu I./A./) angelasteten Täterverhaltens auch nach § 28a Abs 4 Z 2 SMG (US 3 und 15) bieten:
§ 28a Abs 4 Z 2 SMG qualifiziert Straftaten nach Abs 1 der genannten Bestimmung, wenn sie als Mitglied einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung solcher Straftaten begangen werden, wobei insofern – in quantitativer Hinsicht – ein Richtwert von etwa 10 Personen anzunehmen ist (RIS‑Justiz RS0114841 [T1], RS0129650, RS0066542; Fabrizy, Suchtmittelrecht6 § 28a Rz 17; Schwaighofer in WK2 SMG § 28a Rz 41; Plöchl in WK2 StGB § 278a Rz 7).
Vorliegend konstatierten die Tatrichter nur (US 7), dass die Angeklagten wussten, dass sich hier „mehr als drei Personen zusammengefunden hatte[n], um Kath-Blätter nach Nordeuropa über Österreich zu verbringen, dass dies die Ein- und Ausfuhr sowie Überlassung großer Mengen dieser Blätter betrifft und dass sie sich durch das Lagern und Versenden an dieser Vereinigung beteiligten“, wobei sie sich– dies „bedenkend und billigend in Kauf nehmend“ – dazu entschlossen, „laufend diese Blätter zu übernehmen, zu lagern und weiterzusenden“.
Diese Urteilsannahmen vermögen einen (auf längere Zeit ausgerichteten) Zusammenschluss einer größeren Anzahl von Personen schon in quantitativer Hinsicht nicht zu begründen (vgl Plöchl in WK2 StGB § 278a Rz 6 ff), was aber essentielle Voraussetzung einer rechtsrichtigen Subsumtion des Sachverhalts (auch) nach § 28a Abs 4 Z 2 SMG wäre.
Wie im Folgenden (zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*****) dargestellt werden wird, reichen diese Konstatierungen auch für eine Beurteilung des Geschehens als im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangener Suchtgifthandel (§ 28a Abs 2 Z 2 bzw Abs 4 Z 1 SMG), im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangener Handel mit psychotropen Stoffen (§ 31a Abs 3 SMG) sowie der Vorbereitung eines solchen (§ 28 Abs 3 SMG bzw § 31 Abs 3 SMG) nicht aus (siehe unten).
Dieses Konstatierungsdefizit betrifft gleichermaßen die korrespondierenden Schuldsprüche der Angeklagten A***** und Sh***** und erfordert auch sie betreffend die Aufhebung der – auf die Tatbegehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gegründeten – rechtlichen Unterstellung des Urteilssachverhalts unter § 28 Abs 3 SMG (I./B./), § 31a Abs 3 SMG (II./A./) und § 31 Abs 3 SMG (II./B./).
2./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*****:
Weshalb das Suchtgift Cathinon und der psychotrope Stoff Cathin nicht bereits mit dem Abernten (demnach mit der mechanischen Trennung der Zweigspitzen und Blätter von der lebenden Kath-Pflanze) als erzeugt (bzw gewonnen) iSd § 27 Abs 1 Z 1 SMG, § 28a Abs 1 SMG, § 30 Abs 1 SMG und § 31a Abs 1 SMG anzusehen und in dieser Gestalt tauglicher Gegenstand der weiteren Begehungsformen der genannten strafbaren Handlungen sein sollten, vermag die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht überzeugend darzulegen. Sie unternimmt – unter Hinweis auf eine vorliegend gewählte Untersuchungsmethode nach Einweichen und Zermahlen der Suchtgiftproben (US 8) sowie unter Bezugnahme auf Internetquellen, Zielsetzungen der durch die SMG‑Novelle 2007 eingeführten Straftatbestände (vgl ErläutRV 301 BlgNR 23. GP 8 ff), die von Birklbauer/Keplinger (in SMG4 30 f) und Schwaighofer (in JSt 2015/5, 481) vertretenen Lehrmeinungen (vgl dazu: RIS‑Justiz RS0118429 [T2, T8]) und einen von Zeder (in der Entscheidungsbesprechung JSt 2015/2, 149) referierten Standpunkt – den Versuch, die These plausibel zu machen, es handle sich bei den abgeernteten, cathinon- und cathinhältigen (US 8) Bestandteilen der Kath-Staude per se um kein Suchtgift und keinen psychotropen Stoff, weil eine derartige Substanz erst durch einen – das Kauen simulierenden (US 8) – „Verarbeitungsprozess“ „hergestellt“ werden müsse.
Diese – unter Ablehnung der (insofern maßgeblichen) Entscheidung 15 Os 21/15z (RIS‑Justiz RS0129963 = EvBl 2015/100, 702) vorgetragene – Argumentation erklärt nicht, weshalb es für die Einstufung als Suchtgift (im Sinn der Suchtgift-Grenzmengenverordnung) bzw als psychotroper Stoff (im Sinn der Psychotropen-Grenzmengenverordnung) darauf ankommen sollte, auf welche konkrete Art die Substanz vom Konsumenten eingenommen (dh dem Körper zugeführt) wird – werden doch auch andere Suchtgifte zum Konsum „verarbeitet“ (etwa Heroin durch Erhitzen mit Ascorbinsäure oder Zermahlen).
Die Subsumtionsrüge (Z 10) reklamiert unzureichende Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite in Ansehung des Überschreitens der Grenzmenge.
Bei Problematisierung der Tatbestandsmäßigkeit (auch) in Betreff getrockneter Blätter entfernt sich die Beschwerde von den erstrichterlichen Feststellungen (US 8), wonach auch in durch Zeitablauf trocken gewordenen Blättern der Kath-Pflanze die verpönten Wirkstoffe enthalten sind.
Zu den Ausführungen Zeders (JSt 2015/2, 149) und Schwaighofers (in JSt 2015/5, 481) sei bemerkt, dass die Argumentation mit § 27 Abs 1 Z 2 und Z 3 SMG idF der SMG‑Novelle 2007 die in 15 Os 21/15z enthaltene Ableitung nicht widerlegt:
Z 2 leg cit war aufgrund Art 2 Abs 1 lit b iVm Art 4 Abs 1 des RB 2004/757/‑RI des Rates vom 25. Oktober 2004 (abgedruckt bei Matzka/Zeder/Rüdisser SMG3, 581 ff) in den österreichischen Normenbestand einzufügen (ErläutRV 301 BlgNR 23. GP , 8 und 10 f). Weder daraus noch aus § 27 Abs 1 Z 3 SMG ist zwingend etwas für die im Gegenstand in Rede stehende Tatbestandsmäßigkeit zu gewinnen. Die Behauptung, es handle sich bei den Blättern der Kath-Pflanze bloß um ein leichtes, Koffein vergleichbares Rauschmittel, lässt außer Acht, dass Cathinon und Cathin – im Gegensatz zu Koffein – in den einschlägigen Verordnungen ausdrücklich enthalten sind.
Nach den Konstatierungen des Erstgerichts war den Angeklagten „laienhaft bewusst“, dass in den „im Spruch [vgl US 2] angeführten Mengen“ (US 8) an Kath-Blättern [mit den darin enthaltenen Reinsubstanzen von 70 Gramm, 4,45 Gramm und 48,09 Gramm des Suchgifts Cathinon sowie 857,6 Gramm und 546,66 Gramm des psychotropen Stoffs Cathin; US 3] sucht- und abhängigkeitserzeugende Substanzen mit berauschender und psychotroper Wirkung enthalten sind, deren Konsum eine Gefährdung der psychischen und physischen Gesundheit mit Suchtpotential darstellen kann (US 8). Zwar war ihnen nicht genau bewusst, ob und inwieweit Cathinon und Cathin einerseits die Wirksubstanz darstellt und in welchem Verhältnis diese Stoffe zueinander stehen (US 9), sie rechneten aber aufgrund der Menge und des Gewichts der trockenen Pflanzen ernstlich damit, dass es sich hier um besonders große Mengen der Inhaltsstoffe handeln kann, was sie billigend in Kauf nahmen. Demnach wussten sie nach Laienart Bescheid, dass sie vorschriftswidrig Suchtgift und psychotrope Stoffe in einer ein Fünfzehnfaches der Grenzmenge übersteigenden Menge besaßen, hatten dabei den Vorsatz, dieses auch in Verkehr zu setzen (US 8), und es war ihnen nach Art und Qualität der Kath-Blätter auch laienhaft bewusst, dass sie vorschriftswidrig Suchtgift und psychotrope Stoffe in einer die fünfzehnfache Grenzmenge übersteigenden Menge ausführten, und dies billigend in Kauf nahmen (US 9).
Die Beschwerde erklärt nicht, weshalb diese Konstatierungen (US 2 und 7 ff) die vorgenommene rechtliche Beurteilung von Suchtgifthandel und (Vorbereitung von) Handel mit psychotropen Stoffen, jeweils in einer die fünfzehnfache Grenzmenge übersteigenden Menge (§ 28a Abs 1 dritter Fall, Abs 2 Z 3 SMG [I./A./], § 31a Abs 1 dritter Fall, Abs 2 SMG [II./A./] und § 31 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG [II./B./]) sowie von Vorbereitung des Suchtgifthandels in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge (§ 28 Abs 1 zweiter Fall SMG [I./B./]) nicht tragen sollten.
Den vom Nichtigkeitswerber zur Untermauerung seiner Darlegungen angegebenen Entscheidungen 14 Os 131/08h, 14 Os 84/10z und (richtig:) 14 Os 52/10v liegen andere Sachverhaltskonstellationen zu Grunde; aus der weiters ins Treffen geführten Kommentarstelle (Litzka/Matzka/Zeder, SMG2 § 28b Rz 10) ist insofern ebenfalls nichts zu gewinnen.
Zu Recht kritisiert die – den Entfall der Qualifikationen nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG (zu I./A./), nach § 28 Abs 3 SMG (zu I./B./), nach § 31a Abs 3 SMG (zu II./A./) sowie nach § 31 Abs 3 SMG (zu II./B./) anstrebende – Subsumtionsrüge (Z 10) die Annahme der Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung. Denn die insofern maßgeblichen, zuvor bereits wiedergegebenen Urteilskonstatierungen (US 7) bringen weder das notwendige zeitliche Element eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses (Plöchl in WK² StGB § 278 Rz 8; Fabrizy StGB12 § 278 Rz 3 f; RIS‑Justiz RS0125232) noch die (auch subjektiv) erforderliche kriminelle Zielsetzung des Personenzusammenschlusses zum Ausdruck, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung Verbrechen (§ 17 Abs 1 StGB; vorliegend etwa Suchtgifthandel in Bezug auf die Grenzmenge übersteigende Suchtgiftquanten oder Handel mit psychotropen Stoffen in Bezug auf eine das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigende Menge) ausgeführt werden (Plöchl in WK2 StGB § 278 Rz 11 und 19 ff; Schwaighofer in WK2 SMG § 27 Rz 79 ff und § 28a Rz 33).
Die gegen die Nichtannahme der Privilegierungen des § 28a Abs 3 zweiter Fall SMG iVm § 27 Abs 5 SMG (zu I./A./), des § 28 Abs 4 SMG iVm § 27 Abs 5 SMG (zu I./B./), des § 31a Abs 4 SMG iVm § 27 Abs 5 SMG (zu II./A./) und des § 31 Abs 4 SMG iVm § 27 Abs 5 SMG (zu II./B./) vorgetragene Beschwerdekritik des Angeklagten S***** macht einen Feststellungsmangel lediglich zur Zweckorientierung des Handelns (§ 27 Abs 5 zweite Voraussetzung SMG) geltend und bleibt solcherart unschlüssig, weil auf die Gewöhnung als die zweite kumulativ notwendige Privilegierungsvoraussetzung gar nicht eingegangen wird (11 Os 60/14d ua).
Mit Blick auf die – zufolge Aufhebung der rechtlichen Unterstellung des dem Schuldspruch I./A./ zugrunde liegenden Sachverhalts unter § 28a Abs 2 Z 2SMG notwendige – Kassation des Strafausspruchs erübrigt sich ein Eingehen auf die Sanktionsrüge (Z 11).
Zur Anregung eines Vorgehens gemäß Art 89 Abs 2 B‑VG:
Der Verfassungsgerichtshof hat über Antrag der drei Angeklagten eine Überprüfung der (Verfassungs-)Gesetzmäßigkeit der im Punkt 4. des Anhangs der Suchtgift-Grenzmengenverordnung (SGV) festgesetzten Grenzmenge von 4,0 Gramm für Cathinon und der im Punkt 1. des Anhangs der Psychotropen-Grenzmengenverordnung (PGV) festgesetzten Grenzmenge von 8,0 Gramm für Cathin mit Beschluss vom 9. Juni 2017, V 48‑49/2017‑6, gemäß Art 139 Abs 1b B‑VG abgelehnt. Der Oberste Gerichtshof sieht keine Gründe für eine neuerliche Antragstellung (siehe dazu im Übrigen RIS‑Justiz RS0130514).
3./ Zur (verbleibenden) Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sh*****:
Weshalb das Suchtgift Cathinon und der psychotrope Stoff Cathin nicht bereits mit der mechanischen Trennung der Zweigspitzen und Blätter von der lebenden Kath-Pflanze als erzeugt (bzw gewonnen) iSd § 27 Abs 1 Z 1 SMG, § 28a Abs 1 SMG, § 30 Abs 1 SMG und § 31a Abs 1 SMG anzusehen und in dieser Gestalt Gegenstand der weiteren Begehungsformen der genannten strafbaren Handlungen sein sollten, macht auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) dieses Nichtigkeitswerbers nicht klar. Unter Bezugnahme auf die – Kauen simulierende – Methodeder Suchtgiftuntersuchung (US 8) und eine vom Bundesministerium für Justiz zu GZ BMJ‑S703.006/0002‑IV 2/2014 vertretene Rechts-auffassung (US 10) erschöpft sie sich ebenfalls in der These, es handle sich bei den abgeernteten (cathinon- und cathinhältigen, US 8) Bestandteilen der Kath-Staude per se um keine dem Suchtmittelgesetz unterliegende Substanz, sondern es müsse eine solche erst „extrahiert“ werden (vgl aber US 8). Insofern ist auf das oben – zur gleichgerichteten Rechtsrüge des Angeklagten S***** – bereits Ausgeführte zu verweisen.
4./ Zur (verbleibenden) Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A*****:
Die Mängelrüge (Z 5) kritisiert, das Erstgericht habe bei Feststellung der subjektiven Tatseite des Nichtigkeitswerbers „stillschweigend das Bewusstsein hinsichtlich der Droge in Somalia und die rechtliche Problematik bei der Einordnung der Kath-Pflanze als Suchtgift“ „übergangen“, verabsäumt aber eine – dem Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) entsprechende – Bezeichnung konkreter, angeblich nicht erörterter Verfahrensresultate (RIS‑Justiz RS0124172); vielmehr hält sie den Feststellungen zur Intention des – bereits einschlägig wegen Suchtgiftdelinquenz in Zusammenhang mit Kath-Pflanzen vorbestraften – Nichtigkeitswerbers (US 7 ff) nur den eigenen Standpunkt entgegen, wonach die Eigenschaft der Kath-Pflanze als Suchtgift „gerade nicht“ von dessen Vorsatz „erfasst“ gewesen und „aufgrund der gleichwertigen, eher sogar bevorzugten Behandlung der Kath-Blätter gegenüber alkoholischen Erzeugnissen zum Zwecke der leichten Berauschung in Somalia ein Bewusstsein des Rechtsmittelwerbers darüber, dass die getrockneten Blätter aufgrund ihrer vermeintlichen Eigenschaft als Suchtgift den Grenzmengenverordnungen unterliegen, jedenfalls auszuschließen“ sei.
Dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider ist der hier vom Erstgericht vorgenommene Schluss vom gezeigten Verhalten des Angeklagten auf dessen innere Tatseite (US 7 und 9) nicht unstatthaft (RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882).
Auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) dieses Nichtigkeitswerbers wendet sich – unter Wiedergabe dervom Bundesministerium für Justiz zu GZ BMJ‑S703.006/0002‑IV 2/2014 (vgl US 10) vertretenen sowie von Birklbauer/Keplinger (SMG4 31), Zeder (JSt 2015/2, 149) und Schwaighofer (JSt 2015/5, 481) geteilten Rechtsmeinungen (dazu: RIS‑Justiz RS0118429 [T2, T8]) sowie der Darstellung eines (auszugsweisen) Berichts der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) – gegen die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (15 Os 21/15z = EvBl 2015/100, 702 = RIS‑Justiz RS0129963) und behauptet, es handle sich bei den abgeernteten, cathinon- und cathinhältigen Bestandteilen der Kath-Staude um keine dem Suchtmittelgesetz unterliegende Substanz, sondern es müssten frische Kath-Blätter „zumindest gekaut“ und getrocknete Kath-Blätter „mit heißem Wasser aufgebrüht und getrunken werden“. Insofern ist auf das oben – zur gleichgerichteten Rechtsrüge des Angeklagten S***** – bereits Ausgeführte zu verweisen.
Soweit die Subsumtionsrüge (Z 10) nur reklamiert, die in der Suchtgift-Grenzmengenverordnung (gemeint wohl:) und der Psychotropen-Grenzmengenverordnung enthaltenen Grenzmengen betreffend Cathinon und Cathin seien – angesichts diesbezüglicher Berichte der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) und im Vergleich zur deutschen Rechtslage – als „gesetzwidrig“ zu erachten, verfehlt sie den aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO eröffneten Anfechtungsrahmen (RIS‑Justiz RS0099810).
Mit Blick auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 9. Juni 2017, V 48‑49/2017‑6, besteht auch keine Veranlassung zu einer – auch von diesem Nichtigkeitswerber angeregten – Befassung dieses Höchstgerichts (siehe dazu im Übrigen neuerlich RIS‑Justiz RS0130514).
5./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staats-anwaltschaft:
Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) kritisiert die bei Feststellung des Reinheitsgehalts der tatverfangenen Substanzen (mit 0,014 % Cathinon [US 2 und 8] und [richtig:] 0,1614 % Cathin [US 3 und 8]) unterlassene Erörterung der Expertise des Sachverständigen Dr. Andreas H***** (ON 45) sowie dessen Bekundungen in der Hauptverhandlung (ON 79 S 6 f):
Im vorliegenden Fall wurde (der bei der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH tätige) Dr. H***** von der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren als Sachverständiger bestellt (ON 19) und nahm für die Anklagebehörde eine Analyse von Proben getrockneter Kath-Pflanzen vor (ON 45). Zur Hauptverhandlung am 26. August 2016 wurde Dr. H***** nicht als Sachverständiger, sondern als Zeuge geladen (ON 68 S 2) und über den Zustand der von ihm untersuchten Proben sowie seine Vorgangsweise befragt (ON 79 S 6 ff). Daraufhin fasste das erkennende Gericht den Beschluss, die Hauptverhandlung zur Einholung eines Gutachtens zu vertagen (ON 79 S 10). Sodann wurde Univ.‑Prof. Dr. Martin Sch***** als Sachverständiger bestellt und beauftragt (ON 93), die von der Bundespolizeidirektion Wien nach dem Zufallsprinzip auszuwählenden und zu übermittelnden repräsentativen Proben der sichergestellten Kath-Pflanzen zu untersuchen, „indem das Konsumverhalten bei getrockneten Blättern simuliert wird“, wobei dem Sachverständigen auch die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen zugestanden wurde. In der Folge erstatteten Univ.‑Prof. Dr. Manfred K***** eine medizinische Analyse (ON 103) und Univ.‑Prof. Dr. Sch***** sein (schriftliches) Gutachten (ON 106 samt Ergänzung ON 113).
In der Hauptverhandlung am 22. März 2017 wurde das Gutachten „erörtert“ und „ON 103“ „verlesen“ (ON 120 S 5), weiters „gemäß § 252 Abs 2a StPO der wesentliche Akteninhalt vorgetragen“ und insofern „auf wortwörtliche Verlesung einverständlich verzichtet“ (ON 120 S 9).
Dementsprechend wurden die Einschätzungen des im Ermittlungsverfahren befassten Experten (ON 45) nicht Gegenstand einer (nicht einmal beantragten) mündlichen Gutachtenserörterung, was allenfalls dazu hätte dienen können, die in der Nichtigkeitsbeschwerde angesprochenen Divergenzen (betreffend den Reinheitsgehalt der tatverfangenen Substanzen) zu hinterfragen. Da dies unterblieb, bedurften Schlussfolgerungen des in der Hauptverhandlung lediglich als Zeugen befragten Dr. H***** auch keiner Erörterung im Urteil (RIS‑Justiz RS0097540 [insbes T18]; vgl auch RS0098139 [T3], RS0115646 [T11], RS0097292 [T18, T21]). Die Beurteilung der Verlässlichkeit des von Univ.‑Prof. Dr. Sch***** erstatteten Gutachtens unterliegt hingegen als Beweisfrage allein der Einschätzung des erkennenden Gerichts (RIS‑Justiz RS0097433).
Die weiteren, von der Anklagebehörde geltend gemachten Nichtigkeitsgründe (§ 281 Abs 1 Z 10 und 11 StPO) bedürfen angesichts der schon von Amts wegen erfolgten Aufhebungen keiner Erörterung.
Ein Eingehen auf das Vorbringen der Sanktionsrüge (Z 11) betreffend die Heranziehung eines Strafrahmens von einer Freiheitsstrafe „von einem bis 15 Jahren“ beim Angeklagten S***** (US 15) erübrigt sich – bereits mit Blick auf die erforderliche Kassation des Strafausspruchs – gleichermaßen.
Im weitgehenden Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S***** sowie aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden von Amts wegen – ebenso wie die hinsichtlich der Angeklagten A***** und Sh***** ergangenen Beschlüsse gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO und § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO – wie aus dem Spruch ersichtlich aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zu verweisen.
Im Übrigen – ebenso in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Drittangeklagten – waren die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten sowie jene der Staatsanwaltschaft zu verwerfen.
Mit ihren Berufungen (und Beschwerden) waren die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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