OGH 15Os21/15z

OGH15Os21/15z16.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. März 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Romig BA als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mahamed H***** und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 505 Hv 16/15w des Landesgerichts Korneuburg, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten H***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 12. Jänner 2015, AZ 19 Bs 368/14b (ON 28 des Hv‑Akts), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00021.15Z.0316.000

 

Spruch:

 

Mahamed H***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

 

Gründe:

Über Mahamed H***** wurde mit Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 19. Dezember 2014, (nunmehr) GZ 505 Hv 16/15w‑14, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 und Abs 2 Z 3 SMG und des Verbrechens des Handels mit psychotropen Stoffen nach § 31a Abs 1 und Abs 2 SMG die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht‑, Verdunkelungs‑ und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1, Z 2 und Z 3 lit a StPO verhängt.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien der dagegen erhobenen Beschwerde des Mahamed H***** nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft aufgrund dringenden Tatverdachts wegen mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall SMG und mehrerer Vergehen des Handels mit psychotropen Stoffen nach § 31a Abs 1 zweiter Fall SMG aus den Haftgründen der Flucht‑ und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a StPO fort.

Nach den Annahmen des Beschlusses hat er am 17. Dezember 2014 in Schwechat im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Abay B***** vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) achtfach übersteigenden Menge sowie psychotrope Stoffe in einer die Grenzmenge (§ 31b SMG) sechsfach übersteigenden Menge, nämlich „Kath‑Pflanzen“ (richtig: von diesen abgetrennte Zweigspitzen mit Blättern; BS 3 iVm ON 30) in einem Gesamtgewicht von 110 kg (brutto), beinhaltend 33 g Cathinon und 55 g Cathin, von Äthiopien mit dem Flugzeug nach Österreich eingeführt (BS 2).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des (zwischenzeitig) Angeklagten Mahamed H*****, die weder den vom Beschwerdegericht angenommenen objektiven Tathergang noch die herangezogenen Haftgründe, sondern allein die Strafbarkeit der zur Last gelegten Tat bestreitet. Der Beschwerdeführer wendet im Wesentlichen ein, die von ihm (nach Österreich) eingeführten „Kath‑Stauden“ würden zwar möglicherweise Suchtgift (Cathinon) und psychotrope Stoffe (Cathin) beinhalten, doch wären diese verbotenen Substanzen noch nicht aus den Pflanzen bzw Pflanzenteilen abgesondert worden. Da die Beschränkungen betreffend den Besitz, den Handel und die Einfuhr verbotener Substanzen nach § 2 Abs 4 SMG nur für Mohnstroh und die Cannabispflanze gelten würden, stünden der Besitz und die Einfuhr von Blättern oder sonstigen Teilen des „Kath‑Strauchs“ solange nicht unter Strafe, als die (verbotenen) Substanzen aus diesen Pflanzen oder aus deren Teilen nicht abgesondert oder gewonnen wurden.

Die Beschwerde ist nicht im Recht:

Suchtgifte im Sinn des SMG sind gemäß § 2 Abs 1 leg cit Stoffe und Zubereitungen, die durch die Einzige Suchtgiftkonvention 1961, BGBl 1978/531 (ESK), Beschränkungen hinsichtlich der Erzeugung (Gewinnung und Herstellung), des Besitzes, Verkehrs, der Ein‑, Aus‑ und Durchfuhr, der Gebarung oder Anwendung unterworfen und mit Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend (taxativ) als Suchtgifte bezeichnet sind.

Als Suchtgifte im Sinn des SMG gelten nach dessen § 2 Abs 2 ferner Stoffe und Zubereitungen, die durch die Psychotropenkonvention 1971, BGBl III 1997/148, Beschränkungen iSd Abs 1 unterworfen, in den Anhängen I und II dieses Übereinkommens enthalten und im Hinblick darauf, dass sie aufgrund ihrer Wirkung und Verbreitung ein den Suchtgiften iSd Abs 1 vergleichbares Gefährdungspotenzial aufweisen, mit Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Suchtgiften gleichgestellt sind. Dazu zählen nach § 1 Abs 2 SV (ua) die im Anhang V.1. dieser VO erfassten Stoffe und Zubereitungen, darunter auch Cathinon, dessen Grenzmenge (§ 28b SMG) laut Punkt 4. des Anhangs zur SGV mit 4 g festgesetzt ist.

Psychotrope Stoffe im Sinn des SMG sind zufolge § 3 Abs 1 leg cit Stoffe und Zubereitungen, die durch die Psychotropenkonvention 1971 Beschränkungen iSd § 2 Abs 1 SMG unterworfen, in den Anhängen III und IV dieses Übereinkommens enthalten und mit Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend als psychotrope Stoffe bezeichnet sind. Gemäß § 1 Abs 1 PV sind dies die im Anhang dieser Verordnung erfassten Stoffe, darunter (in Punkt 1.) Cathin, dessen Grenzmenge (§ 31b SMG) laut Punkt 1. im Anhang zur PGV 8 g beträgt.

Damit steht Mahamed H***** ‑ nach den (in der Beschwerde nicht in Frage gestellten, sämtliche zur Beurteilung der Tat enthaltenden [vgl RIS‑Justiz RS0120817]) Sachverhaltsannahmen des Oberlandesgerichts (BS 2) ‑ in dringendem Verdacht, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Abay B***** vorsätzlich (BS 5 ff) und vorschriftswidrig 110 kg (brutto) von „Kath‑Pflanzen“ abgetrennte Zweigspitzen mit Blättern, die 33 g Cathinon ‑ somit Suchtgift iSd § 2 Abs 2 SMG ‑ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge, und 55 g Cathin ‑ demnach einen psychotropen Stoff (§ 3 Abs 1 SMG) ‑ in einer die Grenzmenge (§ 31b SMG) ebenfalls mehrfach übersteigenden Menge enthielten, von Äthiopien mit dem Flugzeug nach Österreich eingeführt und insoweit die (hafttragenden) Tatbestände der §§ 28a Abs 1 zweiter Fall, 31a Abs 1 zweiter Fall SMG verwirklicht zu haben.

Der auf § 2 Abs 4 SMG bezogene Einwand, wonach nur die dort genannten Pflanzen den in Abs 1 leg cit angeführten Beschränkungen unterliegen, nicht aber sonstige (wie hier „Kath‑Stauden“), aus welchen die verbotene Substanz noch nicht „abgesondert“ oder „gewonnen“ wurde, schlägt fehl, zumal sich diese Bestimmung auf Mohnstroh und die Cannabispflanze, somit auf solche Pflanzen oder Pflanzenteile bezieht, bei welchen es sich per se um keine Suchtgifte handelt (Litzka/Matzka/Zeder, SMG2 § 2 Rz 25). Denn der Begriff „Mohnstroh“ umfasst alle Teile (außer den Samen) des Opiummohns nach dem Mähen (vgl Art 1 Abs 1 lit r ESK), wobei Suchtgift hier erst dann vorliegt, wenn dem Mohnstroh durch weitergehende besondere Behandlung ‑ etwa durch Auskochen ‑ das Mohnstrohkonzentrat entzogen wurde. Die Cannabispflanze wiederum enthält erst dann den ‑ ein Suchtgift iSd § 2 Abs 1 SMG darstellenden (vgl Anhang V.1. zur SV) ‑ Wirkstoff THC, wenn sie Blüten‑ oder Fruchtstände gebildet hat. Mit der Bestimmung des § 2 Abs 4 SMG wird demnach bei den dort genannten Pflanzen nicht das Ende des Reife‑ bzw des Verarbeitungsprozesses abgewartet, sondern der Geltungsbereich des SMG auf Mohnstroh und die Cannabispflanze ausgedehnt, um solcherart den Missbrauch von Cannabis und Mohnstrohkonzentrat effektiv hintanhalten zu können (siehe zum Ganzen Hinterhofer/Rosbaud SMG §§ 1‑4 Rz 12).

Hingegen stellt sich im vorliegenden Fall die Frage eines weiteren Reife‑ oder Verarbeitungsprozesses nicht, weil ‑ den unwidersprochenen Sachverhaltsannahmen des Beschwerdegerichts zufolge ‑ die von § 2 Abs 1 und § 3 Abs 1 SMG erfassten und demnach verbotenen Substanzen in den sichergestellten Pflanzenteilen bereits enthalten sind und ihr Konsum weder einer besonderen weiteren „Gewinnung“ der von den Trägerpflanzen bereits abgetrennten „Kath‑Stauden“ (BS 3: „Zweigspitzen und junge Blätter des Kathstrauchs“) noch deren weiterer Bearbeitung bedarf, sondern allein durch Kauen dieser Blätter und anschließendes Schlucken des austretenden Saftes unmittelbar erfolgt.

Das Suchtgift Cathinon und der psychotrope Stoff Cathin sind daher bereits mit dem Abernten (= mechanische Trennung der Zweigspitzen und Blätter von der lebenden Kath‑Pflanze) als erzeugt (gewonnen) iSd § 27 Abs 1 Z 1, § 28a Abs 1, § 30 Abs 1, § 31a Abs 1 SMG anzusehen (vgl RIS‑Justiz RS0124029), sodass sie in dieser Gestalt Gegenstand der weiteren Begehungsformen der genannten strafbaren Handlungen sein können.

Würde man die Meinung vertreten, dass die genannten Suchtmittel in der praktisch bedeutsamen Anwendung erst durch den Konsum erzeugt und besessen werden, hätte dies die kriminalpolitisch unvertretbare Konsequenz, dass nur der (sich selbst schädigende) Konsument als unmittelbarer Täter strafbar wäre, die fremdschädigenden Begehungsformen der Ein‑ und Ausfuhr sowie des in Verkehr Setzens größerer Mengen des konsumfertigen Produkts hingegen nicht wirksam (§ 12 dritter Fall StGB, § 27 Abs 1 [oder § 30 Abs 1] SMG) oder ‑ sofern der spätere Endabnehmer noch nicht ins Versuchsstadium des Konsums eingetreten ist ‑ gar nicht (vgl Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 108 ff) erfasst wären.

Eine vom Beschwerdeführer behauptete ‑ und (wie von ihm insoweit zu Recht moniert) im materiellen Strafrecht zum Nachteil des Angeklagten unzulässige (§ 1 Abs 1 StGB) ‑ analoge Anwendung des § 2 Abs 4 SMG auf „Kath‑Stauden“ liegt daher nicht vor.

Im Rahmen der nach § 10 GRBG iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO gebotenen amtswegigen Überprüfung der rechtlichen Subsumtion verdient überdies die durch die SMG‑Novelle 2007, BGBl I 2007/110, in den Rechtsbestand aufgenommene Bestimmung des § 27 Abs 1 Z 3 SMG Beachtung. Danach handelt iSd § 27 Abs 1 SMG (auch) tatbestandsmäßig, wer vorschriftswidrig psilocin‑, psilotin- oder psilocybinhältige Pilze einem anderen anbietet, überlässt, verschafft oder zum Zweck des Suchtgiftmissbrauchs anbaut. In den bezughabenden Gesetzesmaterialien (ErläutRV 301 BlgNR 23. GP  11) wird mit Blick darauf, dass die Stoffe Psilocin, Psilotin und Psilocybin im Anhang V.1. der Suchtgiftverordnung zwar aufgelistet, aber Pflanzen, die diese Substanzen enthalten, nicht ausdrücklich genannt sind, der Standpunkt vertreten, „dass Pilze als Organismen nach dem strengen Wortlaut der SV eigentlich nicht vom Suchtmittelregime umfasst und daher auch nicht als Suchtgift zu behandeln wären, weil es sich dabei weder um die in der SV genannten Stoffe in Substanz, noch um eine Zubereitung daraus handelt“.

Eine abschließende Regelung der Frage, ob von lebenden Pflanzen abgeerntete Bestandteile derselben, die verbotene Substanzen im Sinn der SV oder der PV enthalten, grundsätzlich nur soweit dem Regelungsregime des SMG unterstehen, als diese Pflanzen in der SV oder der PV auch ausdrücklich genannt sind, lässt sich aus § 27 Abs 1 Z 3 SMG nicht erkennen. Vielmehr zielt die in Rede stehende Bestimmung darauf ab, den besonderen Umständen bei derartigen Pilzen ‑ die (auch in Österreich) in der freien Natur wachsen oder in speziellen Aufzuchtsboxen unter bestimmten Bedingungen selbst gezüchtet und nach der Ernte ohne vorherige Trennung des Inhaltsstoffes bzw des Suchtgiftes von der „Pflanze“ als Ganzes konsumiert werden können ‑ Rechnung zu tragen und deren rechtliche Qualifikation insoweit abschließend klarzustellen, dass (wohl als Reaktion auf die bis dahin herrschende Rechtsprechung, wonach die an solchen Pilzen begangenen Tathandlungen ohne weiteres jenen an der verbotenen Substanz gleichgestellt wurden; vgl dazu Litzka/Matzka/Zeder, SMG2 § 27 Rz 54) nur das Anbieten, Überlassen oder Verschaffen sowie der Anbau zum Zweck des Suchtgiftmissbrauchs vom strafrechtlichen Suchtmittelregime umfasst sein sollen (ErläutRV 301 BlgNR 23. GP  12; vgl RIS‑Justiz RS0125174).

Ein Umkehrschluss dahingehend, dass damit sämtliche Tathandlungen ‑ somit auch jene Begehungsweisen, die über eigene Gewahrsamserlangung hinausgehen und mit der Gefahr der Weiterverbreitung verbunden sind (vgl Schwaighofer in WK2 SMG § 27 Rz 52) ‑ bezogen auf abgeerntete Bestandteile von allen Pflanzen, die eine der in der SV oder in der PV aufgezählten Substanzen enthalten, ohne dort selbst erwähnt zu sein, straflos wären, lässt sich aus der Sonderregelung des § 27 Abs 1 Z 3 SMG jedenfalls nicht ziehen

Da demnach auch abgeerntete cathinon‑ und cathinhältige Bestandteile von „Kath-Stauden“ den Beschränkungen des SMG unterliegen, bieten die Sachverhaltsannahmen des Oberlandesgerichts eine ausreichende Grundlage, die dem Angeklagten dringend angelasteten Taten unter § 28a Abs 1 zweiter Fall SMG und § 31a Abs 1 zweiter Fall SMG zu subsumieren.

Mahamed H***** wurde daher im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt. Die Grundrechtsbeschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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