OGH 11Os156/23k

OGH11Os156/23k18.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Juni 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Edermaier‑Edermayr, LL.M. (WU), als Schriftführer in der Strafsache gegen * D* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * A* und die Berufung des Angeklagten * D* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. Oktober 2023, GZ 127 Hv 11/21z‑825, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0110OS00156.23K.0618.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Wirtschaftsstrafsachen

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im den Angeklagten * A* betreffenden Schuldspruch (zu II/B/) sowie in der diesen Angeklagten betreffenden (in Ergänzung zum aus dem ersten Rechtsgang zu II/A/, II/C/, IV/A/ und IV/B/ rechtskräftig gewordenen Schuldspruch) zu II/ und IV/ gebildeten Subsumtionseinheit nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB, demgemäß auch jeweils betreffend * A* im Strafausspruch sowie im Umfang der auf II/B/ bezogenen Verweisung der Privatbeteiligten M* GmbH auf den Zivilrechtsweg aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen sowie mit seiner Berufung wird der Angeklagte * A* auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten D* wird das Landesgericht für Strafsachen Wien notwendige Aktenteile dem Oberlandesgericht Wien zuzuleiten haben.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil – das auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche der Angeklagten * D*, * G* und * K* sowie einen Freispruch des Angeklagten * D* enthält – wurde der Angeklagte * A* im zweiten Rechtsgang (US 3, 7, 17: in Ergänzung zum im ersten Rechtsgang rechtskräftig gewordenen Teil des Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 13. März 2020, GZ 16 Hv 7/17i‑870 [dazu: 11 Os 104/21k]), des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

 

[2] Danach hat er (zu II/B/) – gekürzt wiedergegeben – im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit * D* „als Mittäter“ die ihm „als in leitender Funktion für die Finanzgebarung zuständiger Mitarbeiter der M* GmbH eingeräumte Befugnis“, über das Vermögen der Gesellschaft zu verfügen und diese zu verpflichten, dadurch wissentlich missbraucht und die M* GmbH (im Folgenden auch: M*) in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt, indem „sie“ (D* und er) eine am 26. Februar 2007 von der Ma* GmbH (im Folgenden auch MM*) lediglich zum Schein ausgestellte Rechnung über 300.000 Euro zuzüglich USt, der keine wirtschaftliche Gegenleistung zugrunde lag, „beglichen“.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A*.

 

Der Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde ist Folgendes voranzustellen:

[4] Die Tathandlung (des Sonderdelikts) der Untreue liegt in einer missbräuchlichen Vornahme oder Unterlassung eines Rechtsgeschäfts oder einer sonstigen Rechtshandlung als Ausübung einer dem Machthaber eingeräumten Befugnis (hier jedenfalls: die Freigabe der Begleichung durch Überweisung der „Scheinrechnung“ an die Ma* GmbH durch den Angeklagten D* als Geschäftsführer der M* GmbH; vgl RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0095943&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [insb T2, T4]; 11 Os 126/16p [11 Os 127/16k], Marek/Jerabek, Korruption, Amtsmissbrauch und Untreue16 Rz 68).

[5] Ein rein faktisches Handeln zum Nachteil des Machtgebers ohne rechtlichen Charakter kommt als Tathandlung der Untreue – selbst wenn es durch einen Machthaber erfolgt – hingegen nicht in Betracht (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0094733&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False , https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0094545&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [T8, T9]; vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 153 Rz 20, 24; Hinterhofer in Kert/Kodek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht2 Rz 4.13; 11 Os 32/19v).

[6] Nach den Urteilsaussagen beschloss der Beschwerdeführer mit dem Angeklagten D* – letzterer als Geschäftsführer der M* GmbH (vgl dazu US 8, aber auch [durch zulässigen Verweis auf US 7 zu eigen gemacht; RIS‑Justiz RS0124017] das im ersten Rechtsgang ergangene Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 13. März 2020, GZ 16 Hv 7/17i‑870 [S 39]) –, die Stellung der M* GmbH „als wichtigster Kunde“ der Ma* GmbH zur eigenen Bereicherung auszunutzen. Sie vereinbarten, dass der Angeklagte A* das ihm wirtschaftlich zurechenbare Unternehmen W* GmbH als „Zahlungsempfängerin“ zur Verfügung stellen würde. In Absprache mit dem Genannten forderte der Angeklagte D* sodann von den (mitangeklagten) Geschäftsführern der Ma* GmbH die Ausstellung einer „Scheinrechnung“, deren Begleichung durch Überweisung der Angeklagte D* und ein weiterer, in den Tatplan nicht eingeweihter Geschäftsführer freigaben. „Sodann erfolgte die Überweisung am 26. Februar 2007“ (US 7).

[7] Nach den weiteren Feststellungen missbrauchten „durch die Forderung und Bezahlung einer Scheinrechnung von der MM*, der keine Leistung gegenüberstand, zum Zwecke der Weiterleitung eines Großteils des Betrages an ihnen nahe stehende Gesellschaften“ der Angeklagte D* die ihm als Geschäftsführer der M* eingeräumte Befugnis und der Beschwerdeführer die „ihm als in leitender Funktion für die Finanzgebarung zuständiger Mitarbeiter der M* eingeräumte Befugnis, über deren Vermögen zu verfügen und diese zu verpflichten“ (US 8).

[8] Die im Urteil (eindeutig) konstatierten konkreten Handlungen des Beschwerdeführers A* (Ausarbeitung und Vorbereitung des Tatplans gemeinsam mit D* und im Zuge dessen Vereinbarung der Zurverfügungstellung einer Zahlungsempfängerin zur Weiterleitung der an die MM* zu überweisenden Gelder an ihnen zurechenbare Gesellschaften; US 7) umschreiben allerdings keine Rechtshandlungen im Rahmen einer ihm eingeräumten Befugnis. Sie sind daher als (unmittelbare) Tathandlungen des § 153 StGB (Ausführungshandlungen) ungeeignet.

[9] Allerdings trug der Genannte nach diesen Feststellungen jedenfalls (objektiv) zur Ausführung der Tat durch den unmittelbaren Täter D* bei (§ 12 dritter Fall StGB; vgl RIS‑Justiz RS0090508).

[10] Den Feststellungen zur subjektiven Tatseite zufolge wussten die Angeklagten D* undA* um „ihre Befugnisse als kaufmännischer Geschäftsführer bzw als in leitender Funktion für die Finanzgebarung zuständiger Mitarbeiter der M* Bescheid und dass sie befugt waren, über das Vermögen der M* zu verfügen“. Sie wussten um den bloßen Scheincharakter der Rechnung der MM* vom 20. Februar 2007 und dass dieses Unternehmen durch die Bezahlung dieser Scheinrechnung im Betrag von (brutto) 360.000 Euro am Vermögen geschädigt wurde und wollten dies auch.

„Sie wussten, dass sie beide durch diese Vorgehensweise gegen solche Regeln verstießen, die dem Vermögensschutz der M* dienten, dass sie seitens ihrer Machtgeber nicht derart handeln durften und hielten es somit für gewiss, dass sie beide die ihnen eingeräumte Befugnis, über das Vermögen der M* zu verfügen und diese zu verpflichten, missbrauchten, was sie auch wollten“ (US 8).

[11] Wie die Beschwerde (nominell Z 5 erster und vierter Fall) zunächst zutreffend aufzeigt, wurden in Bezug auf eine vom Beschwerdeführer vorgenommene oder unterlassene Rechtshandlung im Rahmen einer ihm konkret zustehenden Befugnis, also eine Ausführungshandlung des Genannten als unmittelbarer Täter, keine deutlichen und bestimmten Feststellungen getroffen und weisen die Entscheidungsgründe (US 9 ff) auch keine nachvollziehbare Begründung für eine im Rahmen einer dem Beschwerdeführer zustehenden Befugnis vorgenommene oder unterlassene Rechtshandlung desselben (als unmittelbarer Täter) auf.

[12] Auf Basis der oben dargestellten Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen käme allerdings – worauf auch die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend hinweist – allenfalls eine Strafbarkeit wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall als Beteiligter (§ 12 dritter Fall StGB) in Betracht.

[13] Allerdings kritisiert die Beschwerde weiters für den Obersten Gerichtshof im Kern hinreichend deutlich (ON 836 S 3 Punkt 8 und S 4 Punkt 14), dass im Urteil keine ausreichende Sachverhaltsbasis (nämlich zur subjektiven Tatseite des Beschwerdeführers) für eine strafbare Beteiligung des Beschwerdeführers an der nach den Feststellungen (jedenfalls) durch D* (objektiv und subjektiv als unmittelbarer Täter) begangenen Untreue geschaffen wurde (dSn Z 9 lit a).

[14] Denn – im Unterschied zu den (zu VI/B/ iVm II/B/ nunmehr rechtskräftig) als Beitragstäter des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB schuldig gesprochenen Angeklagten G* und K* – geht aus den referierten, in subjektiver Hinsicht bloß auf eine unmittelbare Täterschaft des Beschwerdeführers und des Angeklagten D* abstellenden Urteilsgründen nicht deutlich und bestimmt hervor, dass es der Beschwerdeführer A* im Zuge seiner Handlungen auch für gewiss hielt, dass der Intraneus (der Geschäftsführer D* als Machthaber) die diesem eingeräumte Befugnis (Rechnungsfreigabe) nicht nur (objektiv) missbrauchte, sondern dass D* dies auch (zumindest) vorsätzlich tat (RIS‑Justiz RS0103984 [T8], RS0108964 [T6 und T7]; Kirchbacher/Sadoghi inWK² StGB § 153 Rz 44; Leukauf/Steinninger/Flora StGB4 § 153 Rz 47).

[15] Schon dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) zwingt zur Aufhebung des Urteils (ausschließlich betreffend den Angeklagten A*) im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang bereits bei der nichtöffentlichen Sitzung (§ 285e StPO).

[16] Damit kann das weitere gegen den Schuldspruch (zu II/B/) gerichtete Beschwerdevorbringen des Angeklagten A* auf sich beruhen.

[17] Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen sowie mit seiner Berufung war der Angeklagte * A* daher auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

[18] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten D* (§ 285i StPO).

[19] Das Erstgericht wird diesem dazu notwendige Aktenteile zu übermitteln haben.

[20] Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 7; RIS‑Justiz RS0133966).

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