OGH 11Os104/23p

OGH11Os104/23p3.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Oktober 2023 durch dieVizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Maringer als Schriftführerin in der Strafsache gegen * S* wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 14. Juli 2023, GZ 617 Hv 3/23d-106.2, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0110OS00104.23P.1003.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * S*des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 23. Februar 2022 in W* * Y* getötet, indem er mit einer Faustfeuerwaffe sechsmal auf diesen schoss und ihm dadurch unter anderem Herzdurchschüsse und mehrfache Verletzungen innerer Organe des Brust- und Bauchraumes zufügte, woraufhin dieser an Verbluten in die Brust- und Bauchhöhle und einem anschließenden Herz-Kreislauf-Versagen verstarb.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 8 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die Instruktionsrüge (die sich im Übrigen mit dem Zitat Mayerhofer/Hollaender, StPO5 § 345 Z 8 E 52 auf SSt 28/65 und solcherart auf eine völlig anders gelagerte Sachverhaltskonstellation bezieht – vgl auch Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 58)kritisiert zunächst, dass das Privilegierungsmerkmal „Tatbegehung im Affekt“ nicht bereits bei der Rechtsbelehrung zur Hauptfrage nach Mord (§ 75 StGB), sondern erst bei der unmittelbar anschließenden Belehrung zur (einzigen) Eventualfrage nach Totschlag (§ 76 StGB) erklärt wurde (ON 106.4, 22 ff). Dieser Aufbau mache die Rechtsbelehrung „irreführend unvollständig“ und könne dazu geführt haben, dass die Geschworenen, die die Hauptfrage einstimmig bejahten, sich mit der Instruktion zur Privilegierung nicht mehr befasst hätten.

[5] Damit bezeichnet die Rüge allerdings keinen mit Nichtigkeit aus Z 8 sanktionierten Fehler – Unrichtigkeit, Undeutlichkeit, Widersprüchlichkeit oder irreführende Unvollständigkeit – der in ihrer Gesamtheit zu beurteilenden (RIS-Justiz RS0100695), nach diesem Maßstab den von § 321 Abs 2 StPO geforderten Inhalt in Bezug auf die beantwortete Hauptfrage aufweisenden, sich an der logischen Reihenfolge von Haupt- und Eventualfrage (RIS-Justiz RS0100928 [T1]) orientierenden und aus dem Empfängerhorizont eines maßgerechten Laienrichters klar und deutlich abgefassten Rechtsbelehrung (RIS-Justiz RS0125362; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 53, 57 f), sondern stellt der Sache nach lediglich die Vermutung auf, die Geschworenen hätten das Gebot, die Rechtsbelehrung als Ganzes zur Kenntnis zu nehmen (RIS‑Justiz RS0100804), nicht beachtet.

[6] Im Übrigen ist der Inhalt in Bezug auf die bejahte Hauptfrage vollständig und lässt auch keine Missverständnisse betreffend die Abgrenzung der rechtlichen Kategorien Mord (§ 75 StGB) und Totschlag (§ 76 StGB) befürchten (vgl 9 Os 184/84).

[7] Überdies versucht die Instruktionsrüge, irreführende Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung (zusammengefasst) aus dem Unterbleiben einer Belehrung abzuleiten, wonach „ein Ausschluss der Kausalität (des Affekts für Tatentschluss und -ausführung) nicht zwingend aus dem Mitführen einer Waffe bzw gemeinhin aus der Planung der Tat abgeleitet werden“ könne.

[8] Der Nichtigkeitswerber erklärt jedoch nicht, warum die schriftliche Rechtsbelehrung auch diese an den konkreten Umständen des Falls orientierte Anleitung für die Beweiswürdigung zur Lösung der Tatfrage, ob ein Affekt vorlag und ob dieser kausal für die Tat war (zur Kausalität als Tatfrage vgl RIS-Justiz RS0117721; RS0115043), enthalten hätte sollen, obwohl die Rechtsbelehrung nach dem Gesetz auf Rechtsfragen beschränkt ist (§ 321 Abs 2 StPO; RIS‑Justiz RS0109476; RS0100764; RS0098508).

[9] Da die Instruktionsrüge solcherart gar keine (hypothetischen) Unrichtigkeiten rechtlicher Natur des nach § 321 Abs 2 StPO erforderlichen Inhalts der Rechtsbelehrung anspricht, gelangte sie nicht prozessförmig zur Darstellung (RIS-Justiz RS0119549).

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285a Z 2, 285d Abs 1 StPO; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 65). Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 344, 285i StPO).

[11] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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