European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:010OBS00099.22I.0913.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Kläger beantragte am 24. April 2014 die Zuerkennung von pauschalem Kinderbetreuungsgeld als Konto mit dem vorgesehenen Antragsformular, wobei er unter „Antragsteller“ seinen Namen anführte. Die beklagte Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen stellte in der Folge die an den Kläger persönlich gerichteten Mitteilungen über den Leistungsanspruch nach dem Kinderbetreuungsgeld vom 3. Juni 2014 und 14. September 2015 aus, aus denen die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes für den Zeitraum von 8. Jänner 2014 bis 7. September 2015 in Höhe von 20,80 EUR pro Tag hervorgeht. Dem Kläger wurden für den Zeitraum von 8. Jänner 2014 bis 31. Dezember 2014 insgesamt 7.446,40 EUR ausgezahlt. Für das Jahr 2014 errechnet sich ein Gesamtbetrag der maßgeblichen Einkünfte des Klägers in der Höhe von 26.972,28 EUR. Dieser Betrag überschreitet den für das Jahr 2014 bestehenden absoluten Grenzbetrag von 16.200 EUR.
[2] Mit Bescheid vom 23. März 2021 widerrief die Beklagte dem Kläger gegenüber die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes in Höhe der Überschreitung der Zuverdienstgrenze und verpflichtete ihn zum Ersatz der unberechtigt empfangenen Leistung von insgesamt 7.446,40 EUR binnen vier Wochen. Bei einem für das Kalenderjahr 2014 maßgeblichen absoluten Grenzbetrag von 16.200 EUR errechne sich ein Gesamtbetrag an maßgeblichen Einkünften von 26.972,28 EUR, weshalb eine gänzlich unberechtigte Inanspruchnahme des Kinderbetreuungsgeldes vorliege.
[3] In dem als „Klage/Einspruch“ bezeichneten und von den Vorinstanzen als Klage gewerteten Schreiben ersuchte der Kläger, auf die Rückforderung ganz oder teilweise zu verzichten, weil er angenommen habe, dass er den Antrag zu stellen gehabt hätte, weil Mutter und Kind bei ihm mitversichert gewesen seien. Fragen wie Einkommensgrenzen habe er damit nicht verbunden, weil er diese Sozialleistung als dem Kind zugedacht betrachtet und angenommen habe, die betreuende Mutter erfülle „automatisch“ als der nicht erwerbstätige Elternteil die Kriterien. Über Anleitung durch das Erstgericht brachte er außerdem vor, dass er den Antrag im Namen der Mutter gestellt habe und vom Vorliegen einer Anscheinsvollmacht auszugehen sei.
[4] Das Erstgericht sprach aus, dass der Widerruf der Zuerkennung „nicht zu Recht erfolgte“ und der Kläger die empfangene Leistung von 7.446,40 EUR „nicht zu ersetzen habe“. Der Kläger habe den Antrag auf Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes im Vollmachtsnamen für die Kindesmutter gestellt. Es sei vom Vorliegen einer Anscheinsvollmacht auszugehen. Nachdem die zu diesem Zeitpunkt nicht erwerbstätige Kindesmutter und nicht der Kläger das Kinderbetreuungsgeld tatsächlich bezogen habe, bestehe der Rückforderungsanspruch der Beklagten nicht zu Recht.
[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte die Entscheidung dahin ab, dass es das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass der Widerruf der Zuerkennung des pauschalen Kinderbetreuungsgeldes für den Zeitraum von 8. Jänner bis 31. Dezember 2014 nicht zu Recht erfolgt und der Kläger nicht zum Rückersatz der unberechtigt empfangenen Leistung von 7.446,40 EUR verpflichtet sei, abwies und den Kläger zur Zahlung von 7.446,40 EUR binnen vier Wochen verpflichtete. Dem Antrag lasse sich nicht entnehmen, dass der Kläger den Antrag „in Vertretung“ der Mutter gestellt habe. Der Kläger habe die Zuverdienstgrenze überschritten und sei daher zur Rückzahlung des ihm zuerkannten Kinderbetreuungsgeldes verpflichtet.
Rechtliche Beurteilung
[6] In der außerordentlichen Revision macht der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend.
[7] 1.1. Der Empfänger einer Leistung ist nach dem hier von der Beklagten geltend gemachten Rückforderungstatbestand des § 31 Abs 2 Satz 2 KBGG zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund des von der Abgabenbehörde an die Österreichische Gesundheitskasse übermittelten Gesamtbetrags der maßgeblichen Einkünfte ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührt hat. Rückforderungsgegner ist somit grundsätzlich (abseits etwa der Fälle des § 31 Abs 3 oder 3b KBGG) der Leistungsempfänger (in § 31 Abs 1 KBGG auch als Leistungsbezieher bezeichnet).
[8] 1.2.1. Das Berufungsgericht löste die Frage, wer als Antragsteller nach dem KBGG anzusehen ist, unter Heranziehung von § 10 AVG, wogegen sich der Revisionswerber zu Recht nicht wendet (vgl Art I Abs 2 Z 1 EGVG; insbesondere schließt § 360b ASVG die Anwendung des § 10 AVG im Verfahren der Versicherungsträger in Leistungssachen, auf das § 25a KBGG verweist, nicht aus). Nach dieser Bestimmung können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter im Verwaltungsverfahren grundsätzlich vertreten lassen; den Beteiligten und ihren Vertretern stehen dabei drei näher genannte Möglichkeiten der Bekanntgabe eines Vertretungsverhältnisses gegenüber der Behörde offen. Um ein prozessuales Vertretungsverhältnis annehmen zu können, bedarf es (neben dem Bestehen eines Vollmachtsverhältnisses), dass das Vertretungsverhältnis der Behörde gegenüber offen gelegt wird, also vom Handelnden eine unmissverständliche Willenserklärung abgegeben wird, nicht (nur) im eigenen Namen, sondern (auch) im Namen des Vertretenen zu handeln (VwGH 2005/07/0035, 2003/08/0108, 88/04/0007). Es genügt nicht, dass er diesem den wirtschaftlichen Erfolg zuwenden will, er hat die Beziehung zum Vertretenen auch (nach außen) klarzustellen (VwGH 2005/05/0252).
[9] 1.2.2. Dem der Leistungsgewährung zugrunde liegenden Antrag des Klägers auf Kinderbetreuungsgeld lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass nicht er selbst als Antragsteller auftreten wollte und er daher in weiterer Folge nicht selbst Leistungsempfänger werden sollte. Insbesondere war darin kein Hinweis auf ein Handeln für eine andere Person enthalten. Vielmehr füllte der Kläger das Feld „Antragsteller“ mit seinem eigenen Namen aus, was er in der außerordentlichen Revision auch nicht in Abrede stellt. Der vom Kläger im Rechtsmittel hervorgehobene Umstand, dass er im Antrag die Kontoverbindung der Mutter angeführt habe, betrifft nicht die Frage, wer als Antragsteller und Leistungsempfänger anzusehen ist, sondern die (nachgelagerte) Frage, wie der Antragsteller im Fall der Bejahung des Anspruchs die Leistung ausgezahlt erhalten wollte. Zusätzlich sei erwähnt, dass sich aus dem Antrag nicht ergibt, dass das Konto nicht auf ihn lautete. Dass – wie der Kläger im Rechtsmittel außerdem behauptet – der andere Elternteil (und nicht er) die Voraussetzungen für einen Anspruch nach dem KBGG erfüllt habe und der Mutter in Zweifelsfällen nach § 2 Abs 3 KBGG das Vorrecht zugekommen sei, betrifft wiederum die materielle Bezugsberechtigung und nicht die Frage, wer nach dem Inhalt des Anbringens als Antragsteller auftrat und somit Leistungsempfänger sein sollte.
[10] 1.3. Soweit in der außerordentlichen Revision auf das Rechtsinstitut der – unter Umständen auch im Verwaltungsverfahren bedeutsamen (vgl VwGH 2001/16/0175) – Anscheinsvollmacht („zumindest in analoger Hinsicht“) Bezug genommen wird, ist dies nicht zielführend. Die Anscheinsvollmacht setzt ein Handeln des Vertretenen voraus, aufgrund dessen der Dritte auf das Vorhandensein einer Vertretungsmacht des Handelnden vertrauen darf (RS0020145; RS0019609 [T7]). Dieses Rechtsinstitut steht in seiner Wirkung dann einer rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht gleich (RS0124654). Ob der Kläger die Mutter des Kindes bei der Beantragung von Kinderbetreuungsgeld – sei dies aufgrund einer erteilten Bevollmächtigung, sei dies aufgrund einer Anscheinsvollmacht – wirksam vertreten hätte können, ist im vorliegenden Fall allerdings nicht entscheidungswesentlich, weil dies zur Frage, ob eine solche Vertretung gegenüber der Beklagten offengelegt wurde, keine Auskunft gibt.
[11] 1.4. Der Kläger thematisiert überdies ausschließlich seine Qualifikation als Antragsteller, lässt dabei allerdings außer Betracht, dass – unabhängig davon, wer als Antragsteller auftrat – (nur) er Adressat der nach § 27 KBGG ausgestellten Leistungsmitteilung der Beklagten war und daher ihm (und insbesondere nicht der Mutter) der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld zuerkannt werden sollte. Nach dem – ihm klar erkennbaren – Willen der Beklagten war somit jedenfalls der Kläger Leistungsempfänger, sodass die – ihm infolge Überschreitung der Zuverdienstgrenze nicht zustehende – Leistung folgerichtig von ihm zurückzufordern war.
[12] 2. Soweit der Kläger gegen die Rückforderung verfassungsrechtliche Bedenken hegt, bezieht er seine Ausführungen auf andere, hier nicht zur Anwendung gelangende Rückforderungstatbestände. Der Verfassungsgerichtshof erachtete die hier maßgebliche Bestimmung des § 31 Abs 2 Satz 2 KBGG vielmehr als nicht unsachlich, wonach die Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld an keine weiteren Voraussetzungen als das Überschreiten der Zuverdienstgrenze geknüpft ist, ohne dass es auf ein Verschulden des Leistungsempfängers ankommt. Rückforderungsvorschriften, die auf den objektiven Umstand des Nichtvorliegens der Anspruchsvoraussetzungen abstellen, seien in der österreichischen Rechtsordnung nicht ungewöhnlich. Verfassungsrechtliche Bedenken wären nur bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt, wie etwa, wenn eine Regelung eine den Betrag der eigenen Einkünfte weit übersteigende Rückzahlungsverpflichtung vorsehe (VfGH G 128/08 ua VfSlg 18.705/2009 [ErwGr 2.4]). Da der hier anzuwendende Tatbestand eine Rückforderung auf jenen Betrag beschränkte, um den die Zuverdienstgrenze überschritten wurde, bestehen somit auch keine Bedenken in verfassungsrechtlicher Hinsicht.
[13] 3. Die erstmalige Behauptung des Klägers in der außerordentlichen Revision, dass die Beklagte gegen ihre Informations- und Aufklärungspflicht iSd § 81a ASVG verstoßen habe und sich nicht auf den Rückforderungstatbestand berufen könne, verstößt gegen das – in Sozialrechtssachen ausnahmslos geltende (RS0042049) – Neuerungsverbot und ist daher unbeachtlich. Unabhängig davon legt der Revisionswerber ohnedies nicht offen, aufgrund welcher Anhaltspunkte die Beklagte zu welcher Aufklärung des Klägers verhalten gewesen wäre und welches Verhalten er im Fall einer allfälligen Aufklärung gesetzt hätte, das eine Rückforderung verhindern hätte können.
[14] 4. Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
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