Normen
ABGB §1029;
AVG §10 Abs4;
BAO §83 Abs4;
LAO Tir 1984 §63 Abs4;
ABGB §1029;
AVG §10 Abs4;
BAO §83 Abs4;
LAO Tir 1984 §63 Abs4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist eine Gesellschaft mbH, die zu FN 41302p des LG Innsbruck mit der Firma "Alpina Hotel Betriebsgesellschaft mbH" protokolliert ist. Einziger Geschäftsführer ist seit 5. November 1992 Barbara Runzheimer.
Am 28. Jänner 1998 wurde vom Steuerprüfer der mitbeteiligten Partei über eine am 27. und 28. Jänner 1998 betreffend den Prüfungszeitraum 1. Jänner 1992 bis 30. November 1995 durchgeführte Getränke- und Speiseeisprüfung mit dem von der Beschwerdeführerin damals beschäftigten "Hoteldirektor" Markus Fink eine Niederschrift errichtet, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
"Ich erkenne das einvernehmlich ermittelte Prüfungsergebnis als sachlich und rechnerisch richtig an und verzichte gem. TLAO auf Rechtsmittel und auf einen besonderen Steuerbescheid. ..."
Gezeichnet ist diese Niederschrift von Markus Fink unter Verwendung einer Stampiglie mit dem Wortlaut "Dorfhotel Select-Hotel ALPENHOF" samt Adresse und Telefonnummer.
Ein Nachweis dafür, dass zum Termin der Errichtung der Niederschrift eine Zustellung an die Beschwerdeführerin zu Handen ihres vertretungsbefugten Organs erfolgt wäre, findet sich in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht.
Am 15. April 1998 langte bei der mitbeteiligten Partei ein Antrag der Beschwerdeführerin (vertreten durch den beeideten Buchprüfer und Steuerberater Eduard Moser, der dazu eine Vollmacht vom 10. Jänner 1992 vorlegte) auf Rückerstattung der Getränke- und Speiseeissteuer für die Jahre 1995 und 1996 wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht ein.
Am 8. August 1998 richtet die Abgabenbehörde erster Instanz an die Beschwerdeführerin einen Bescheid, womit der Antrag der Beschwerdeführerin "die Getränkesteuer für 1995 und 1996 mit Null festzusetzen und zurückzuzahlen", als unbegründet abgewiesen wurde.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin (wiederum vertreten durch den beeideten Buchprüfer und Steuerberater Eduard Moser) Berufung.
Am 19. September 2000 erließ die Abgabenbehörde erster Instanz eine Berufungsvorentscheidung, mit der einerseits betreffend den Zeitraum 1. Dezember 1995 bis 30. September 1999 u. a. die Steuer auf alkoholische Getränke mit Null festgesetzt und andererseits aber das Mehrbegehren auf Nullfestsetzung "hinsichtlich weiterer Zeiträume" als unzulässig zurückgewiesen wurde. In dieser Berufungsvorentscheidung wurde erstmals betreffend den Zeitraum "1995 bis 11/1995" darauf hingewiesen, dass ein schriftlicher Rechtsmittelverzicht abgegeben worden sei.
Dagegen stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wobei sie u. a. vorbrachte, der Rechtsmittelverzicht sei unwirksam, weil er weder von der Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin noch sonst von einem bevollmächtigten Vertreter abgegeben worden sei. Die Beschwerdeführerin habe von der Existenz der Niederschrift erst am 26. September 2000 erfahren.
Mit Bescheid vom 10. Jänner 2001 fällte der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Partei als Abgabenbehörde zweiter Instanz betreffend "Nullfestsetzung der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke für den Zeitraum 1.1.1995 bis 30.11.1995" den Spruch:
"Der Antrag wird gemäß § 63 TLAO als unbegründet abgewiesen."
In der Begründung hiezu vertrat die Berufungsbehörde der mitbeteiligten Partei die Ansicht, in einem bereits (zufolge des Rechtsmittelverzichtes) rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren könne keine neuerliche Nullfestsetzung erfolgen. Die Abgabenbehörde hätte auf die Vertretungsbefugnis des Hoteldirektors Markus Fink vertrauen dürfen, weil er auch "andere Geschäfte" für die Beschwerdeführerin durchgeführt und vorgenommen hatte und schließlich in leitender Funktion (Hoteldirektor) dort tätig gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Vorstellung an die belangte Behörde, wobei sie vorbrachte, sie könne nur durch ihre Geschäftsführerin oder durch eine Person mit entsprechender Vollmacht vertreten werden. Der Hoteldirektor Fink sei nicht berechtigt gewesen, die Beschwerdeführerin wirksam zu vertreten. Die verwendete Stampiglie enthalte nicht einmal den Firmenwortlaut der Beschwerdeführerin, der in der Niederschrift vom 28. Jänner 1998 protokollierte Rechtsmittelverzicht sei unwirksam.
Die belangte Behörde wies die Vorstellung als unbegründet ab, weil für den in Rede stehenden Zeitraum (1. Jänner 1995 bis 30. November 1995) ihrer Ansicht nach ein rechtswirksamer Rechtsmittelverzicht vorliege. Die Abgabenbehörden der mitbeteiligten Partei hätten davon ausgehen dürfen, dass der Hoteldirektor Fink berechtigt gewesen sei, die Niederschrift vom 28. Jänner 1999 wirksam für die Beschwerdeführerin zu unterfertigen, weil eine sog. Anscheinsvollmacht vorgelegen sei. Dazu berief sich die belangte Behörde darauf, dass besagter Hoteldirektor
- am 15. November 1996 und am 10. Juni 1997 für die Beschwerdeführerin veranstaltungsrechtliche Bewilligungen beantragt habe und
- am 15. April 1997 die Beschwerdeführerin bei einer Bauverhandlung vertreten und den diesbezüglichen Baubescheid übernommen habe.
In den vorgelegten Verwaltungsakten finden sich dazu entsprechende Unterlagen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nullfestsetzung der Getränkesteuer für die Zeit vom 1. Jänner 1995 bis 30. November 1995 verletzt, wobei sie davon ausgeht, dass der abgegebene Rechtsmittelverzicht für sie nicht wirksam erfolgt sei.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird. Die mitbeteiligte Partei äußerte sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 200 Abs. 2 TLAO kann unter den dort näher geregelten Voraussetzungen (die im Beschwerdefall keine Rolle spielen) vor Erlassung eines Bescheides ein Verzicht auf die Einbringung einer Berufung rechtswirksam abgegeben werden.
Gemäß Abs. 3 Satz 1 der zitierten Gesetzesstelle ist eine
trotz Verzichtes eingebrachte Berufung unzulässig.
§ 63 TLAO lautet auszugsweise:
"(1) Die Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich verlangt wird, durch eigenberechtigte Personen oder durch vertretungsbefugte Gesellschaften vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Schreitet ein Rechtsanwalt, Notar, Wirtschaftstreuhänder oder eine vertretungsbefugte Gesellschaft ein, so ersetzt der Hinweis auf die erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.
(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten richten sich nach der Vollmacht; hierüber sowie über den Bestand der Vertretungsbefugnis auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Die Abgabenbehörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 65 Abs. 2 von Amts wegen zu veranlassen.
(3) ...
(4) Die Abgabenbehörde kann vom Nachweis der Bevollmächtigung absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder, Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht bestehen.
(5) ..."
Die durch § 63 Abs. 4 TLAO eingeräumte Befugnis der Behörde vom Verlangen nach Vorlage einer Vollmachtsurkunde Abstand zu nehmen, setzt eine Situation voraus, in der die Behörde mit gutem Grund annehmen durfte, dass eine entsprechende Vertretungsbefugnis des Einschreiters besteht. Die zitierte Bestimmung ermöglicht nur den Verzicht auf den Nachweis der bestehenden Vollmacht (vgl. zur inhaltsgleichen Regelung des § 83 Abs. 4 BAO Stoll, BAO-Kommentar I, S. 827, und Ritz, BAO-Kommentar2, Rz 9 Abs. 2 zu § 83 BAO).
Im gegebenen Zusammenhang ist vorweg zu beachten, dass nach der hg. Judikatur (zur inhaltsgleichen Regelung des § 10 Abs. 4 AVG) für die Vertretung in einer mündlichen Verhandlung ein Absehen von der Vorlage einer Vollmachtsurkunde nur zulässig ist, wenn der zu Vertretende nachgewiesenermaßen vom Termin der Verhandlung persönlich verständigt worden ist (vgl. dazu Ritz aaO Rz 9 Abs. 4 zu § 83 BAO und die dort angeführte hg. Judikatur sowie Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2 E 159-161 zu § 10 AVG). Das hat auch für den hier in Rede stehenden Termin der Aufnahme der Niederschrift vom 28. Jänner 1998 in einem stattgefundenen abgabenbehördlichen Prüfungsverfahren zu gelten.
In Ermangelung irgendeines Hinweises darauf, dass die Beschwerdeführerin zu Handen ihrer Geschäftsführerin zu diesem Termin geladen worden wäre, ist bereits aus diesem Grund davon auszugehen, dass keine Berechtigung der Abgabenbehörden der mitbeteiligten Partei bestand, vom urkundlichen Nachweis der Vertretungsmacht des Hoteldirektors Fink Abstand zu nehmen. Bereits dadurch, dass die belangte Behörde diesen Umstand übersehen hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Dazu kommt aber noch Folgendes:
Die belangte Behörde ging vom Vorliegen einer sog. Anscheinsvollmacht aus. Unter diesem (u. a. aus § 1029 Satz 2 ABGB abgeleiteten) Rechtsinstitut versteht man, dass die Vertretungsmacht an ein als bloße Wissenserklärung zu qualifizierendes Verhalten des Geschäftsherrn (also des Vertretenen!) anknüpft (Koziol/Bollenberger in Koziol/Welser, Bürgerliches Recht11 I 183 ff). Dazu ist erforderlich, dass der Vertretene ein Verhalten gesetzt hat, das geeignet ist, im Dritten den begründeten Glauben zu erwecken, dass der Vertreter zur Abgabe von Erklärungen für den Vertretenen befugt ist (Koziol/Bollenberger aaO 184). Das Vertrauen des Dritten muss seine Grundlage in einem zurechenbaren Verhalten des Vollmachtgebers haben, welches den äußeren Tatbestand, auf den der Dritte vertraut, begründet. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist nach herrschender Auffassung mit aller Strenge zu prüfen (Koziol/Bollenberger aaO 184 mwN in FN 27 und 28).
Angewendet auf den vorliegenden Fall bedeutet das aber, dass betreffend die vom angefochtenen Bescheid erwähnten "Vertretungshandlungen" des Hoteldirektors Fink in zwei Veranstaltungsbewilligungsverfahren und in einem Bauverfahren (die nach Ausweis der Verwaltungsakten der Beschwerdeführerin vor Erlassung des angefochtenen Bescheides im Detail niemals vorgehalten wurden!) Feststellungen der belangten Behörde über ein damit zusammenhängendes, der Beschwerdeführerin (das heißt ihrer vertretungsbefugten Geschäftsführerin) zurechenbares Verhalten, mit dem z. B. die erwähnten Vertretungshandlungen des Hoteldirektors im Wege eines nach außen in Erscheinung getretenen Tatbestandes gebilligt worden wären, vollständig fehlen. Nur aus einem solchen Verhalten der Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin aber hätte die belangte Behörde für den Beschwerdefall das Bestehen einer Anscheinsvollmacht des Hoteldirektors ableiten dürfen! Auch indem die belangte Behörde dies ohne die dafür erforderlichen Tatsachengrundlagen getan hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
In diesem Zusammenhang sei noch darauf verwiesen, dass z. B. der Leiter eines Hotels iS des § 1029 Satz 2 ABGB zwar als zur Vornahme aller Bestellungen bevollmächtigt anzusehen ist, die mit der ordentlichen Führung des Hotels zusammenhängen (Strasser in Rummel ABGB I3 Rz 11 zu §§ 1027 - 1033 ABGB unter Hinweis auf OGH HS 7089), dass sich eine solche Verwaltervollmacht aber nicht auf die Wahrnehmung subjektiv-öffentlicher Rechte in diversen Verwaltungsverfahren bezieht (vgl. dazu die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5 unter E 48 lit. a - lit. d zu § 10 AVG angeführte hg. Judikatur). Das hat auch für jenes abgabenbehördliche Prüfungsverfahren zu gelten, in dem die Niederschrift vom 28. Jänner 1998 errichtet wurde, in deren Verlauf der hier in Rede stehende Rechtsmittelverzicht erfolgte.
Nicht unerwähnt sei noch, dass die Beschwerdeführerin zu den erstmals im angefochtenen Bescheid konkretisierten "Vertretungshandlungen" ihres Hoteldirektors in anderen Verfahren ausdrücklich darauf hinweist, dass sie sich steuerlich stets nur von einem bevollmächtigten Steuerberater vertreten lässt (der - was aktenkundig ist - über eine schriftliche Vollmacht aus dem Jahr 1992 verfügt) und dass der Hoteldirektor mit steuerlichen Angelegenheiten in keiner Weise befasst war. Auf diesen Umstand wäre im Zusammenhang mit der Beurteilung der Frage, ob Zweifel an der angenommenen Vertretungsmacht des Hoteldirektors bestehen, besonders Bedacht zu nehmen gewesen.
Aus all diesen Gründen leidet der angefochtene Bescheid an Rechtswidrigkeit des Inhaltes, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen muss.
Mit Rücksicht auf die durch die zitierte Lehre und Rechtsprechung klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 19. September 2001
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