European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00088.16P.0913.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 30. 12. 2014 kürzte die beklagte Partei das für das am 5. 12. 2011 geborene Kind K***** ab 5. 9. 2012 bezogene Kinderbetreuungsgeld um 16,50 EUR, widerrief die Zuerkennung dieser Leistung in der Höhe von 37,51 EUR täglich für den Zeitraum von 5. 9. 2012 bis 3. 2. 2013 und verpflichtete den Kläger zur Rückzahlung des Kinderbetreuungsgeldes im Ausmaß von 2.508 EUR.
Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, der auf das Fehlen des Nachweises der zehnten Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchung gegründete Anspruch der beklagten Partei auf Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum von 5. 9. 2012 bis 3. 2. 2013 im Ausmaß von 2.508 EUR bestehe nicht zu Recht.
Der Kläger brachte im Wesentlichen vor, alle vorgesehenen Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchungen seien fristgerecht durchgeführt worden, alle Nachweise seien auf dem Postweg an die beklagte Partei gesendet worden.
Die beklagte Partei bestritt und beantragte die Klageabweisung. Der Kläger habe vom 1. 4. 2012 bis 4. 2. 2013 Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in Höhe von 37,51 EUR täglich bezogen. Dieser Tagesbetrag werde ab dem 10. Lebensmonat des Kindes um 16,50 EUR reduziert, wenn die in § 24c KBGG vorgesehenen Mutter‑Kind‑Pass‑Untersuchungen nicht nachgewiesen werden. Die Bestätigung über die zehnte Mutter-Kind-Pass-Untersuchung sei bisher bei der beklagten Partei nicht eingelangt.
Das Erstgericht gab der Klage statt.
Es traf im Wesentlichen folgende Feststellungen:
Der Kläger bezog unter anderem im Zeitraum vom 5. 9. 2012 bis 3. 12. 2013 Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 37,51 EUR pro Tag für seine am 5. 12. 2011 geborene Tochter K*****. Ihm war bekannt, dass für die Aufrechterhaltung des vollen Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld über den 10. Lebensmonat des Kindes hinaus sämtliche vorgeschriebenen zehn Mutter-Kind-Pass‑Untersuchungen spätestens bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes durchzuführen sind und die diesbezüglichen Nachweise spätestens bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes der beklagten Partei vorzulegen sind, widrigenfalls eine Kürzung des Leistungsanspruchs eintritt. Die zehnte Mutter-Kind-Pass-Untersuchung wurde am 13. 12. 2012 durch den Facharzt für Kinderheilkunde Dr. Kurt G***** durchgeführt, der im Mutter-Kind-Pass den Nachweis auf dem dafür vorgesehenen Vordruck ausfüllte. Dem Kläger wurde aber erst im Sommer 2014 bewusst, dass dieser Nachweis noch an die beklagte Partei zu übermitteln war. Im August 2014 ersuchte er seine Gattin, den Nachweis der beklagten Partei eingeschrieben zu übermitteln, wobei er das polnische Wort „Polecony“ für das Wort „Einschreiben“ nannte. Seine Gattin verstand dieses Wort fälschlich als „Priority“, weshalb sie die Bestätigung nicht eingeschrieben, sondern nur mit dem Aufdruck „Priority“ im August oder September 2014 in einen Briefkasten in 1230 Wien einwarf. Dieser Brief langte weder bei der beklagten Partei ein, noch gelangte er an den Kläger zurück. Sein Verbleib ist nicht feststellbar. Zur Vorlage des fehlenden Nachweises der zehnten Mutter-Kind-Pass-Untersuchung wurde der Kläger von der beklagten Partei nicht gemahnt.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, § 24c Abs 2 Z 1 KBGG (nach welcher Bestimmung die Kürzung des Leistungsanspruchs nicht eintritt, wenn die Vornahme oder der Nachweis der Untersuchung aus Gründen, die nicht vom beziehenden Elternteil zu vertreten sind, unterbleibt), sei dahin auszulegen, dass das Unterbleiben des Nachweises dann gerechtfertigt sei, wenn entweder der dahinter stehende Grund außerhalb der Sphäre des betreffenden Elternteils liege (etwa im Fall einer späteren Adoption) oder dem Elternteil kein Verstoß gegen die bei der Einhaltung der Untersuchungs‑ bzw Nachweisobliegenheiten nach § 24c Abs 1 KBGG (§ 7 Abs 1 KBGG) gebotene Sorgfalt unterlaufen sei. Aus dem in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich genannten Beispiel des Auslandsaufenthalts sei auch abzuleiten, dass der diesbezüglich an den Elternteil anzulegende Sorgfaltsmaßstab nicht überspannt werden dürfe. Ein Elternteil solle auch dann in den Genuss des Nachsichttatbestands des § 24c Abs 2 Z 1 KBGG kommen, wenn er nicht jegliche denkbare Sorgfalt an den Tag gelegt habe und nicht jede mögliche Vorkehrung getroffen habe, um die Vornahme der Untersuchung bzw die Vorlage des Untersuchungsnachweises an den zuständigen Krankenversicherungsträger zu ermöglichen, sondern auch schon dann, wenn er lediglich die nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls üblicherweise zu erwartende Sorgfalt gezeigt habe. Unter Anlegung dieses Sorgfaltsmaßstabs sei vor dem Hintergrund des festgestellten Sachverhalts davon auszugehen, dass der Kläger das Unterbleiben des Nachweises der zehnten Mutter-Kind-Pass-Untersuchung nicht zu vertreten habe. Mit dem Ersuchen an seine Gattin, die Untersuchungsbestätigung eingeschrieben abzusenden, habe er in ausreichender Weise für die Erfüllung der Nachweisobliegenheit Sorge getragen. Wenn die Absendung infolge eines Versehens der Gattin dann nicht eingeschrieben erfolgt sei und das tatsächliche Einlangen bei der beklagten Partei wegen eines in der Sphäre der Post liegenden Fehlers vereitelt worden sei, handle es sich dabei um ein für den Kläger unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis. Jeder Absender auch eines nicht eingeschriebenen Briefes könne nach Maßgabe der durch das Postmarktgesetz geschaffenen Rechtslage grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Österreichische Post AG ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Zustellung innerhalb der vorgesehenen Laufzeiten nachkomme. Zur eingeschriebenen Aufgabe von Briefsendungen bestehe keine Rechtspflicht noch seien im konkreten Fall Umstände hervorgekommen, die den Kläger oder seine Gattin zu spezifischer Vorsicht im Zusammenhang mit der Übermittlung der Untersuchungsbestätigung an die beklagte Partei im Postweg veranlassen hätten müssen. Dem Kläger könne daher kein Verstoß gegen die im Einzelfall gebotene Sorgfalt vorgeworfen werden. Dass das 18. Lebensmonat des Kindes im Zeitpunkt der Absendung der Untersuchungsbestätigung bereits vollendet gewesen sei, schade nicht, weil dem Kläger nach Maßgabe des § 24c Abs 2 Z 2 KBGG noch die Möglichkeit offengestanden sei, den Nachweis anspruchswahrend spätestens bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes, somit spätestens bis 4. 12. 2014 nachzubringen. Dass die Sendung dennoch bei der beklagten Partei nicht eingelangt sei, sei auf Gründe zurückzuführen, die nicht vom Kläger zu vertreten seien.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Rechtlich führte es aus, es stehe fest, dass der Kläger über das Erfordernis der Übermittlung des Nachweises der zehnten Mutter-Kind-Pass-Untersuchung und die Konsequenzen des Unterbleibens dieser Übermittlung informiert gewesen sei, weswegen im Unterbleiben von Feststellungen zu den mehrfachen schriftlichen Belehrungen und Hinweisen kein rechtlicher Feststellungsmangel begründet sei. Im Übrigen schließe sich das Berufungsgericht der in der Entscheidung 7 Rs 49/14y des Oberlandesgerichts Wien vertretenen Rechtsansicht an, nach der bei Unterlassen des Nachweises der zehnten Mutter-Kind-Pass-Untersuchung keiner der Rückforderungstatbestände nach § 31 KBGG verwirklicht sei. Diese Entscheidung sei wie folgt begründet worden:
Die Rückforderungtstatbestände des § 31 Abs 1 erster Fall (unwahre Angaben) und zweiter Fall (Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 32 KBGG) KBGG kämen von vornherein nicht in Betracht. Der dritte (verschuldensabhängige) Rückforderungstatbestand des § 31 Abs 1 KBGG setze voraus, dass dem Leistungsbezieher auffallen habe müssen, dass die Leistung gar nicht oder nicht in der tatsächlich gewährten Höhe gebühre. Nach den Feststellungen sei der (damaligen) Klägerin bei zumutbarer und nicht zu überspannender Aufmerksamkeit nicht vorwerfbar gewesen, dass sie die zehnte Untersuchung nicht von sich aus ohne weitere Aufforderung durch die beklagte Partei nachgewiesen habe. Liege kein Verschulden vor, komme auch der dritte Rückforderungstatbestand des § 31 Abs 1 KBGG nicht zur Anwendung. Gemäß § 31 Abs 2 KBGG sei eine Verpflichtung zum Ersatz letztlich ua dann gegeben, wenn rückwirkend eine Tatsache festgestellt worden sei, bei deren Vorliegen kein Anspruch bestehe. Als rückwirkend festgestellt gelten alle für die Zuerkennung des Anspruchs maßgeblichen Umstände, die mit Rückwirkung erst zu einem nach der Zuerkennung liegenden Zeitpunkt, zum Beispiel durch Gerichtsurteil oder durch Entscheidung einer Behörde, festgestellt worden sei. Die Rückzahlungspflicht hänge somit davon ab, dass sich nachträglich eine ursprünglich nicht bekannte Tatsache herausstelle, bei deren Vorliegen schon ursprünglich kein Anspruch auf Leistung bestanden hätte. Auch dieser Tatbestand sei aber nicht verwirklicht, sodass– zusammenfassend – für die Rückforderung des widerrufenen Teils des Kinderbetreuungsgeldes keine Rechtsgrundlage gegeben sei.
Auch im vorliegenden Verfahren sei der Kläger nicht durch ein Erinnerungsschreiben aufgefordert worden, den fehlenden Nachweis über die zehnte Mutter-Kind-Pass-Untersuchung vorzulegen. Da dieser Nachweis aber von seiner Gattin zur Post gegeben worden sei, habe er darauf vertrauen dürfen, dass er der beklagten Partei zugegangen sei.
Auch wenn der Kläger die Beweislast für den Verlust zu tragen habe, lasse sich daraus noch kein Verschulden ableiten, das zu einer Rückforderung eines Teils des Kinderbetreuungsgeldes führe. Der Klageanspruch erweise sich daher als berechtigt.
In ihrer gegen diese Entscheidung gerichteten außerordentlichen Revision macht die beklagte Partei im Wesentlichen geltend, der von ihr gegen die Entscheidung 7 Rs 49/14y des Oberlandesgerichts Wien erhobenen außerordentlichen Revision habe der Oberste Gerichtshof bereits mit Entscheidung vom 30. 6. 2015, AZ 10 ObS 157/14g, Folge gegeben und ausgesprochen, dass sich der Rückforderungstatbestand nach § 31 Abs 2 erster Fall KBGG auch auf solche Umstände beziehe, die erst nach der Gewährung des Anspruchs entstehen und den Sozialversicherungsträger zu einem Widerruf oder einer rückwirkenden Berichtigung der Bemessung berechtigen. Auch im Fall eines nicht rechtzeitigen Nachweises der vorgeschriebenen Untersuchungen sei daher eine Rückforderung nach § 31 Abs 2 erster Fall KBGG zulässig. Da dieser Rückforderungstatbestand unabhängig vom Verschulden bestehe, komme es nicht darauf an, ob dem Kläger hinsichtlich der Nichterbringung des Nachweises ein Vorwurf zu machen sei. Von dieser Rechtsprechung weiche das Urteil des Berufungsgerichts ab. Weiters beruft sich die Revisionswerberin auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, nach der eine Eingabe nur dann als eingebracht anzusehen sei, wenn sie der Behörde auch tatsächlich ausgehändigt worden sei. Diesen Nachweis habe der Kläger nicht erbracht. Die Gefahr des Verlusts der Eingabe trage der Absender. Letztlich bringt die Revisionswerberin (neuerlich) vor, es seien zahlreiche schriftliche Hinweise und Belehrungen über die Untersuchungen und deren Nachweis sowie allfällige Rückforderungsmöglichkeiten erfolgt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Urteil des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu 10 ObS 157/14g abweicht. Die Revision ist im Ergebnis aber nicht berechtigt.
1. Nach § 31 Abs 2 erster Fall KBGG besteht die Verpflichtung zum Ersatz der empfangenen Leistung auch dann, wenn rückwirkend eine Tatsache festgestellt wurde, bei deren Vorliegen kein Anspruch besteht. Als rückwirkend festgestellte Tatsachen im Sinne dieser Bestimmung gelten alle für die Zuerkennung des Anspruchs maßgeblichen Umstände, die mit Rückwirkung erst zu einem nach der Zuerkennung liegenden Zeitpunkt, zum Beispiel durch Gerichtsurteil oder Entscheidung einer Behörde, festgestellt wurden. Dieser Rückforderungstatbestand normiert eine objektive Rückzahlungsverpflichtung, die nur davon abhängig ist, dass sich nachträglich eine (ursprünglich nicht bekannte) Tatsache herausstellte, bei deren Vorliegen kein Anspruch auf die Leistung besteht (10 ObS 106/13f, SSV‑NF 27/63; 10 ObS 91/11x, SSV‑NF 25/102).
2. Dementsprechend ordnet § 30 Abs 2 KBGG an, dass die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen ist, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung einer Leistung nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt (10 ObS 91/11x, SSV‑NF 25/102).
3. Wie in der Revision aufgezeigt bezieht sich dieser Rückforderungstatbestand nicht nur auf Umstände, die bei Gewährung des Anspruchs schon verwirklicht, jedoch nicht bekannt waren und daher nicht berücksichtigt werden konnten, sondern auch auf solche, die erst nach der Gewährung des Anspruchs entstehen und den Sozialversicherungsträger zu einem Widerruf oder einer rückwirkenden Berichtigung der Bemessung berechtigen (siehe 10 ObS 157/14g unter Hinweis auf die Vorgängerbestimmung des § 39 KGG, die sich wiederum an § 25 AlVG 1977 orientierte).
4. Gerade im Zusammenhang mit den Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen sieht der Gesetzgeber die Reduktion des Kinderbetreuungsgeldes jeweils ab einem Zeitpunkt vor, zu dem noch nicht feststeht, ob die Bedingung für eine Reduktion eintreten wird oder nicht, da der Nachweis der Untersuchung in der Regel noch nicht vorliegen wird. Bereits zu den in § 31 Abs 2 zweiter Satz KBGG geregelten Fällen der Überschreitung der Einkommensgrenzen wurde darauf verwiesen, dass dieser von einem Verschulden des Leistungsbeziehers unabhängige Rückforderungstatbestand zeige, dass die Gewährung von Kinderbetreuungsgeld an Personen, bei denen erst im Nachhinein feststellbar ist, ob ihnen diese Leistungen mit Rücksicht auf ihr Einkommen bzw das Einkommen ihres Ehegatten tatsächlich gebührt, vorerst nicht endgültig erfolgt. Die Alternative, dass solchen Personen erst im Nachhinein derartige Sozialleistungen gewährt werden können, wodurch die mit der Gewährung von Kinderbetreuungsgeld bezweckte finanzielle Absicherung von Familien während der Kinderbetreuung konterkariert werden würde, wird vom Gesetzgeber damit vermieden (10 ObS 4/13f, SSV-NF 27/7). Dieselben Wertungen liegen aber auch der Auszahlung von Kinderbetreuungsgeld vor dem Zeitpunkt zu Grunde, zu dem feststeht, ob die vorgeschriebenen Untersuchungen durchgeführt wurden und deren Nachweis erfolgen wird.
5. Im Fall einer Nichtdurchführung einer Mutter-Kind-Pass-Untersuchung oder eines nicht rechtzeitigen Nachweises einer solchen Untersuchung ist demnach eine Rückforderung im Hinblick auf die Kürzung des Kinderbetreuungsgeldes nach § 24a Abs 4 KBGG zu Unrecht ausgezahlten Betrags nach § 31 Abs 2 erster Satz KBGG zulässig (RIS‑Justiz RS0130214). Da dieser Rückforderungstatbestand unabhängig vom Verschulden besteht, kommt es – wie die Revisionswerberin aufzeigt – für die Erfüllung des Rückforderungstatbestands nicht darauf an, ob dem Kläger hinsichtlich der Nichterbringung des Nachweises ein Vorwurf zu machen ist oder nicht.
6.1 Ungeachtet der in § 24c Abs 1 KBGG genannten Anspruchsvoraussetzungen (Vornahme der Untersuchungen bzw deren Nachweis) besteht der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld (ausnahmsweise) auch dann, wenn die Vornahme oder der Nachweis der Untersuchungen aus Gründen die nicht vom beziehenden Elternteil zu vertreten sind, unterbleibt (Z 1), oder der Nachweis bis spätestens zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes nachgebracht wird (Z 2).
6.2 Zu prüfen ist daher, ob der Kläger (als der das Kinderbetreuungsgeld beziehende Elternteil) das Unterbleiben des Nachweises der zehnten Mutter-Kind-Pass-Untersuchung zu vertreten hat (§ 24c Abs 2 Z 1 KBGG).
Im Gesetz wird nicht näher ausgeführt, welcher Gestalt die Gründe sein müssen, die nach § 24c Abs 2 Z 1 KBGG zu einer Nachsicht von der Anspruchskürzung führen. Den Gesetzesmaterialien zu § 24c KBGG ist lediglich zu entnehmen, dass die Nachsicht von der Kürzung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes von denselben Kriterien abhängt wie die bereits in § 7 KBGG vorgesehene Nachsicht von der Kürzung des pauschalen Kinderbetreuungsgeldes (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 19 zu BGBl I 2009/116). Auch in § 7 Abs 4 Z 1 KBGG und in § 8 MuKiPassV werden keine Beispiele für vom beziehenden Elternteil nicht zu vertretende Gründe genannt. Beispiele finden sich in den Gesetzesmaterialien und dem Durchführungserlass zum KBGG (letzterer abgedruckt bei Ehmer ua, KBGG² 278 ff [301]). Als nicht zu vertretende Gründe werden dort zu § 7 KBGG die Fälle der Adoption genannt (in diesem Fall seien nur jene Untersuchungen nachzuweisen, die nach der Übernahme des Kindes stattgefunden haben), weiters derjenige des längerfristigen Auslandsaufenthalts in einem Land, in welchem derartige Untersuchungen nicht möglich sind, oder der Fall, dass der Vater mangels Kontakt mit der Mutter keinen Einfluss auf die Durchführung der Schwangerschaftsuntersuchungen hatte (Ehmer ua, KBGG² 301). Die Fälle des Auslandsaufenhalts und der Adoption sind auch in den Materialien zu § 7 Abs 3 KBGG in der Stammfassung (ErläutRV 229 BlgNR 23. GP 6) und zu § 7 Abs 4 KBGG idF der Novelle BGBl I 2007/76 (ErläutRV 229 BlgNR 23. GP 6) sowie idF BGBl I 2009/116 (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 12) enthalten.
6.3 Die Gründe, die den Nachweis verhindern, können somit sowohl in der Sphäre des beziehenden Elternteils als auch in der des nicht beziehenden Elternteils liegen (Ehmer in Ehmer ua KBGG2 130). Ausschlaggebend ist, dass sie der beziehende Elternteil nicht zu vertreten hat, dass ihm also kein rechtlich relevanter Vorwurf gemacht werden kann.
6.4 Demnach kommt es nicht darauf an, ob der Kläger in der Lage ist, den Beweis des Einlangens der mit der Post beförderten Sendung bei der Verwaltungsbehörde (der beklagten Partei) zu erbringen, wofür nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs im Verwaltungsverfahren den Absender die Beweislast trifft und der Beweis der Postaufgabe nicht ausreicht (VwGH 2002/13/0165; VwGH 94/02/0400 ua). Diese Rechtsprechung betrifft aber allein die verfahrensrechtliche Frage der Beweislast für das Einlangen eines Schriftstücks bei der Behörde, während im vorliegenden Fall maßgeblich ist, ob dem Kläger aus dem Nichteinlangen der nicht eingeschrieben zu Post gegebenen Sendung bei der beklagten Partei ein rechtlich relevanter Vorwurf iSd § 24c Abs 2 Z 1 KBGG zu machen ist.
6.5 Nach der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 24c Abs 2 Z 1 KBGG ist der Umstand des bloßen Übersehens der Verpflichtung zur Erbringung eines rechtzeitigen Nachweises einer Mutter-Kind-Pass-Untersuchung für die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld nicht ausreichend (10 ObS 157/14g). Ebenso wenig entschuldigt das allgemeine Ansteckungsrisiko bei einer Grippewelle im Warteraum eines Kinderfacharztes für eine verspätete Vornahme der Untersuchung (10 ObS 45/15p). Hingegen wurden schwere gesundheitliche Probleme der Mutter und der dadurch hervorgerufene Ausnahmezustand ihrer Familie als ausreichend angesehen (10 ObS 140/15h). Die Frage, ob der das Kinderbetreuungsgeld beziehende Elternteil den nicht rechtzeitigen Nachweis einer Mutter-Kind-Pass-Untersuchung zu vertreten hat, hängt aber immer von den Umständen des Einzelfalls ab (siehe RIS‑Justiz RS0130213 zur nicht rechtzeitigen Durchführung einer Mutter-Kind-Pass-Untersuchung).
7. Auch wenn Vorsichts‑ und Beweisgründe für die Aufgabe von rechtlich bedeutsamen Poststücken als Einschreibsendung sprechen, besteht – wie schon das Erstgericht ausgeführt hat – zur eingeschriebenen Aufgabe des Nachweises einer Mutter-Kind-Pass-Untersuchung weder eine Rechtspflicht noch sind im konkreten Fall Umstände hervorgekommen, die den Kläger oder seine Gattin zu spezifischer Vorsicht im Zusammenhang mit der Übermittlung der Untersuchungsbestätigung an die beklagte Partei im Postweg veranlassen hätten müssen. Mit dem Ersuchen an seine Ehefrau, die Untersuchungsbestätigung eingeschrieben abzusenden, hat der Kläger in ausreichender Weise für die Erfüllung der Nachweisobliegenheit Sorge getragen. Wenn die Absendung infolge eines Versehens der Ehefrau dann nicht eingeschrieben erfolgte und das tatsächliche Einlangen bei der beklagten Partei wegen eines in der Sphäre der Post liegenden Fehlers unterblieb, ist dies nicht vom Kläger zu vertreten. Im Regelfall darf nämlich davon ausgegangen werden, dass die Österreichische Post AG ihre Beförderungs- und Zustellverpflichtung auch dann ordnungsgemäß erfüllt, wenn eine Sendung nicht eingeschrieben zur Post gegeben wird. Die Beurteilung, der Nachweis der Untersuchung bzw der Nichtzugang der zur Post gegebenen Untersuchungsbestätigung sei aus einem nicht vom Kläger zu vertretenden Grund unterblieben, ist daher zu bestätigen.
8. Dass der 18. Lebensmonat des Kindes im Zeitpunkt der Absendung der Untersuchungsbestätigung an die beklagte Partei bereits vollendet und daher die in § 24c Abs 1 KBGG vorgegebene Vorlagefrist abgelaufen war, gereicht dem Kläger nicht zum Nachteil, weil ihm nach § 24c Abs 2 Z 2 KBGG noch die Möglichkeit offen stand, den Nachweis zur Wahrung seines Anspruchs bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes, somit bis zum 4. 12. 2014, nachzubringen.
Die Revision bleibt daher im Ergebnis nicht erfolgreich.
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