Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 309,69 EUR (darin enthalten 51,61 EUR USt) verzeichneten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 26. 7. 1942 geborene Klägerin ist eine rumänische Staatsangehörige, die seit 1992 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat. Sie bezieht eine rumänische Eigenpension in Höhe von monatlich 618 RON (12 mal jährlich); dies entspricht umgerechnet 143,34 EUR. In Österreich wohnt sie in der Eigentumswohnung ihres Sohnes, der ihr dort ein Zimmer zur Verfügung stellt. Sie hat weder Miete noch Betriebskosten zu bezahlen, führt aber den gemeinsamen Haushalt. Ihr Sohn hatte 1994, 1995 und 1997 Verpflichtungserklärungen gemäß § 10 Abs 3 Z 2 FrG abgegeben, mit welchen er bestätigt hatte, für den Unterhalt und die Unterkunft seiner Mutter aufzukommen. Er verdient als Selbstständiger derzeit durchschnittlich 1.500 EUR netto pro Monat und hat eine Sorgepflicht für eine 15-jährige Tochter.
Mit Bescheid vom 29. 7. 2010 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 10. 6. 2010 auf Gewährung der Ausgleichszulage unter Hinweis auf die aufgrund der Haftungserklärung des Sohnes mit 633,56 EUR anzunehmende Unterhaltsleistung ab.
Die Klägerin bringt im Wesentlichen vor, seit dem Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union (am 1. 7. 2007) und der damit einhergehenden „Personenfreiheit“ sei es (auch) für rumänische Alterspensionisten möglich, ihren Wohnsitz in Österreich zu begründen und hier die Ausgleichszulage zu beziehen. Vor dem Beitritt seien nach dem damals geltenden österreichischen Fremdenrecht zur Erwirkung einer Aufenthaltsberechtigung eines rumänischen Staatsangehörigen in Österreich zwingend Verpflichtungserklärungen abzugeben gewesen. Auch ihr Sohn habe für sie Verpflichtungserklärungen abgegeben, um ihr den Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen. Offenbar werte die beklagte Partei nunmehr aber diese Verpflichtungserklärungen als generelle Unterhaltsverpflichtung und unterstelle ihr ein die Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes erreichendes Einkommen, obwohl sie gegenüber ihrem Sohn weder einen gesetzlichen noch einen vertraglichen Unterhaltsanspruch habe und von ihm auch keine Unterhaltszahlungen erhalte. Abgesehen davon, dass die Verpflichtungserklärungen damals nur zur Erlangung eines Visums und für den Zeitraum der Gültigkeit des Visums abgegeben worden waren, käme derartigen Erklärungen nach dem Beitritt Rumäniens zur EU ohnedies keine Relevanz mehr zu.
Die beklagte Partei wendet zusammengefasst ein, mangels Arbeitnehmereigenschaft könne die Klägerin ihr Recht auf Aufenthalt in Österreich nur als Familienangehörige oder als Unionsbürgerin ableiten. Ein originäres Freizügigkeitsrecht als Familienangehörige existiere nicht. Im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG bzw des § 52 Abs 1 NAG gelten als Familienanghörige Verwandte in aufsteigender Linie nur, wenn ihnen tatsächlich Unterhalt geleistet werde. Den zur Rechtfertigung von Aufenthaltstiteln für Familienangehörige abgegebenen Haftungserklärungen komme aus diesem Grund auch nach dem Beitritt Rumäniens zur EU unverändert Bedeutung zu. Sofern sich die Klägerin auf die Freizügigkeit als Unionsbürgerin berufe, sei dieses Recht insofern beschränkt, als auch Unionsbürger über einen Unfall- und Krankenversicherungsschutz und ausreichende eigene Existenzmittel verfügen müssen. Das Fehlen dieser Voraussetzungen könne durch eine Patronatserklärung eines Dritten ersetzt werden. Diese Erklärung ermögliche dem Unionsbürger einen rechtmäßigen Aufenthalt und zeitige die Wirkung, dass der die Haftungserklärung Abgebende subsidiär für die dem Aufenthaltswerber fehlenden Existenzmittel hafte. Die Klägerin, die ihr Aufenthaltsrecht nicht aus der Arbeitnehmerfreizügigkeit ableite, sondern aus ihrer Eigenschaft als Familienangehörige, habe deshalb gegenüber ihrem Sohn, der für sie die Patronatserklärung abgegeben habe, einen auf den Ausgleichszulagenrichtsatz anzurechnenden Unterhaltsanspruch. Sollte die Klägerin keinen Unterhalt erhalten, sei dies ohne Belang, weil ein Verzicht auf vereinbarten Unterhalt eine Unterhaltsanrechnung nicht hindere und zudem gegen die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts sprechen würde. Jedenfalls sei bei der Berechnung der Ausgleichszulage das der Klägerin vom Sohn eingeräumte und in Geld zu bewertende Wohnrecht zu berücksichtigen.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab 1. 7. 2010 die Ausgleichszulage in der gesetzlichen Höhe unter Anrechnung ihrer Eigenpension (von 143,34 EUR) und des Sachbezugs der freien Station (in Höhe von derzeit 250,50 EUR) zu gewähren.
Rechtlich ging es davon aus, dass Patronatserklärungen gegenüber der Fremdenbehörde abgegeben würden und keinen gesetzlichen oder vertraglichen Unterhaltsanspruch begründen. Eine Bewertung der vom Sohn der Klägerin abgegebenen Verpflichtungserklärungen im Sinne eines fiktiven Unterhaltsanspruchs sei deshalb nicht zulässig. Da der Klägerin aber von ihrem Sohn freie Unterkunft und Verpflegung gewährt werde, sei die Ausgleichszulage durch den Sachbezug der vollen freien Station zu vermindern, der mit 250,50 EUR monatlich zu veranschlagen sei. Die Höhe der zuzuerkennenden Ausgleichszulage errechne sich demnach mit 390,15 EUR monatlich (793,99 EUR - richtig wohl 783,99 EUR - abzüglich der Eigenpension von 143,34 EUR und des Sachbezugs von 250,50 EUR).
Das Berufungsgericht gab der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der beklagten Partei nicht Folge, änderte aber infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil dahingehend ab, dass es die beklagte Partei schuldig erkannte, der klagenden Partei ab 1. 7. 2010 die Ausgleichszulage in monatlicher Höhe von 590,55 EUR zu bezahlen (unter Anrechnung der rumänischen Eigenpension von 143,34 EUR sowie unter Anrechnung von 50,10 EUR an Sachbezug für freies Wohnen). Das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren Betrags an Ausgleichszulage in Höhe von 0,10 EUR monatlich wurde abgewiesen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil sich der Oberste Gerichtshof in jüngerer Zeit mit den Rechtswirkungen der fremdenrechtlichen Patronatserklärungen in ausgleichszulagenrechtlicher Hinsicht nicht auseinandergesetzt habe.
Rechtlich ging das Berufungsgericht zusammengefasst davon aus, dass nach Art 10a der VO EWG 1408/71 die Ausgleichszulage an eine von einem anderen EU-Mitgliedstaat gewährte Pensionsleistung anknüpfe. Der - nach nationalem österreichischen Recht eine Voraussetzung für den Bezug der Ausgleichszulage darstellende - gewöhnliche Aufenthalt der Klägerin in Österreich stehe nicht in Frage. Da die Klägerin sich aufgrund wirksamer Aufenthaltstitel schon seit 1992 im Inland aufhält, habe sie nunmehr Anspruch auf den unbefristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-Familienangehöriger“. Infolge der weit über fünfjährigen Aufenthaltsverfestigung im Inland könne ihr der Aufenthalt im Inland wegen mangelnder Mittel nicht mehr versagt werden. Da kein Anwendungsfall des mit dem BudgebegleitG 2011 geänderten § 51 NAG bzw keine Erstantragsstellung iSd (ebenfalls mit dem BudgebegleitG 2011 geänderten) § 11 Abs 5 NAG vorliege, müsse auf die durch diese Regelungen bewirkte Änderung der Rechtslage nicht eingegangen werden. Die Verpflichtungserklärungen des Sohnes zur subsidiären Unterhaltsgewährung seien einzig und allein aus dem Fremdenrecht erklärbar und nicht geeignet, den Anspruch auf Ausgleichszulage aufzuheben oder zu schmälern. Im Übrigen seien die 1994, 1995 und 1997 abgegebenen Verpflichtungserklärungen zum Stichtag (1. 7. 2010) längst wirkungslos, weil sich diese Erklärungen auf die vormals damit im Zusammenhang stehende jeweilige befristete Aufenthaltsdauer bezogen hätten. Die Abgabe von Patronatserklärungen, die zum Zeitpunkt des Stichtags Gültigkeit hätte, sei nicht behauptet worden. Solche Erklärungen wären angesichts der maßgeblichen Rechtslage auch nicht von Relevanz.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei. Die Revision ist zulässig, weil die einen vergleichbaren Sachverhalt betreffende Grundsatzentscheidung 10 ObS 172/10g und 10 ObS 20/11f jeweils vom 21. 7. 2011 im - gebührenfrei zugänglichen - RIS-Justiz bisher noch nicht veröffentlicht wurde (vgl Zechner in Fasching/Konecny² § 502 Rz 30; E. Kodek in Rechberger, ZPO³ § 502 Rz 18 mwN).
Die Revisionswerberin macht zusammengefasst geltend, aus dem Gemeinschaftsrecht sei die soziale Gleichstellung von Personen, die nicht die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Anspruch nehmen könnten, nicht ableitbar. Die Unterhaltsgewährung durch den Arbeitnehmer stelle in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle dar. Das Gemeinschaftsrecht räume den Mitgliedstaaten ein, Beschränkungen in ihren nationalen Bestimmungen aufzunehmen. Der österreichische Gesetzgeber habe im NAG das Recht auf Niederlassung von Unionsbürgern, die keine Arbeitnehmer iSd VO 1612/68 seien, an die Voraussetzung ausreichender Existenzmittel und eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes geknüpft. Wenn das Berufungsgericht nach 5-jähriger Niederlassung den unbefristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-Familienangehöriger“ annehme, stehe dies mit § 48 Abs 1 NAG nicht im Einklang, weil der Aufenthalt nicht zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen dürfe (§ 11 Abs 5 NAG). Die Ausgleichszulage stelle ihrer Finanzierung nach eine vom Bund zu tragende Sozialhilfeleistung dar, sodass eine finanzielle Belastung des Bundes als Gebietskörperschaft iSd § 11 Abs 5 NAG gegeben wäre. Fehlende Unterhaltsmittel könnten durch Unterhaltsansprüche oder eine Haftungs- oder Patenschaftserklärung nachgewiesen werden, denen im Bereich des NAG kein subsidiärer Charakter mehr zukomme. Diese Verpflichtungserklärungen seien bei der Beurteilung des Anspruchs auf Ausgleichszulage zu berücksichtigen. Der Argumentation, es komme gemäß § 11 Abs 5 NAG zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weil ohnehin ein Anspruch auf Ausgleichszulage (unter Nichtberücksichtigung von sonstigen Einkünften) zustehe, sei nicht zu folgen, weil ansonsten ein „Zirkelschluss“ in Gang gesetzt würde.
Rechtliche Beurteilung
Dazu ist auszuführen:
1. Mit dem am 1. 1. 2007 wirksam gewordenen Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union (Vertrag zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Republik Bulgarien und Rumänien über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union vom 25. 4. 2005, ABl Nr L157 vom 21. 6. 2005, BGBl III 2006/185) ist die Klägerin freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürgerin geworden. Nach Art 45 Abs 1 AEUV ist innerhalb der Union die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet. Weiters verleiht die Unionsbürgerschaft jedem, der Staatsbürger eines Mitgliedstaats ist, das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten (vgl Art 21 Abs 1 AEUV). Zu den „Durchführungsvorschriften“ zählt die RL 2004/38/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. 4. 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Unionsbürger-RL). Die RL 2004/38/EG regelt die Bedingungen, unter denen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten genießen.
Nach der Rechtsprechung des EuGH gehen die wirtschaftsbezogenen Freizügigkeitsrechte der Arbeitnehmer (Art 45 AEUV) dem allgemeinen Freizügigkeitsrecht nach Art 21 Abs 1 AEUV vor (Kolonovits in Mayer [Hrsg], EUV/AEUV Art 21 AEUV Rz 9 mwN). Fällt daher ein Sachverhalt unter die Arbeitnehmerfreizügigkeit, ist eine Berufung auf die „ allgemeinen“ Freizügigkeitsbestimmungen aufgrund der Unionsbürgerschaft nicht erforderlich (Schrammel/Winkler, Europäisches Arbeits- und Sozialrecht 2010, 30 mwN).
Die Klägerin hat sich auf „die mit dem Beitritt Rumäniens zur EU einhergehende Personenfreiheit“ berufen. Dass sie damit das jedem Unionsbürger in Art 21 AEUV eingeräumte Grundrecht auf Bewegungsfreiheit und Aufenthalt und nicht das sich aus einer Eigenschaft als Arbeitnehmerin bzw als Familienangehörige eines Arbeitnehmers oder der Niederlassungsfreiheit eines Selbstständigen resultierende Freizügigkeitsrecht nach Art 45 Abs 1 AEUV geltend machen will, wird insbesondere daraus ersichtlich, dass sie weder behauptet, in Österreich jemals Arbeitnehmerin gewesen zu sein, noch ein Vorbringen erstattet, aus dem sich ihre Eigenschaft als „Familienangehörige“ eines Arbeitnehmers oder Selbstständigen ableiten ließe. Diese Eigenschaft wäre aber Voraussetzung dafür, dass sie ein von einem Wanderarbeitnehmer oder Selbstständigen abgeleitetes Recht auf Aufenthalt und Verbleib erfolgreich geltend machen könnte (vgl Art 2 Abs 1 iVm Art 1 lit i VO 1408/71 bzw Art 2 Abs 1 iVm Art 1 lit i VO 883/2004 , Art 2 RL 2004/38/EG ). So setzt etwa das Aufenthaltsrecht nachziehender Personen in aufsteigender Linie die Unterhaltsgewährung im Heimatland voraus (M. Windisch-Graetz, Neuerungen im Europäischen koordinierten Sozialrecht, DRdA 2011, 219, 225). Es ist somit lediglich auf das sich aus der Unionsbürgerschaft abgeleitete Aufenthaltsrecht einzugehen.
2. Zu diesem und dem Anspruch auf Ausgleichszulage hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 10 ObS 20/11f vom 21. 7. 2011 Stellung genommen. Gegenstand dieser Entscheidung war ein Antrag auf Ausgleichszulage eines 1922 geborenen rumänischen Staatsbürgers, welcher seit mehr als fünf Jahren in Österreich aufhältig war und von einem rumänischen Sozialversicherungsträger eine Alterspension bezog. Obwohl dessen Sohn gegenüber der Aufenthaltsbehörde eine Unterhaltserklärung abgegeben hatte, wurde der Anspruch auf Ausgleichszulage bejaht. Auf die Begründung dieser Entscheidung kann verwiesen werden. Deren maßgebliche Aussagen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
2.1. Hinsichtlich des sich aus der RL 2004/38/EG ergebenden Aufenthaltsrechts ist zu unterscheiden: Das Aufenthaltsrecht bis zu drei Monaten (Art 6), das Aufenthaltsrecht für mehr als drei Monate (Art 7) sowie das Recht auf Daueraufenthalt, das grundsätzlich erworben wird, wenn sich der Unionsbürger rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedsstaat aufgehalten hat (Art 16). Während das Aufenthaltsrecht für mehr als drei Monate (Art 7) für Arbeitnehmer oder Selbstständige im Aufnahmemitgliedsstaat ohne weitere Voraussetzung gewährt wird, ist es für nicht-erwerbstätige Unionsbürger und Studenten an die Bedingungen einer ausreichenden Krankenversicherung und notwendiger Existenzmittel geknüpft, damit die Unionsbürger nicht die Sozialhilfe des Aufnahmestaats in Anspruch nehmen müssen. Demgegenüber ergibt sich aus Art 16 der RL 2004/38/EG für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen ein Daueraufenthaltsrecht nach einem ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren im Aufnahmemitgliedstaat, für das die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erforderlich ist und das auch nicht an die Voraussetzungen des Kapitels III (Art 6 ff) geknüpft ist, insbesondere daher auch nicht an die Bedingungen und Beschränkungen eines Aufenthaltsrechts nach Art 7 (ausreichende Existenzmittel und umfassender Krankenversicherungsschutz - Art 16 Abs 1). Hält sich ein Unionsbürger rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat auf, so gilt er als hinreichend in die Gesellschaft integriert und ist diesbezüglich einem Inländer gleichzustellen.
2.2. Der EuGH hat zu Art 16 Abs 1 der RL 2004/38/EG bereits entschieden, dass auch ununterbrochene Aufenthaltszeiten von fünf Jahren, die vor dem 30. 4. 2006 (= Datum für die Umsetzung dieser Richtlinie) zurückgelegt wurden, für die Zwecke des Erwerbs des Rechts auf Daueraufenthalt nach Art 16 Abs 1 zu berücksichtigen sind (EuGH Rs C-162/09 , Lassal, Rn 29 ff).
2.3. Jeder Unionsbürger hat aufgrund des Art 21 iVm Art 18 AEUV in allen anderen Mitgliedstaaten einen Anspruch auf gleiche rechtliche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Staats, die sich in der gleichen Situation befinden, wenn der Sachverhalt in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt und keine Beschränkungen und Bedingungen im Vertrag oder in den Durchführungsvorschriften vorgesehen sind, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen und genießt demnach im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedsstaats. Unionsbürger könnten daher alle staatlichen Sozialleistungen erlangen, die Staatsbürgern in einer vergleichbaren Situation zustehen.
2.4. Die RL 2004/38/EG ist in Österreich im Rahmen des Fremdenrechtspakets 2005 durch das Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und AufenthaltsG - NAG), BGBl I 2005/100, innerstaatlich umgesetzt worden. Das 4. Hauptstück des 2. Teils (§§ 51-57) regelt das gemeinschaftsrechtliche Aufenthalts- und Niederlassungsrecht. Das Aufenthaltsrecht ergibt sich in diesen Fällen nicht aus einer nationalen gesetzlichen Berechtigung, sondern kraft unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts; es ist durch besondere Dokumente nachzuweisen, denen aber lediglich deklaratorische Wirkung zukommt und die die Existenz des bestehenden subjektiven Rechts an sich nicht betreffen. § 51 NAG regelt das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate in Anlehnung an Art 7 RL 2004/38/EG . Gemäß § 53a Abs 1 NAG erwerben EWR-Bürger, denen das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52) - unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 - nach fünf Jahren rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthalts auszustellen.
3. Zu den Haftungserklärungen (Haftungserklärung nach § 2 Abs 1 Z 15 NAG bzw Patenschaftserklärung nach § 2 Abs 1 Z 18 NAG) hat der Oberste Gerichtshof mittlerweile in der Entscheidung 10 ObS 172/10g Stellung genommen und die bisherige - zu Verpflichtungserklärungen nach dem seit Inkrafttreten des NAG mit 1. 1. 2006 nicht mehr in Geltung stehenden § 10 Abs 3 Z 2 Fremdenrechtsgesetz 1997 - ergangene Rechtsprechung fortgeschrieben. Es wurde ausgesprochen, dass diese einzig und allein aus dem Fremdenrecht abgeleiteten Erklärungen nicht geeignet seien, den Anspruch auf Ausgleichszulage zu schmälern (10 ObS 176/94, SSV-NF 8/113; 10 ObS 8/95). Der Zweck derartiger Erklärungen sei in der Sicherung jener Kosten zu sehen, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen können, ausgenommen seien aber Belastungen, die sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruchs ergeben. Es sei nicht Sinn und Zweck der Verpflichtungserklärung, eine Gebietskörperschaft oder einen Sozialversicherungsträger von gesetzlich gebührenden Ansprüchen - zu denen auch die Ausgleichszulage zu zählen sei - zu entlasten (RIS-Justiz RS0058853).
4. Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, ergibt sich:
4.1. Nach den Feststellungen bezieht die Klägerin eine Rente von einem rumänischen Versicherungsträger. Nach Art 10a Abs 3 VO 1408/71 ist diese fremdmitgliedstaatliche Pensionsleistung für den Anspruch auf Ausgleichszulage als beitragsunabhängige Sonderleistung einer österreichischen Pensionsleistung gleichzustellen. Auch im Geltungsbereich der neuen Sozialrechtskoordinierungs-VO 883/2004 sind gemäß deren Art 5 Leistungen, die im EU-Ausland bezogen werden, inländischen Leistungen im Bezug auf ihre Rechtswirkungen gleich zu halten. Es haben daher auch EU-Bürger mit einer ausländischen Rente einen Anspruch auf Ausgleichszulage gegenüber dem österreichischen Pensionsversicherungsträger, sofern sie die übrigen Voraussetzungen erfüllen. Zu diesen Voraussetzungen gehört ein gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich und ein Einkommen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz (M. Windisch-Graetz, Neuerungen im Europäischen koordinierten Sozialrecht, DRdA 2011, 219 ff [223]).
4.2.1. Nach § 292 Abs 1 ASVG in der bis zum 31. 12. 2010 maßgebenden Fassung des BudgetbegleitG 2003 BGBl I 2003/71, hat der Pensionsberechtigte, solange er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und sein Einkommen zuzüglich eines aus seinen übrigen Einkünften erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 294 zu berücksichtigenden Beträge nicht die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes (§ 293) erreicht, nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnitts Anspruch auf eine Ausgleichszulage zur Pension.
Nach der zu dieser Rechtslage ergangenen Rechtsprechung gebührt die Ausgleichszulage zwar unabhängig von der Staatsbürgerschaft, setzt aber einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland voraus, der sich ausschließlich nach den tatsächlichen Umständen bestimmt. Ob ein gewöhnlicher Aufenthalt vorliegt, bestimmt sich nach seiner Dauer, nach seiner Beständigkeit sowie anderen Umständen persönlicher oder beruflicher Art, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen (RIS-Justiz RS0085478; RS0106709 [T1]; RS0106710). Dass die Klägerin seit 1992 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich begründet hat, wird von der beklagten Partei nicht bestritten. Diese bezweifelt auch nicht, dass sich die Klägerin iSd Art 16 der RL 2004/38/EG rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen in Österreich (als Aufnahmemitgliedsstaat) aufgehalten hat. Sie hat damit gemäß Art 16 Abs 1 RL 2004/38/EG das Daueraufenthaltsrecht im Inland erlangt, das nicht an die sonst üblichen Voraussetzungen (insbesondere ausreichende Existenzmittel und umfassenden Krankenversicherungsschutz) geknüpft ist.
4.2.2. Das Gericht hat in jeder Lage des Verfahrens auf eine Änderung der Rechtslage Bedacht zu nehmen, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das in Streit stehende Rechtsverhältnis anzuwenden sind. Es ist nach den Übergangsbestimmungen zu beurteilen, ob eine Gesetzesänderung für ein laufendes Verfahren zu beachten ist (RIS-Justiz RS0031419). Änderungen zwingenden Rechts sind, sofern nicht Übergangsrecht etwas anderes bestimmt, vom Rechtsmittelgericht ohne weiteres von Amts wegen seiner Entscheidung zu Grunde zu legen, auch wenn der zu beurteilende Sachverhalt bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht wird ( RIS-Justiz RS0106868). Da der Anspruch auf Ausgleichszulage mit dem Ende des Monats wegfallen würde, in dem die Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind (§ 296 Abs 2 Satz 4 ASVG; Ziegelbauer in Sonntag, ASVG2 § 296 Rz 4), ist auf die durch das BudgetbegleitG 2011 mit 1. 1. 2011 eingetretene Rechtsänderung auch im Revisionsverfahren noch Bedacht zu nehmen.
Durch Art 115 Z 54 des BudgetbegleitG 2011 wurde § 292 Abs 1 ASVG dahin abgeändert, dass der Ausdruck „gewöhnlicher Aufenthalt“ durch den Ausdruck „rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt“ ersetzt wurde. Aus den Gesetzesmaterialien (981 BlgNR 24. GP, 208) ergibt sich, dass durch das Abstellen auf den „ rechtmäßigen Aufenthalt“ in § 292 Abs 1 ASVG ein Gleichklang der Ausgleichszulagenregelung mit dem europäischen und österreichischen Aufenthaltsrecht hergestellt werden soll. § 292 Abs 1 idF des Art 115 Z 54 BudgetbegleitG 2011 trat am 1. 1. 2011 in Kraft (§ 658 Abs 1 Z 1 ASVG). Seit diesem Zeitpunkt bestimmt sich das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts somit nicht mehr wie bisher ausschließlich nach den tatsächlichen Umständen (Ziegelbauer in Sonntag, ASVG2 § 292 Rz 4).
Das Aufenthaltsrecht der Klägerin entspricht aber auch dem (neuen) Kriterium der „Rechtmäßigkeit“, hat sie doch - wie bereits dargelegt - als Unionsbürgerin das Daueraufenthaltsrecht gemäß Art 16 der RL 2004/38/EG nach einem ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren in Österreich erworben. Auch gemäß der innerstaatlichen Rechtslage erwarb die Klägerin als EWR-Bürgerin, der das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), (unabhängig vom Vorliegen der weiteren Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52) nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt.
4.3. Das Daueraufenthaltsrecht ist gemäß § 53a NAG nur (rein deklarativ) zu bescheinigen. § 48 NAG gelangt im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung. Er regelt einen anderen Aufenthaltstatbestand, der die Erteilung eines Aufenthaltstitels an Familienangehörige von dauernd in Österreich wohnhaften „Zusammenführenden“ („Daueraufenthalt-Familienangehöriger“) betrifft.
4.4. Entgegen dem Einwand der Revisionswerberin sind bei der Beurteilung des Ausgleichszulagenanspruchs der Klägerin die von deren Sohn 1994, 1995 und 1997 gemäß dem damals in Geltung stehenden § 10 Abs 3 Z 2 FrG abgegebenen Verpflichtungserklärungen nicht zu berücksichtigen. Diese rein aus dem Fremdenrecht abgeleiteten Erklärungen sind nicht geeignet, den Anspruch auf Ausgleichszulage zu schmälern.
Zusammenfassend ist somit festzuhalten:
Die Klägerin hat als Unionsbürgerin, die sich aufgrund der RL 2004/38/EG mehr als fünf Jahre in Österreich (rechtmäßig) aufhält, das Recht auf die gleiche Behandlung wie die österreichischen Staatsangehörigen. Sie hat - bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen - auch Anspruch auf Ausgleichszulage. Dieser Anspruch wird nicht dadurch geschmälert, dass sich ihr Sohn vormals (noch im zeitlichen Geltungsbereich des Fremdenrechtsgesetzes) gegenüber den Aufenthaltsbehörden zur subsidiären Unterhaltsgewährung verpflichtet hat.
Die Revision der beklagten Partei erweist sich aus diesen Gründen als nicht erfolgreich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Im Zusammenhang mit dem Kostenzuspruch ist anzumerken, dass mangels einer dem Berufungsverfahren entsprechenden Rechtsgrundlage (§ 23 RATG) im Revisionsverfahren nicht der dreifache, sondern nur der einfache Einheitssatz für Nebenleistungen zusteht (RIS-Justiz RS0115069). Im Übrigen kann über den von der Klägerin gewählten niedrigen Ansatz (TP 3B statt TP 3C) nicht hinausgegangen werden (§ 405 ZPO).
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