European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00052.18X.0626.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Der Kläger betreibt seit Oktober 2009 an seinem Wohnsitz ein Handelsgewerbe mit Verpackungsmaterialien. Am 21. 10. 2014 kam er anlässlich des Beladens seines Autos mit Verpackungsmustern beim Hinuntersteigen einer Treppe auf feuchtem Laub zu Sturz. Es waren keine äußeren Verletzungszeichen sichtbar, dennoch bestehen seit dem Sturz gravierende neurologische Funktionsausfälle („zentromedulläres Syndrom“). Der Kläger hatte bereits seit 1997 eine – teilweise anlagebedingte – schwere Vorerkrankung der Halswirbelsäule, nämlich eine fortschreitende Verengung des Spinalkanals im Bereich der Wirbelsäule C3/C4, die zu einer Schädigung des Rückenmarks, schlimmstenfalls auch zu einem zentromedullären Syndrom führen kann. Liegt einmal eine massive Schädigung des Rückenmarks vor, reicht beispielsweise auch ein schlechtes Liegen bzw ein ruckartiges Aufstehen, um das zentromedulläre Syndrom auszulösen. Beim Sturz vom 21. 10. 2014 hätte es zu einem Verreißen der oberen Halswirbelsäule kommen können. Dieses Verreißen hätte aber ohne die bestehende Vorschädigung nicht zu einem zentromedullären Syndrom geführt.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren, die beklagte Unfallversicherungsanstalt möge anerkennen, dass die Krankheitsfolge Folge eines Arbeitsunfalls iSd § 175 ASVG sei und dem Kläger eine Versehrtenrente oder eine sonstige Entschädigung aus der Unfallversicherung zuerkennen, ab. Rechtlich gingen die Vorinstanzen zusammengefasst davon aus, dass die Vorerkrankung wesentliche Bedingung für das Auftreten der neurologischen Funktionsstörung gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision des Klägers ist nicht zulässig. Die Vorinstanzen haben die einschlägige Rechtsprechung zutreffend wiedergegeben. Den Revisionsausführungen ist Folgendes zu entgegnen:
1.1 Die Beantwortung der Frage, ob bestehende Beschwerden in medizinischer Hinsicht Folgen eines Unfalls sind, also die Feststellung der sogenannten natürlichen Kausalität, gehört nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Tatsachenbereich und ist keine Rechtsfrage (10 ObS 241/98h mwN; RIS‑Justiz RS0043534).
1.2 Mittels Rechtsrüge sind Gutachtensergebnisse vor dem Obersten Gerichtshof nur bekämpfbar, wenn dabei ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze, (sonstige) Erfahrungssätze oder zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdrucks unterlaufen ist (RIS‑Justiz RS0043404; RS0043168). Der Kläger macht aber nur geltend, die auf dem Gutachten des Gerichtssachverständigen gegründete Schlussfolgerung, die gravierenden neurologischen Ausfälle seien Folge der schicksalhaften Halswirbelsäulenerkrankung sei unrichtig, weil er trotz seiner Vorerkrankung weiterhin anstrengende Sportarten betrieben habe, die nicht zu Folgen geführt hätten, wie sie durch den Sturz vom 21. 10. 2014 ausgelöst worden seien. Das Berufungsgericht habe eine Fehlentscheidung getroffen, weil die Logik und Erfahrung eher dafür spreche, dass der Treppensturz für das Auftreten des zentromedullären Syndroms kausal gewesen sei.
Mit diesen Ausführungen wird aber weder ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze im Sinne einer unlogischen Widersprüchlichkeit des Gutachtens noch ein Widerspruch gegen zwingende Gesetze sprachlichen Ausdrucks aufgezeigt. Beschränkt sich der Sachverständige im Rahmen seiner Erkenntnisquellen und Schlussfolgerungen – wie hier – auf die Beurteilung naturwissenschaftlicher, medizinischer Fragen, so liegt darin kein Verstoß gegen die Denkgesetze (RIS‑Justiz RS0043168 [T6]). Die Revisionsausführungen des Klägers stellen sich inhaltlich vielmehr als – vor dem Obersten Gerichtshof – unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen dar.
2.1 Nach den nicht mehr angreifbaren Tatsachengrundlagen ist daher davon auszugehen, dass an der Halswirbelsäule des Klägers eine wesentliche Vorschädigung im Unfallszeitpunkt bestanden hat und auch relativ häufig vorkommende alltägliche Ereignisse, wie etwa ein ruckartiges Aufstehen zum Auftreten des zentromedullären Syndroms geführt hätten. Da es allein darauf ankommt, dass der Schaden auch bei einer „Alltagsbelastung“ in absehbarer Zeit eingetreten wäre, kann sich der Kläger auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass er vor dem Unfall anstregenden sportlichen Tätigkeiten nachgehen habe können.
2.2 Die von der Revision zitierte Entscheidung 10 ObS 57/92 betrifft einen Sachverhalt, bei dem die Gesundheitsstörung (neurotische Fehlentwicklung) nicht auch durch jedes andere alltägliche Ereignis ausgelöst hätte werden können, sondern durch die bei einem Verkehrsunfall erlittene schwere Verletzung mit langwierigem Behandlungsverlauf, die kein alltägliches Ereignis darstellt. Der gerügte rechtliche Feststellungsmangel liegt daher nicht vor.
3. Scheidet der Unfall vom 21. 10. 2014 als wesentliche Bedingung für das zentromedulläre Syndrom aus, weicht die Ansicht der Vorinstanzen, die Verletzung sei nicht auf ein unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehendes Ereignis zurückzuführen, nicht, von der ständigen Rechtsprechung ab.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)