OGH 10ObS57/92

OGH10ObS57/9210.3.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Werner Jeitschko (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Pulkrab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Manfed K*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Hermann Fromherz und Dr.Friedrich Fromherz, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (Landesstelle Linz), 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchram und Dr.Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.November 1991, GZ 12 Rs 96/91-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 17. April 1991, GZ 13 Cgs 109/90-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichtes zur Gänze wieder hergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 10.563,84 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 1.760,64 Umsatzsteuer) und die mit S 3.623,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 603,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 8.2.1956 geborene Kläger wurde am 26.9.1988 auf dem Weg zur Arbeit als Mofa-Fahrer von einem Personenkraftwagen niedergestoßen und verletzt. Mit Bescheid der beklagten Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt vom 23.8.1989 wurde dieser Unfall gemäß § 175 ASVG als Arbeitsunfall anerkannt. Gleichzeitig wurde dem Kläger eine Versehrtenrente als vorläufige Rente gemäß § 209 Abs 1 ASVG gewährt, und zwar für die Zeit vom 28.3. bis 30.7.1989 als Vollrente samt Zusatzrente und Kinderzuschüssen, ab 31.7.1989 in Höhe von 20 vH der Vollrente.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 11.7.1990 wurde die bisher gewährte vorläufige Versehrtenrente gemäß § 99 ASVG ab 1.9.1990 entzogen und weiters ausgesprochen, daß ein Anspruch auf Dauerrente gemäß §§ 203, 209 Abs 1 ASVG nicht bestehe, weil eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im rentenbegründenden Ausmaß nicht mehr vorliege.

Mit seiner dagegen erhobenen Klage begehrte der Kläger den Zuspruch einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß über den 1.9.1990 hinaus als Dauerrente. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und wiederholte ihren im Bescheid vertretenen Standpunkt.

Das Erstgericht sprach aus, daß der Kläger aus Anlaß des Arbeitsunfalles vom 26.9.1988 Anspruch auf Gewährung der Vollrente ab 1.9.1990 als Dauerrente samt Zusatzrente und Kinderzuschüssen im gesetzlichen Ausmaß habe. Gleichzeitig trug es der beklagten Partei die Erbringung einer vorläufigen Zahlung von S 10.000 monatlich auf. Es stellte fest, daß im Vordergrund des Geschehens beim Kläger nicht der primäre Unterschenkelbruch mit einer dadurch bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 vH stehe, sondern die weitere Verarbeitung des Unfalltraumas aus psychiatrischer Sicht. Der Kläger falle seit dem Unfall durch ein abnormes Bewegungsmuster von Armen und Beinen auf, dabei handle es sich um eine psychogene Reaktion, nachdem der Kläger auf Grund der herabgesetzten intellektuellen Veranlagung und der geringen Persönlichkeitsdifferenzierung außerstande gewesen sei, die psychischen Belastungen des Unfalles entsprechend zu verarbeiten, sodaß eine massive neurasthenisch-hypochondrische Fehlentwicklung eingesetzt habe, die den Schweregrad einer Psychose besitze und nach dem Unfall zu einer vollständigen Wesensänderung geführt habe. Ohne den Unfall wäre das jetzt vorliegende schwere neurotische Zustandsbild mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht entstanden. Der Kläger sei gänzlich außerstande, Arbeiten von wirtschaftlichem Wert zu erbringen und damit vom allgemeinen Arbeitsmarkt vollständig ausgeschlossen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, es treffe zwar zu, daß die Geistesschwäche als angeborenes Leiden mitverantwortlich für die mangelnde Verarbeitung des Unfalltraumas und die dadurch bedingte neurotische Fehlentwicklung gewesen sei. Es stehe aber fest, daß der schwere neurotische Zustand als Folge des Arbeitsunfalles aufgetreten sei; das Unfalltrauma habe die neurasthenisch-hypochondrische Fehlentwicklung ausgelöst, da der Kläger den Unfall psychisch nicht entsprechend verarbeiten habe können. Damit habe er den Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem bestehenden Leidenszustand, also alle anspruchsbegründenden Umstände bewiesen. Daß aus anlagebedingten Gründen der Leidenszustand in absehbarer Zeit im selben Umfang eingetreten wäre, würde den Versicherungsschutz ausschließen; die objektive Beweislast für diesen Umstand treffe die beklagte Partei. Nach den Feststellungen wäre das schwere neurotische Zustandsbild mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohne den gegenständlichen Arbeitsunfall nicht entstanden. Damit sei der Gegenbeweis nicht erbracht. Der Kläger habe daher Anspruch auf Gewährung einer Dauerrente, die auf Grund des unfallbedingten gänzlichen Ausschlusses vom Arbeitsmarkt mit 100 % samt Zusatzrente und Kinderzuschüssen festzusetzen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens ab. Es nahm eine Beweiswiederholung insbesondere durch neuerliche Einvernahme der ärztlichen Sachverständigen mit Gegenüberstellung vor und traf folgende zum Teil vom Ersturteil abweichende bzw ergänzende Feststellungen:

Der am 8.2.1956 geborene Kläger leidet an einer geistigen Behinderung; es lag eine Oligophrenie und eine neurotische Fehlentwicklung mit psychogenen Körperstörungen vor. Das ursprüngliche Niveau entsprach einer Grenzdebilität. Trotzdem war der Kläger in der Lage, einfache manuelle Arbeiten zu verrichten und sich ständig auf dem Arbeitsmarkt zu halten: Er war seit April 1974 durchgehend als Hilfsarbeiter bei verschiedenen Firmen beschäftigt, vorwiegend im Bauwesen. Zuletzt war er bei einer Leasingfirma beschäftigt und leistete dort Hilfstätigkeiten im Rahmen von Schiffsreparaturen.

Auf dem Weg zur Arbeit wurde der Kläger am 26.9.1988 als Mofa-Fahrer von einem PKW niedergestoßen, er zog sich dabei einen Bruch des rechten Unterschenkels zu, der nur mit großen Komplikationen heilte. Primär wurde im Unfallkrankenhaus ein konservativer Behandlungsweg eingeschlagen und nach Revision eine Fersenbeinnagelextention durchgeführt. Bis 19.12.1988 wurde ein Oberschenkelgips angelegt. Es kam jedoch zu Hautnekrosen, sodaß Hautdeckungen am Unterschenkel durchgeführt werden mußten. Nach neuerlicher Gipsfixation mußte sich der Kläger vom 30.1. bis 25.3.1989 wieder in stationäre Behandlung begeben. Dabei wurde eine Wadenbeinosteotomie (Durchtrennung des Wadenbeines) mit Marknagelung am rechten Unterschenkel durchgeführt. In der Folge kam es zur knöchernen Verheilung, nachdem sich der Kläger im Lauf des Jahres 1989 diversen Rehabilitationsmaßnahmen unterzogen hatte. Der letzte stationäre Aufenthalt im Unfallkrankenhaus erfolgte vom 12.12. bis 18.12.1989 mit Entfernung des Unterschenkelmarknagels. Ende Jänner 1990 war das unfallbedingte Heilverfahren abgeschlossen.

Bei der nunmehrigen Untersuchung wurden aus unfallchirurgischer Sicht als Verletzungsfolgen mehrere Narben im Bereich des Unterschenkels, ein Hautdefekt im Bereich des hinteren Innenknöchels, eine engstellige Beweglichkeitseinschränkung des rechten Kniegelenks, eine geringfügige Beweglichkeitseinschränkung des rechten oberen Sprunggelenks, eine mäßiggradige Muskelverschmächtigung des rechten Oberschenkels und eine Brückenkallusbildung auf Höhe des Bruches zwischen Schien- und Wadenbein festgestellt. Die dadurch bedingten Funktionsbeeinträchtigungen ergaben zum 1.9.1990 aus unfallchirurgischer Sicht eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 vH auf dauernd.

Im Vordergrund des Geschehens steht beim Kläger aber nicht der primäre Unterschenkelbruch, sondern die weitere Verarbeitung des Unfalltraumas aus psychiatrischer Sicht. Seit dem Unfall fällt der Kläger durch ein abnormes Bewegungsmuster von Armen und Beinen auf; dabei handelt es sich um eine psychogene Reaktion, nachdem der Kläger auf Grund der herabgesetzten intellektuellen Veranlagung und der geringen Persönlichkeitsdifferenzierung außerstande war, die psychischen Belastungen des Unfalles entsprechend zu verarbeiten, sodaß eine massive neurasthenisch-hypochondrische Fehlentwicklung einsetzte. Diese erreicht den Schweregrad einer Psychose und führte zu einer vollständigen Änderung im Wesen des Klägers. Neben einer abnormen Bewegungsunruhe der Gliedmaßen und der dadurch bedingten Einschränkung des Ganges und der motorischen Geschicklichkeit kam es auch zu deutlichen Schwankungen in der geistigen Leistungsfähigkeit, sodaß der Kläger bei verschiedenen Intelligenztests nur mehr einen IQ von 67 bzw von zuletzt 55 erreichte. Er ist nunmehr außerstande, Arbeiten von wirtschaftlichem Wert zu erbringen und damit vom allgemeinen Arbeitsmarkt vollständig ausgeschlossen. Aus diesem Grunde bezieht er seit 1.7.1989 die Invaliditätspension. Diese abnormen Bewegungsreaktionen entstehen mehrschichtig, sie haben viele zusammenwirkende Ursachen, und zwar einmal die konstitutionelle Vorgegebenheit und Anlagepersönlichkeit, die individuelle Lebensgeschichte und dann die eigentlichen traumatisierenden Situationen. Die anlagebedingte Vorgegebenheit war durch die bestehende Oligophrenie gekennzeichnet, durch die unsichere Persönlichkeit mit Neigung zur Hypochondrie, die Grundlage für den chronischen Alkoholismus waren. Die eigentliche traumatisierende Situation, nämlich der Unfall vom 26.9.1988, löste beim Kläger weiters Entschädigungs- und Sicherungswünsche aus, die auch immer mit Angst verbunden waren. Der komplizierte Heilungsverlauf der Beinverletzung und die verschiedenen Gerichtsverfahren, die auf Grund des Unfalles ausgelöst wurden, wirkten als Verstärker in Richtung der beschriebenen neurotischen Fehlentwicklung. Der Unfall war der letzte Auslöser hiefür. Sie wäre auch ohne Unfall fortgeschritten, wenn auch nicht so massiv. Der Unfall war somit im Zusammenwirken der verschiedenen Faktoren eine wesentliche Mitursache für den Ausbruch der Neurose im nunmehrigen Ausmaß. Ohne die geistige Behinderung des Klägers wäre es jedoch nicht möglich gewesen, daß eine solch ungewöhnliche Verarbeitung der Unfallsverletzung auftreten konnte. Bei einer vergleichbaren schweren Verletzung mit etwa vergleichbarem medizinischen Behandlungsverlauf wäre es ebenfalls zu den neurotischen Fehlentwicklungen im nunmehr gegebenen Ausmaß gekommen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, die Krankheitsanlage des Klägers sei eindeutig im Vordergrund gestanden. Der Unfall habe zwar eine Ursache für die nunmehr aufgetretenen Beschwerden im psychiatrischen Bereich gebildet, doch wären die neurotischen Bewegungen auch bei jedem anderen ähnlichen Ereignis des alltäglichen Lebens, nämlich bei jedem anderen Unfall, insbesondere Verkehrsunfall mit ähnlich schweren Verletzungen aufgetreten. Der Unfall habe daher lediglich eine Gelegenheitsursache gebildet; die eigentliche Unfallsverletzung würde nur mehr eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 vH nach sich ziehen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens. Es wird die Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils beantragt, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Nach der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung ist als Ursache unter Abwägung ihres Wertes im Verhältnis zu mitwirkenden Ursachen nur diejenige Bedingung anzusehen, die wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen hat. Die Wesentlichkeit ist im Einzelfall nach der Anschauung des täglichen Lebens zu beurteilen. Bei der Verursachung des Unfalls durch mehrere Ereignisse ist Kausalität zu bejahen, wenn eines davon den Kausalverlauf wesentlich mitbeeinflußt hat und der versicherten Tätigkeiten zuzurechnen ist. Tritt eine Ursache gegenüber den anderen erheblich in den Hintergrund, fehlt die Kausalität. Die Judikatur bezeichnet als wesentlich nur jene Bedingungen, ohne deren Mitwirkung der Erfolg zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur im geringeren Umfang eingetreten wäre. Dieser Grundsatz ist auf die sogenannten Anlagefälle zugeschnitten: Der Gesundheitszustand ist zwar real durch eine kausale Einwirkung aus dem Schutzbereich der Unfallversicherung entstanden, doch wäre er aller Wahrscheinlichkeit nach innerhalb kurzer Zeit in ähnlicher Schwere auch auf Grund einer schicksalhaften inneren Anlage entstanden. Der Körperschaden wird nur dann der Unfallversicherung zugerechnet, wenn er ohne den Umstand aus der Gefahrensphäre der Unfallversicherung erheblich später oder erheblich geringer eingetreten wäre (vgl SSV-NF 5/22 mwN). Auch psychisch bedingte Gesundheitsstörungen, die im Anschluß an einen Unfall auftreten, können Unfallfolgen im Rechtssinn sein. Unter Neurosen versteht die medizinische Auffassung psychische Störungen ohne organische Veränderungen des Körpers oder des Nervensystems (vgl Lauterbach, Unfallversicherung 3 47.Lfg 94/1; Podzun, Der Unfallsachbearbeiter 114/8 jeweils unter Hinweis auf BSG 18, 173; 10 Ob S 241/91). Im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung fehlt die Kausalität aber jedenfalls dann, wenn der Unfall auf eine innere Ursache zurückzuführen ist. Das Unfallereignis trifft dann mit einer beim Versicherten bereits vorhandenen Krankheitsanlage zusammen und führt den Körperschaden herbei. Eine innere Ursache liegt vor, wenn ein anlagebedingtes Leiden des Versicherten so leicht ansprechbar ist, daß es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer äußerer Einwirkungen bedürfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis etwa zur selben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Hier tritt der Unfall zufällig während, aber nicht infolge der versicherten Tätigkeit ein, sodaß die versicherte Tätigkeit nicht die wesentliche Ursache bildet (vgl SSV-NF 2/6, 2/7, 4/83, 5/22; 10 Ob S 207/91 = SSV-NF 5/131 - in Druck; Tomandl SV-System

5. ErgLfg 307; Gitter in: Maydell/Ruland (Hrg), Sozialrechtshandbuch 705 F, Schulin, Sozialrecht3 Rz 323; Podzun,

Der Unfallsachbearbeiter 050, 3 f; Bley, Grundbegriffe des Sozialrechts 83 f; ebenso die ständige Rechtsprechung des BSG vgl SGb 1991, 186 mwN). Wie der erkennende Senat, wenn auch im anderen Zusammenhang kürzlich ausgeführt hat (10 Ob S 278/91 = SSV-NF 5/140 - in Druck), kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob wegen der krankhaften Veranlagung jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis dieselbe Schädigung hätte herbeiführen können, sondern darauf, ob ein solches Ereignis mit Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft tatsächlich vorgekommen wäre und dieselbe Schädigung ausgelöst hätte.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes war der Unfall eine wesentliche Mitursache für den Ausbruch der Neurose im nunmehrigen Ausmaß. Selbst wenn man aus dieser Feststellung das Wort "wesentlich" als vorweggenommene rechtliche Beurteilung ausscheidet (vgl 10 Ob S 308/91 = SSV-NF 5/141 - in Druck), bleibt die Feststellung, daß der Unfall eine Mitursache für den nunmehr bestehenden geistigen Zustand des Klägers war. Daß das anlagebedingte Leiden des Klägers so leicht ansprechbar gewesen sei, daß es zur Auslösung der akuten Erscheinungen keiner besonderen äußeren Einwirkungen bedurft hätte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zur selben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte, wurde nicht festgestellt. Vielmehr traf das Berufungsgericht die Feststellung, daß es (nur) bei einer vergleichbaren schweren Verletzung mit etwa vergleichbarem medizinischen (langwierigen) Behandlungsverlauf zu den neurotischen Fehlentwicklungen im nunmehr gegebenen Ausmaß gekommen wäre. Eine bei einem Verkehrsunfall erlittene schwere Verletzung mit langwierigem Behandlungsverlauf ist aber, wie der Revisionswerber zutreffend bemerkt, sicherlich kein alltäglich vorkommendes Ereignis im Sinne der obigen Darlegungen, wozu noch kommt, daß im vorliegenden Fall nicht mit Wahrscheinlichkeit feststeht, daß ein solches Ereignis (schwerer Unfall mit langwierigem Behandlungsverlauf) den Kläger in naher Zukunft tatsächlich ereilt und dieselbe Schädigung ausgelöst hätte. Damit kann aber keine Rede davon sein, daß der vorliegende Arbeitsunfall lediglich Gelegenheitsursache für die schwere neurotische Fehlentwicklung gewesen sei.

Der Revision des Klägers war daher aus rechtlichen Erwägungen Folge zu geben, ohne daß auf den Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens eingegangen werden mußte. Da weder gegen den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit noch gegen die Höhe der vorläufigen Zahlung irgendwelche Einwände bestehen, war das Urteil des Erstgerichtes im vollen Umfang (auch einschließlich seiner Kostenentscheidung) wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASVG. Ausgehend von der richtig angegebenen Bemessungsgrundlage wurden die Kosten vom Klagsvertreter allerdings überhöht verzeichnet, nämlich offenbar auf einer Kostenbemessungsgrundlage von S 75.000, die nicht dem § 77 Abs 2 ASGG entspricht.

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