OGH 10ObS27/15s

OGH10ObS27/15s28.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr.

Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Werner Rodlauer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Robert Brunner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Dr. Klaus Gossi, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich‑Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. Jänner 2015, GZ 8 Rs 135/14b‑34, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00027.15S.0428.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Beschluss des Berufungsgerichts auf Verwerfung einer Nichtigkeitsberufung ist zufolge der Rechtsmittelbeschränkung des § 519 ZPO unanfechtbar (RIS‑Justiz RS0042925). Ob eine Nichtigkeit verneint wurde, richtet sich allein nach den beurteilten Tatsachen (RIS‑Justiz RS0042981 [T11]).

2. Auch angebliche Verfahrensmängel erster Instanz können in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963). Ob ein in der Berufung behaupteter Verfahrensmangel vom Berufungsgericht zu Recht verneint wurde, ist vom Revisionsgericht auch in Sozialrechtssachen nicht mehr zu prüfen (RIS‑Justiz RS0043061). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung, das Berufungsverfahren sei ‑ weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei ‑ mangelhaft geblieben, umgangen werden (10 ObS 54/14k mwN).

Da, worauf die Revision selbst verweist, eine Verletzung der Anleitungs‑ und Prozessleitungspflicht einen Verfahrensmangel darstellt und sich das Berufungsgericht mit der diesbezüglichen Mängelrüge inhaltlich auseinandergesetzt hat, wobei es im Einzelnen dargelegt hat, warum es die behaupteten Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens nicht für gegeben erachtete, kann dieser behauptete Mangel des Verfahrens erster Instanz in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden. Dasselbe gilt für den Vorwurf der Nichtaufnahme einzelner Beweismittel.

3. Der Oberste Gerichtshof ist ausschließlich als Rechtsinstanz zur Überprüfung von Rechtsfragen tätig (RIS‑Justiz RS0123663). Eine Unrichtigkeit in der Beweiswürdigung kann nicht mit Revision bekämpft werden (RIS‑Justiz RS0069246).

4. Im Rechtsmittelverfahren in Sozialrechtssachen gilt ein generelles Neuerungsverbot. Dass dessen ungeachtet Tatumstände und Beweise, die in erster Instanz nicht vorgekommen sind, im Berufungsverfahren zur Dartuung oder Widerlegung der geltend gemachten Berufungsgründe vorgebracht werden dürfen, bedarf keiner Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof, sondern ergibt sich bereits aus dem Gesetz (§ 2 ASGG iVm § 482 Abs 2 ZPO). Die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, dass die vorgelegten Urkunden aber nicht der Bestätigung der geltend gemachten Berufungsgründe, sondern vielmehr dem Nachweis des geltend gemachten Anspruchs dienen sollen und damit dem Neuerungsverbot unterliegen, ist nicht zu beanstanden.

5. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, dass für den Berufsschutz nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG nur solche Pflichtversicherungsmonate zu berücksichtigen sind, in denen qualifizierte Tätigkeiten als gelernte oder angelernte Arbeiter sowie Angestelltentätigkeiten ausgeübt wurden. Zeiten einer selbständigen Tätigkeit nach dem GSVG haben für den Berufsschutz nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG bzw § 273 ASVG außer Betracht zu bleiben (RIS‑Justiz RS0128674; RS0129026). Die Revisionsausführungen bieten keinen Anlass zu einem Abgehen von dieser Rechtsprechung.

6. Auch dass Zeiten geringfügiger Beschäftigung selbst bei freiwilliger Selbstversicherung nicht als Pflichtversicherungsmonate iSd § 255 Abs 2 ASVG zu werten sind, entspricht der Judikatur des Obersten Gerichtshofs (10 ObS 85/14v). Warum die entsprechenden rechtlichen Darlegungen des Berufungsgerichts unrichtig sein sollen, wird in der Revision nicht weiter ausgeführt.

Ohne Berücksichtigung der Zeiten einer selbständigen Tätigkeit nach dem GSVG und solcher einer geringfügigen Beschäftigung hat der Kläger aber in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag nicht in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine Erwerbstätigkeit ausgeübt, weshalb ihm ein Berufsschutz nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG jedenfalls nicht zukommt.

7. Nach den Feststellungen ist der Kläger in der Lage, kalkülsentsprechend zumindest einfache Angestelltenberufe in Teilzeit (halbtags) auszuüben, wobei mit diesen Tätigkeiten eine mehr als nur durchschnittliche Zeitdruckbelastung verbunden ist. Dass auch im Fall nur phasenweiser Überschreitung des durchschnittlichen Zeitdrucks das in der Härtefallregelung des § 255 Abs 3a und 3b ASVG vorgesehene Tatbestandsmerkmal des durchschnittlichen Zeitdrucks nicht mehr erfüllt ist, wurde vom Obersten Gerichtshof bereits entschieden (10 ObS 19/14p). Ausgehend davon ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Kläger weder nach § 255 Abs 3 noch nach § 255 Abs 3a ASVG invalide ist, nicht korrekturbedürftig.

Die außerordentliche Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte