Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der am 17. 7. 1944 geborene Kläger hat am 8. 11. 1996 als Dienstnehmer der Firma B***** GmbH, Kfz-Zubehör-Großhandel, beim Einräumen von LKW-Ketten oder LKW-Zwillingsreifen einen Arbeitsunfall erlitten (er rutschte mit dem linken Fuß auf dem nassen Boden aus, kippte um und erlitt eine Zerrung des linken Sprunggelenks). Mit Bescheid vom 25. 5. 2004 stellte die AUVA fest, dass der Arbeitsunfall vom 8. 11. 1996 eine leichte Zerrung des linken Sprunggelenks verursacht habe und dass ein Anspruch auf Versehrtenrente nicht bestehe, weil keine MdE im Ausmaß von mindestens 20 vH vorliege.
Das Erstgericht stellte im Spruch seines Urteils vom 1. 12. 2004, 33 Cgs 171/04f-9, fest: „Das Ereignis vom 08. 11. 1996 wird als Arbeitsunfall anerkannt und hat folgende Verletzungen verursacht:
Leichte Zerrung des linken Sprunggelenkes." Das Begehren auf Gewährung einer Versehrtenrente wurde abgewiesen. Das Urteil wurde den Rechtsvertretern des Klägers am 30. 12. 2004 zugestellt. Mit der am 27. 1. 2005 zur Post gegebenen, „an das Oberlandesgericht Innsbruck" gerichteten Berufung legte der Kläger „zur Dartuung der geltend gemachten Berufungsgründe" (hier: des Berufungsgrundes der Mangelhaftigkeit des Verfahrens wegen Nichtheranziehung weiterer Sachverständiger) zwei Farbbilder und eine Stellungnahme des vom Erstgericht beigezogenen unfallchirurgischen Sachverständigen vor („Aufgrund der nun vorliegenden Bilder ändert sich möglicherweise die Einschätzung."). Der Berufungsantrag war darauf gerichtet, „das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Beklagte verpflichtet wird, dem Kläger ab dem konkreten Stichtag eine Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß, zumindest von 30 von 100 der Vollrente, zu gewähren". Hilfsweise wurde ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es verneinte eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, wobei es die mit der Berufung vorgelegten intraoperativen Fotografien als unzulässige Neuerungen betrachtete, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als unbedenklich und bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach der Ausbruch einer krankhaften Veranlagung anlässlich des Arbeitsunfalls bei der Einschätzung der MdE nicht mitzuberücksichtigen sei („Gelegenheitsursache"). Das Berufungsurteil wurde den Rechtsvertretern des Klägers am 8. April 2005 zugestellt.
Mit Beschluss vom 23. Mai 2005, 10 ObS 53/05z, wies der Oberste Gerichtshof die außerordentliche Revision des Klägers gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurück. Am 20. 4. 2005 (Postaufgabe 19. 4. 2005) brachte der Kläger beim Erstgericht einen mit „Behandlung der Berufung vom 27. 1. 2005 ... als Wiederaufnahmsklage" bezeichneten Schriftsatz ein, in dem er vorbringt, am 17. 1. 2005 erfahren zu haben, dass sich die anlässlich seiner Operation vom 27. 11. 1996 angefertigten intraoperativen Fotografien bei seinem ehemaligen Rechtsvertreter befänden; bis 10. 1. 2005 (an anderer Stelle: 17. 1. 2005) habe er keine Anhaltspunkte für die Existenz dieser Bilder gehabt. Am 17. 1. 2005 habe er die Bilder erhalten und dem (vom Erstgericht beigezogenen) Sachverständigen gezeigt, der dazu am 21. 1. 2005 eine schriftliche Stellungnahme verfasst habe. Bei den Beweismitteln handle es sich teils um nova producta (Stellungnahme des Sachverständigen), teils um nova reperta (Bilder vom 27. 11. 1996), die geeignet seien, die maßgebliche Kausalitätsfrage für das Vorliegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Wiederaufnahmsklägers zu bejahen. Die Wiederaufnahmsfrist des § 534 ZPO sei gewahrt, weil der Berufungsschriftsatz vom 27. 1. 2005 im Hinblick auf die darin enthaltenen Neuerungen als Wiederaufnahmsklage zu behandeln sei. Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurück, weil sie verspätet eingebracht worden sei. Es sei nicht gerechtfertigt, den Berufungsschriftsatz nunmehr nachträglich in eine Wiederaufnahmsklage umzudeuten bzw die am 19. April 2005 erhobene Klage als fristgerecht zu betrachten, da der Berufungsschriftsatz keine Ausführungen enthalte, aus denen abgeleitet werden könnte, dass damit inhaltlich auch die Erhebung einer Wiederaufnahmsklage beabsichtigt sei. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Ausgehend von § 84 Abs 2 Satz 2 ZPO, wonach die unrichtige Benennung eines Rechtsmittels, eines Rechtsbehelfes oder von Gründen unerheblich sei, wenn das Begehren deutlich erkennbar sei, bestehe nicht der geringste Anlass, den seinerzeitigen Berufungsschriftsatz nunmehr in eine Wiederaufnahmsklage umzudeuten. Dieser sei nämlich in völlig eindeutiger Weise darauf gerichtet gewesen, eine Abänderung des angefochtenen Urteils zu bewirken, möge er auch inhaltlich teilweise unzulässiges Vorbringen enthalten haben. Dieser Umstand allein rechtfertige bei einer klaren Verfahrenslage keine Umdeutung, vor allem vor dem Hintergrund des wesentlichen Unterschieds zwischen Rechtsmitteln und Rechtsmittelklagen. Abgesehen vom Vorbringen unzulässiger Neuerungen (die im Übrigen als zulässige Neuerungen bezeichnet worden seien) sei in funktionaler Hinsicht ein formell ordnungsgemäß gestaltetes Rechtsmittel und keine Rechtsmittelklage erhoben worden. Damit sei der seinerzeitige Berufungsschriftsatz nicht als fristwahrend iSd § 534 ZPO zu betrachten. Dass die am 20. April 2005 eingebrachte Rechtsmittelklage verspätetet sei bedürfe keiner weiteren Begründung.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig.
Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers erkennbar aus dem Revisionsrekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass die Wiederaufnahmsklage vom 27. 1. 2005 in Verbindung mit dem Schriftsatz vom 19. 4. 2005 als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Streitverhandlung geeignet anzusehen sei.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung erkennbar, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, da zur Frage der Umdeutung einer Rechtsmittelschrift, die unzulässige Neuerungen enthält, in eine Rechtsmittelklage, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehlt; er ist jedoch nicht zulässig.
Grundsätzlich kann auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes verwiesen werden (§ 528a iVm § 510 Abs 3 Z 2 ZPO).
Ergänzend ist dem Revisionswerber Folgendes zu entgegnen:
Der Revisionsrekurswerber beruft sich zur Stützung seines Rechtsstandpunktes auf die Entscheidung der Obersten Rückstellungskommission vom 30. 6. 1998, Rkv 1/98 (JBl 1998, 731 [zust Klicka]), in der seines Erachtens die von ihm gewünschte Umdeutung vorgenommen worden sei. Dies kann allerdings aus der Entscheidung nicht abgeleitet werden: Darin ging es um einen „verfahrenseinleitenden Antrag" (nicht um ein Rechtsmittel), in dem die Antragsteller die Aufhebung einer Enteignung verlangten. Inhaltlich wurde damit erkennbar nur eine Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Verfahrens angestrebt.
Im vorliegenden Fall ist es anders: Der Kläger hat inhaltlich und funktional eine Berufung „an das Oberlandesgericht Innsbruck" erhoben, mit dem Begehren, das Berufungsgericht möge eine erstinstanzliche Entscheidung zu seinen Gunsten abändern. Darin liegt inhaltlich kein Wiederaufnahmsbegehren, sodass eine Umdeutung in ein solches iSd § 84 Abs 2 Z 2 ZPO nicht in Betracht kommt. Auch wenn man mit dem Revisionsrekurswerber davon ausgeht, dass es erklärtes Ziel dieser Bestimmung ist, „im Interesse einer möglichst weitgehenden Rechtverwirklichung sich nicht auf unangebrachte Formalismen zurückzuziehen", muss doch das Begehren eindeutig erkennbar sein. Aus dem bloßen Vorbringen unzulässiger Neuerungen (die noch dazu explizit in einem Rechtsmittel als zulässig bezeichnet werden) in einem Rechtsmittelschriftsatz kann nicht auf ein unrichtigerweise nicht als solches gestelltes Begehren auf Wiederaufnahme des Verfahrens geschlossen werden.
Das Vorbringen unzulässiger Neuerungen führt aber auch nicht zur Einleitung eines Verbesserungsverfahrens. Ganz generell hat die nicht gesetzmäßige Ausführung von Rechtsmitteln nicht die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens zur Folge (4 Ob 521/85 = EvBl 1985/153 ua; RIS-Justiz RS0036173; E. Kodek in Rechberger, ZPO2 § 471 Rz 10; G. Kodek, Praxistipps zum Berufungsverfahren, Zak 2006, 346 [348] mwN), rechtfertigt es doch die fehlende Schlüssigkeit nicht, dem durch einen Rechtsanwalt vertretenen Rechtsmittelwerber eine Nachfrist zu setzen (G. Kodek in Fasching/Konecny2 II/2 §§ 84, 85 ZPO Rz 44 und 183). Dieser Grundsatz ist auch auf die fehlende Schlüssigkeit von Rechtsmittelklagen zu übertragen, wie die Regelung des § 536 ZPO zeigt, die für Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklagen Inhaltserfordernisse aufstellt, die weitgehend den Inhaltsvorschriften für Rechtsmittel entsprechen (Jelinek in Fasching/Konecny2 IV/1 § 536 ZPO Rz 1). Es sind daher auch in Bezug auf die Verbesserung einer Rechtsmittelklage dieselben Regeln anzuwenden wie bei Rechtsmitteln (vgl Jelinek aaO § 536 ZPO Rz 6). Somit ist zusammengefasst festzuhalten, dass der Rechtsmittelschriftsatz des Klägers nicht (wegen der darin enthaltenen Neuerungen) in eine Wiederaufnahmsklage umgedeutet werden kann und auch kein Verbesserungsverfahren in Richtung Rechtsmittelverfahren einzuleiten ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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