European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:010OBS00134.19G.0416.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Bezeichnung der beklagten Partei war gemäß § 47 Abs 1 SVSG von Amts wegen auf Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen zu berichtigen.
Der 55‑jährige Ehegatte der Klägerin war am 13. 6. 2017 auf seinem landwirtschaftlichen Anwesen ab etwa 12:30 Uhr bei einer Temperatur von ca 30° C mit Mäharbeiten beschäftigt. Gegen 13:40 Uhr brach er zusammen und stürzte etwa 30 Meter über eine steil abfallende Wiese auf einen Feldweg. Trotz sofortiger erster Hilfe durch seinen Sohn und rascher notärztlicher Versorgung verstarb der Ehegatte der Klägerin. Neben einem Herzinfarkt kommen als Todesursache ein akuter Lungeninfarkt, ein Schlaganfall oder auch eine Hirnblutung in Frage. Sekundär könnten auch weitere innere Verletzungen durch den Absturz zum Tod geführt haben. Eine Obduktion wurde nicht vorgenommen. Es gibt keine Hinweise, dass der Ehegatte der Klägerin im Herzbereich vorbelastet war. Selbst unter den Belastungen, denen er im Unfallszeitpunkt ausgesetzt war, sind Reaktionen wie Schlaganfall, Gehirnschlag, Herzinfarkt oder Lungeninfarkt keine typischen Folgen dieser Belastung. Eine genaue Aussage über die tatsächliche Ursache des Todes des Ehegatten der Klägerin kann nicht getroffen werden.
Mit Bescheid vom 12. 10. 2017 sprach die Sozialversicherungsanstalt der Bauern aus, dass das „Ereignis vom 13. 6. 2017“ als Arbeitsunfall anerkannt wird. Sie lehnte jedoch die Gewährung einer Witwenrente sowie den Teilersatz der Bestattungskosten mit der Begründung ab, dass der Tod des Ehegatten der Klägerin nicht Folge des Arbeitsunfalls gewesen sei (siehe dazu die Vorentscheidung in diesem Verfahren 10 ObS 137/18x).
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren auf Zuerkennung einer Witwenrente gemäß § 149o BSVG im gesetzlichen Ausmaß ab 13. 6. 2017 sowie auf Teilersatz der Bestattungskosten gemäß § 149n BSVG ab. Das Berufungsgericht ließ die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
In ihrer gegen das Urteil des Berufungsgerichts erhobenen außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
1.1 Das Berufungsgericht ist zutreffend von der Rechtsprechung ausgegangen, wonach im Verfahren über den Anspruch aus Arbeitsunfällen die in der Rechtsprechung entwickelten Regeln des Anscheinsbeweises (modifiziert) zur Anwendung gelangen (RIS‑Justiz RS0086050 [T19], RS0110571). Auch dann, wenn noch andere Ursachen in Betracht kommen, muss nur feststehen, dass die Körperschädigung eine typische Folge eines als Unfall zu wertenden Ereignisses ist, das im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung stand und daher ein Arbeitsunfall war (10 ObS 133/98a SSV‑NF 12/61; RS0110571 [T1]). Der Anscheinsbeweis darf, worauf das Berufungsgericht hingewiesen hat, nicht dazu dienen, Lücken der Beweisführung durch bloße Vermutungen aufzufüllen (RS0040287 [T1]; RS0040266 [T20]). Der bloße Verdacht eines bestimmten Ablaufs, der auch andere Verursachungsmöglichkeiten offen lässt, erlaubt die Anwendung des Anscheinsbeweises nicht (RS0040288 [T3]). Unaufgeklärt bleibende Umstände gehen dann zu Lasten des Geschädigten (RS0040288 [T5]). Einen Grundsatz, dass im Zweifel zu Gunsten des Versicherten zu entscheiden ist, gibt es nicht (RS0110571 [T4]).
1.2 Ob nach den festgestellten Umständen ein Tatbestand vorliegt, der eine Verschiebung des Beweisthemas und der Beweislast im Sinn des sogenannten Anscheinsbeweises zulässt, ist zwar nach herrschender Ansicht eine revisible Rechtsfrage. Der Lösung dieser Frage kommt allerdings im Hinblick auf die Vielzahl denkbarer Fälle keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu (RS0040196 [T15]).
2. Aus dem in der Revision hervorgehobenen Umstand, dass die (auch) als Todesursachen möglichen Diagnosen Herzinfarkt, Lungeninfarkt, Schlaganfall oder Hirnblutung mit höherer Wahrscheinlichkeit bei körperlicher Belastung auftreten, ergeben sich schon deshalb nicht die für die Anwendung des Anscheinsbeweises geforderten Voraussetzungen im vorliegenden Fall, weil feststeht, dass alle diese Diagnosen (Reaktionen) keine typischen Folgen der Arbeitsbelastung waren, denen der Gatte der Klägerin am Unfalltag ausgesetzt war. Darin liegt entgegen den Ausführungen in der Revision auch keine Widersprüchlichkeit, weil aus einer (bloß) höheren Wahrscheinlichkeit des Auftretens noch nicht zwingend auf eine Typizität des Auftretens geschlossen werden muss. Die diesbezüglich behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die außerordentliche Revision zeigt insgesamt keine Korrekturbedürftigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts auf.
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