OGH 10Ob77/06f

OGH10Ob77/06f19.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der jeweils klagenden Partei Christine B*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagten Parteien 1. Dipl. Ing. Stefan P*****, Kaufmann, ***** (3 Cg 12/05g des Landesgerichtes Wels), und 2. P***** Immobilien Gesellschaft mbH & Co Kommanditgesellschaft, ***** (3 Cg 116/05a des Landesgerichtes Wels), beide vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, wegen Aufhebung eines Kaufvertrags (EUR 62.067,50; 3 Cg 12/05g des Landesgerichtes Wels) und wegen Einwilligung in die Ab- und Zuschreibung eines Grundstücks (EUR 62.067,50; 3 Cg 116/05a des Landesgerichtes Wels), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 13. September 2006, GZ 2 R 107/06b, 2 R 171/06i-43, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 15. März 2006, GZ 3 Cg 12/05g-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Parteien wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.191,66 (darin EUR 365,28 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Kaufvertrag vom 5. 4. 2002 veräußerte die Klägerin das neu gebildete, 3.050 m² große und unbebaute Grundstück 804 der Katastralgemeinde ***** P***** um einen Kaufpreis von EUR 62.067,50 (EUR 20,35/m²) an den Erstbeklagten. Das Kaufobjekt war im damals gültigen Flächenwidmungsplan großteils als „Grünland" ausgewiesen; lediglich eine 280 m² messende Teilfläche an der Ostgrenze war „Bauland-Wohngebiet". Wegen der nahezu ausschließlichen, beiden Vertragsteilen bekannten Widmung als „Grünland" war eine Bebauung des Grundstücks zu diesem Zeitpunkt de facto ausgeschlossen. Da vorherige Rückfragen der Klägerin beim Magistrat der Stadt W***** betreffend eine Umwidmung negativ verlaufen waren, schloss sie den Kaufvertrag im Vertrauen auf die Grünlandwidmung und ging davon aus, dass eine Umwidmung in „Bauland-Wohngebiet" in absehbarer Zeit nicht möglich sein werde.

Die grundbücherliche Durchführung des Kaufvertrags erfolgte durch lastenfreie Abschreibung des Grundstücks 804 von der klägerischen Liegenschaft EZ 127 Grundbuch ***** P***** und Zuschreibung zur benachbarten Liegenschaft EZ 1529 Grundbuch ***** P***** des Erstbeklagten (TZ 3737/02 des BG W*****). Diese Liegenschaft hatte bis dahin nur aus der Parzelle 803/1 mit dem vom Erstbeklagten und seiner Familie bewohnten Haus R*****straße 89 bestanden. Der Erstbeklagte empfand die ihm auf dem Grundstück 803/1 zur Verfügung stehende Gartenfläche als relativ klein. Mit dem Erwerb des westlich anschließenden Grundstücks 804 bezweckte er damals eine Erweiterung der Gartenfläche, ferner die Sicherung einer unverbauten Aussicht und eine Verlegung des Schwimmbads.

Im September 2002 wurde die zweitbeklagte Partei neu gegründet. Komplementärin dieser Kommanditgesellschaft ist die P***** Immobilien GmbH, Kommanditistin die P***** GmbH. Die Komplementärin ist eine 100 %-ige Tochtergesellschaft der Kommanditistin. Einziger Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der Kommanditistin ist der Erstbeklagte. Die zweitbeklagte Partei tritt im Rechtsverkehr für und durch den Erstbeklagten auf.

Die Gründung der zweitbeklagten Partei erfolgte im Zuge einer Umstrukturierung der Firmengruppe des Erstbeklagten, wobei beabsichtigt war, alle Liegenschaften in diese neu errichtete Gesellschaft einzubringen. In diesem Zusammenhang verkaufte der Erstbeklagte die Liegenschaft EZ 1529 (samt dem Grundstück 804) mit Kaufvertrag vom 23. 12. 2003 an die zweitbeklagte Partei.

Das auf Grundstück 803/1 befindliche Wohnhaus war eine sanierungsbedürftige Holzkonstruktion. Der mit der Planung der Renovierung dieses Hauses beauftragte Architekt schlug etwa um Weihnachten 2003 vor, das Haus abzureißen und einen Neubau zu errichten. Der Erstbeklagte schloss sich diesem Vorschlag nach einigem Überlegen an und wandte sich hierauf zwecks Umwidmung des Grundstücks 804 an den Magistrat der Stadt W*****. Am 30. 9. 2004 beschloss der Gemeinderat der Stadt W***** die Änderung Nr 09 des Flächenwidmungsplans 4/2003, BauR-3508-2004. Diese Änderung wurde per 20. 12. 2004 von der Oö Landesregierung genehmigt, am 3. 1. 2005 kundgemacht und mit 4. 1. 2005 rechtskräftig. Sie beinhaltete die Umwidmung eines Großteils des Grundstücks 804 in „Bauland-Wohngebiet". Lediglich ein rund 20 m breiter und 1.051 m² messender (also etwa 35 % der gesamten Parzelle ausmachender) Streifen an der Westseite des Grundstücks blieb „Grünland".

Bereits am 15. 7. 2004, also noch vor der Umwidmung, hatte die zweitbeklagte Partei als (damals noch außerbücherliche) Grundeigentümerin und Bauwerberin beim Magistrat der Stadt W***** die Erteilung einer Bauplatz- und Baubewilligung für den Abbruch des auf dem Grundstück 803/1 bestehenden Wohnhauses und die Neuerrichtung eines größeren, hauptsächlich auf dem Grundstück 804 und teilweise auch auf dem Grundstück 803/1 situierten Wohnhauses beantragt. Mit seit 23. 11. 2004 rechtskräftigem Bescheid vom 4. 11. 2004 wurde diesen Anträgen entsprochen und der zweitbeklagten Partei die Baubewilligung erteilt.

Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags vom 5. 4. 2002 ging die Klägerin davon aus, dass der Erstbeklagte das ihm verkaufte Grundstück 804 nicht mit einem Haus bebauen, sondern lediglich zur Errichtung eines privaten Schwimmbads nutzen werde. Dass auch der Erstbeklagte hievon ausgegangen wäre, ist nicht feststellbar. Er rechnete damit, dass eine Umwidmung des Grundstücks in Bauland zumindest sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich sein würde, und hatte damals nicht vor, eine Umwidmung zu betreiben.

Der Verkehrswert des Grundstücks 804 betrug per 5. 4. 2002 unter Berücksichtigung seiner nahezu ausschließlichen Widmung als „Grünland" EUR 54.900,- -. Hätte damals bereits die derzeitige Widmung (großteils „Bauland-Wohngebiet") bestanden, hätte der Verkehrswert des Grundstücks per 5. 4. 2002 über EUR 147.000,-- betragen (ausgehend von über EUR 71,- -/m² für „Bauland-Wohngebiet" und EUR 18,- -/m² für „Grünland").

Aufgrund eines am 17. 1. 2005 bei Gericht eingelangten Grundbuchsgesuchs wurde ob der Liegenschaft EZ 1529 die Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung bis einschließlich 17. 1. 2006 angemerkt (TZ 193/2005 des BG W*****). Mit Beschluss vom 25. 1. 2005 bewilligte das Erstgericht der Klägerin die Anmerkung der am Vortag zu 3 Cg 12/05g gegen den Erstbeklagten eingebrachten Klage hinsichtlich des Grundstücks 804 in EZ 1529; die Klagsanmerkung wurde am 9. 2. 2005 vollzogen (TZ 351/2005 des BG W*****). Am 5. 4. 2005 wurde in Entsprechung eines an diesem Tag eingelangten Grundbuchsgesuchs aufgrund des Kaufvertrags vom 23. 12. 2003 das Eigentumsrecht der zweitbeklagten Partei ob der Liegenschaft EZ 1529 im Rang TZ 193/2005 einverleibt und zugleich die zuvor erwähnte Klagsanmerkung gelöscht (TZ 1510/2005 des BG W*****). Mit Beschluss vom 10. 6. 2005 bewilligte das Erstgericht der Klägerin die Anmerkung der an diesem Tag zu 3 Cg 116/05a gegen die zweitbeklagte Partei eingebrachten weiteren Klage hinsichtlich des Grundstücks 804 in EZ 1529 (TZ 2867/05 des BG W*****).

Mit Schreiben ihres Rechtsvertreters vom 6. 12. 2004 forderte die Klägerin vom Beklagten die Vertragsaufhebung gemäß § 38 Abs 6 oö ROG 1994; diese könne durch Nachzahlung des Wertunterschieds abgewendet werden. Sie räumte eine Frist zur Stellungnahme bis 22. 12. 2004 ein. Der Beklagtenvertreter ersuchte daraufhin erfolgreich um Fristverlängerung bis zum 19. 1. 2005. Mit Telefax von diesem Tag, also zwei Tage nach Erwirkung der Rangordnung, nahm er den Standpunkt ein, dass kein Anspruch nach § 38 Abs 6 oö ROG 1994 bestehe.

Bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz (27. 1. 2006) befand sich das auf dem Grundstück 804 neu zu errichtende Wohnhaus bereits in Bau.

Die im gegenständlichen Prozess bedeutsame Vorschrift des § 38 Abs 6 des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1994 (im Folgenden abgekürzt oö ROG 1994) hat folgenden Wortlaut:

„Wird ein Grundstück im Vertrauen auf die Wirkung eines Flächenwidmungsplanes oder eines Bebauungsplanes, der die Bebaubarkeit dieses Grundstückes ausschließt, veräußert, und wird die Bebauung des Grundstückes durch eine nachträgliche, innerhalb von zehn Jahren in Kraft getretene Änderung oder Neuerlassung eines Flächenwidmungsplanes oder eines Bebauungsplanes zulässig, so hat der Veräußerer das Recht, bei Gericht die Aufhebung des Vertrages und die Herstellung des vorigen Standes zu fordern, wenn der vereinbarte Kaufpreis nicht die Hälfte des Kaufpreises erreicht, der angemessen gewesen wäre, wenn die Bebauung des Grundstückes schon zum Zeitpunkt der Veräußerung möglich gewesen wäre. Der Erwerber des Grundstückes kann die Aufhebung des Vertrages nur dadurch abwenden, daß er dem Veräußerer den Unterschied zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und jenem Kaufpreis erstattet, der angemessen gewesen wäre, wenn die Bebauung des Grundstückes schon zum Zeitpunkt der Veräußerung möglich gewesen wäre. Das Recht, die Aufhebung des Vertrages und die Herstellung des vorigen Standes zu fordern, entsteht jedoch nur, wenn der Erwerber des Grundstückes innerhalb der zehnjährigen Frist und nach der Änderung oder Neuerlassung des Flächenwidmungsplanes oder eines Bebauungsplanes das Grundstück wieder veräußert oder eine Bewilligung für die Errichtung eines Baues auf diesem Grundstück rechtskräftig erteilt wird, und kann bei sonstigem Verlust nur innerhalb eines Jahres nach der Wiederveräußerung oder der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides geltend gemacht werden."

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 24. 1. 2005 zu 3 Cg 12/05g gegen den (damals noch als Eigentümer der Liegenschaft EZ 1529 einverleibten) Erstbeklagten eingebrachten Klage die Aufhebung des Kaufvertrags vom 5. 4. 2002 über das Grundstück 804, die Unwirksamerklärung der Ab- und Zuschreibung dieses Grundstücks und den Ausspruch der Verpflichtung des Erstbeklagten, in die Abschreibung des Grundstücks 804 aus dem Gutsbestand der Liegenschaft EZ 1529 und in die Zuschreibung zur Liegenschaft EZ 127 einzuwilligen. Mit ihrer am 10. 6. 2005 zu 3 Cg 116/05a gegen die zweitbeklagte Partei eingebrachten Klage stellt sie das Urteilsbegehren, die mittlerweilige Einverleibung des Eigentumsrechts der zweitbeklagten Partei ob der Liegenschaft EZ 1529 in Bezug auf das Grundstück 804 für unwirksam zu erklären und zu löschen sowie die zweitbeklagte Partei schuldig zu erkennen, in die Abschreibung des Grundstücks 804 aus dem Gutsbestand der Liegenschaft EZ 1529 und in die Zuschreibung zur Liegenschaft EZ 127 einzuwilligen. Ihr Begehren stützt sie auf § 38 Abs 6 oö ROG 1994 sowie auf Vertragsanfechtung wegen laesio enormis und wegen Irrtums. Die Leistung eines Aufpreises sei vom Erstbeklagten ausdrücklich abgelehnt worden. Die Weiterveräußerung des Grundstücks an die zweitbeklagte Partei könne die Ansprüche der Klägerin aus § 38 Abs 6 oö ROG 1994 nicht beeinträchtigen; diese Weiterveräußerung sei offenbar nur oder überwiegend zu dem Zweck erfolgt, ihre Ansprüche zu vereiteln. Im Übrigen werde der Klagsanspruch nicht auf eine Wiederveräußerung des Grundstücks nach Änderung der Flächenwidmung gestützt, sondern auf die rechtskräftige Erteilung einer Baubewilligung. Die zweitbeklagte Partei sei zum Zeitpunkt der Einverleibung ihres Eigentumsrechts im April 2005 nicht gutgläubig gewesen.

Die Beklagten wenden ein, dass die Anspruchsvoraussetzungen des § 38 Abs 6 oö ROG 1994 nicht vorlägen, weil der Erstbeklagte die Liegenschaft EZ 1529 bereits lange vor Änderung der Flächenwidmung an die strikt von ihm zu trennende zweitbeklagte Partei veräußert habe und die Baubewilligung nicht ihm, sondern der zweitbeklagten Partei erteilt worden sei. Die mittlerweile als Eigentümerin einverleibte zweitbeklagte Partei habe im Vertrauen auf die Gültigkeit des Kaufvertrags vom 23. 12. 2003 ein Bauwerk auf dem Grundstück 804 errichtet. Eine Verkürzung der Klägerin über die Hälfte des wahren Werts habe nicht stattgefunden; ein relevanter Irrtum der Klägerin liege nicht vor. Im Übrigen sei § 38 Abs 6 oö ROG 1994 verfassungswidrig, weil der Landesgesetzgeber damit in privatrechtliche Regelungen eingegriffen und dadurch seine verfassungsrechtliche Kompetenz überschritten habe.

Das Erstgericht hob den zwischen der Klägerin und dem Erstbeklagten am 5. 4. 2002 abgeschlossenen Kaufvertrag über das Grundstück 804 auf und erkannte die zweitbeklagte Partei schuldig, in die Abschreibung des Grundstücks 804 aus dem Gutsbestand der Liegenschaft EZ 1529 und in die Zuschreibung dieses Grundstücks zur Liegenschaft EZ 127 einzuwilligen.

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass die Tatbestandsmerkmale des ersten Satzes des § 38 Abs 6 oö ROG 1994 (Veräußerung im Vertrauen auf die Wirkung des die Bebaubarkeit ausschließenden Flächenwidmungsplans; innerhalb von zehn Jahren in Kraft getretene, eine Bebauung nunmehr zulassende Änderung der Flächenwidmung; ausreichend hoher Wertunterschied zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem bei Unterstellung der Möglichkeit einer Bebauung angemessenen Kaufpreis) erfüllt seien. Von den beiden Alternativvoraussetzungen des dritten Satzes komme im vorliegenden Fall nur jene der rechtskräftigen Erteilung einer Baubewilligung für das Grundstück innerhalb von zehn Jahren in Betracht, nicht aber jene der Wiederveräußerung des Grundstücks durch den Erwerber innerhalb von zehn Jahren, weil der Erstbeklagte das Grundstück 804 bereits vor (und nicht, wie es die Bestimmung fordere, erst nach) Änderung der Flächenwidmung an die zweitbeklagte Partei weiterveräußert habe. Eine grammatikalische und teleologische Auslegung ergebe, dass sich die Anspruchsvoraussetzung der rechtskräftigen Erteilung einer Baubewilligung nicht auf den (ersten) Erwerber beziehe; es sei daher ohne Belang, dass die Baubewilligung nicht dem Erst-, sondern der Zweitbeklagten erteilt worden sei.

Aufgrund der erfolgreichen Anfechtung des Kaufvertrags vom 5. 4. 2002 nach § 38 Abs 6 oö ROG 1994 sei dem Klagebegehren zu 3 Cg 12/05a, welches auf Vertragsaufhebung und eine Verpflichtung des Erstbeklagten zur Einwilligung in die Rückführung des Grundstücks 804 zur Liegenschaft EZ 127 abziele, grundsätzlich stattzugeben. Im Hinblick auf die Schlechtgläubigkeit der zweitbeklagten Partei wirke die Aufhebung dieses Kaufvertrags auch gegen diese, weshalb auch dem Klagebegehren zu 3 Cg 116/05a stattzugeben sei. Zufolge § 21 GBG sei jedoch der Urteilsspruch auf die Vertragsaufhebung und die Verpflichtung der Zweitbeklagten zu beschränken, in die Abschreibung des Grundstücks 804 aus dem Gutsbestand der Liegenschaft EZ 1529 und in die Zuschreibung zur Liegenschaft EZ 127 einzuwilligen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien nicht Folge. Da die Klägerin das gegen den Erstbeklagten erhobene Vertragsaufhebungsbegehren nur auf die rechtskräftige Erteilung einer Baubewilligung gestützt habe, sei nur das Vorliegen der zweiten Alternative des dritten Satzes des § 38 Abs 6 oö ROG 1994 zu prüfen („wenn eine Bewilligung für die Errichtung eines Baues auf diesem Grundstück rechtskräftig erteilt wird"). Nach dieser Bestimmung stehe das Tatbestandsmerkmal der Erteilung einer Baubewilligung völlig für sich und weise keine Verknüpfung mit dem im Rahmen der ersten Alternative als handelnde Person auftretenden „Erwerber des Grundstücks" und/oder der dort gesetzten zeitlichen Beschränkung „innerhalb der zehnjährigen Frist" auf. Demnach wäre es für das Entstehen des Vertragsaufhebungsanspruchs völlig gleichgültig, auf wessen Betreiben bzw für wen und wie lange nach der (durch Vertragsaufhebung zu beseitigenden) Veräußerung die Baubewilligung für das Grundstück erteilt werde. Ob dies die Absicht des Landesgesetzgebers gewesen sei, sei allerdings zweifelhaft, zumal die erste Alternative des § 38 Abs 6 dritter Satz oö ROG 1994 eindeutig dahin formuliert sei, dass ein Vertragsaufhebungsanspruch nur im Falle einer innerhalb von zehn Jahren (ab der Veräußerung) erfolgenden Weiterveräußerung des Grundstücks entstehe. Es sei kein nachvollziehbarer Grund zu ersehen, warum diese Möglichkeit des Zuwartens nicht auch hinsichtlich der Erwirkung einer Baubewilligung offen stehen sollte. Bei vernünftiger und sachgerechter Betrachtung sei anzunehmen, dass sich die Zehnjahresfrist auch auf den Fall der rechtskräftigen Erteilung einer Baubewilligung beziehen sollte. Als diskussionswürdig erscheine ferner, ob es tatsächlich gleichgültig sein solle, ob der (erste) Erwerber des Grundstücks irgendetwas mit der Erteilung der Baubewilligung zu tun habe. Sei der (erste) Erwerber zum Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung nicht mehr Eigentümer, habe er also das Grundstück vorher weiterveräußert, seien zwei Konstellationen zu unterscheiden: Erfolge die Weiterveräußerung nach Änderung der Flächenwidmung, stehe dem Veräußerer schon aus diesem Grund das Recht zu, die Aufhebung des Vertrags zu fordern, sodass es dazu der (späteren) Erteilung einer Baubewilligung gar nicht mehr bedürfe. Bei dieser Konstellation dürfte die Baubewilligung als Anspruchsgrundlage ausscheiden; dass dem Veräußerer eine „zweite Chance" zur Vertragsanfechtung für den Fall eröffnet werden solle, dass er die Wiederveräußerung nicht zur Vertragsanfechtung genutzt habe, sei kaum anzunehmen. Habe der (erste) Erwerber das Grundstück schon vor Änderung der Flächenwidmung weiterverkauft, bestünden ebenfalls Zweifel, ob die nachfolgende Erteilung einer Baubewilligung zur Vertragsaufhebung berechtigen solle. Der Regelung des § 38 Abs 6 oö ROG 1994 liege augenscheinlich die Intention zugrunde, dem Veräußerer eines unbebaubaren Grundstücks die Möglichkeit einzuräumen, es zu verhindern, dass die Vorteile einer innerhalb der nächsten zehn Jahre stattfindenden Umwidmung in Bauland vom Erwerber lukriert würden, indem dieser entweder das Grundstück nach der Widmungsänderung (und damit typischerweise wegen der dadurch eingetretenen Wertsteigerung mit beträchtlichem Gewinn) weiterveräußere oder (um von der nunmehr bestehenden Bebauungsmöglichkeit Gebrauch zu machen) eine rechtskräftige Baubewilligung erwirke (bzw mit seiner Zustimmung von einem Dritten erwirken lasse). Dass eine erst von einem Rechtsnachfolger (oder mit dessen Zustimmung) erwirkte Baubewilligung - also ein vom (ersten) Erwerber nicht mehr beeinflussbarer, außerhalb seiner Ingerenz liegender Vorgang - die (erste) Veräußerung anfechtbar machen sollte, wäre nicht recht verständlich. Diese am Normzweck orientierten Überlegungen führten zu dem Schluss, dass die rechtskräftige Erteilung einer Baubewilligung nur dann einen Anspruch des Veräußerers auf Vertragsaufhebung zu begründen vermöge, wenn der Erwerber das Grundstück noch nicht weiterveräußert habe.

Entscheidend sei daher die Beantwortung der Frage, ob es für die Festlegung des Zeitpunkts der Weiterveräußerung auf den Abschluss des Kaufvertrags (am 23. 12. 2003, also vor Erteilung der Baubewilligung) oder auf dessen Intabulation (am 5. 4. 2005, also nach Erteilung der Baubewilligung) ankomme. Diese Frage brauche allerdings nicht gelöst zu werden: Selbst wenn man sich nämlich für die Maßgeblichkeit des Vertragsabschlusses entscheide, also die Weiterveräußerung zeitlich vor Erteilung der Baubewilligung ansetzen würde, wäre aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles dennoch ein Recht der Klägerin zur Vertragsaufhebung zu bejahen, weil es sich bei der zweitbeklagten Partei um eine Kommanditgesellschaft handle, deren Komplementärin eine 100 %-ige Tochtergesellschaft der Kommanditistin sei. Deren einziger Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer sei wiederum der Erstbeklagte. Hinter der zweitbeklagten Partei stehe somit ausschließlich der Erstbeklagte, und zwar sowohl als „Eigentümer" als auch als willensbildendes Organ. Die zweitbeklagte Partei sei zwar ein selbständiges Rechtssubjekt, trete aber im Rechtsverkehr für und durch den Erstbeklagten auf. So werde auch das neue Wohnhaus R*****straße 89 auf dem Grundstück 804 offenkundig zu dem Zweck errichtet, (anstelle des alten Objekts auf der Parzelle 803/1) vom Erstbeklagten und seiner Familie bewohnt zu werden. Die Zwischenschaltung der Zweitbeklagten (als Grundeigentümerin und Bauwerberin) sei nach Aussage des Erstbeklagten lediglich „aus steuerrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Gründen" erfolgt. Diese Umstände sprächen dafür, den Erstbeklagten im gegebenen Zusammenhang so zu behandeln, als hätte er das Grundstück nicht weiterverkauft und die Baubewilligung für sich persönlich erwirkt. Seine Verbindung zur Bauführung auf dem Grundstück 804 sei derart eng, dass es als unverständlich und spitzfindig erschiene, ihn rechtlich so zu stellen, als hätte er damit nichts zu tun. Ließe man den Vertragsaufhebungsanspruch der Klägerin an der Übertragung des Grundstücks auf die zweitbeklagte Partei scheitern, wäre dies eine Einladung an bauwillige Grundstückskäufer, sich einer allfälligen Anwendung des § 38 Abs 6 oö ROG 1994 aus dem Grund der Erteilung einer Baubewilligung durch zeitgerechte „Auslagerung" des erworbenen Grundstücks an eine (erforderlichenfalls zu diesem Zweck zu gründende) Gesellschaft zu entziehen.

Demnach sei das auf § 38 Abs 6 oö ROG 1994 gestützte, gegen den Erstbeklagten gerichtete Vertragsaufhebungsbegehren der Klägerin berechtigt. Da der Erstbeklagte die Erklärung, das zum gemeinen Wert Fehlende nachtragen zu wollen, bis zum hiefür maßgeblichen Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht abgegeben und überdies den Differenzbetrag weder gezahlt noch hinterlegt habe, sei der Vertrag aufzuheben.

Den verfassungsrechtlichen Bedenken der Beklagten gegen § 38 Abs 6 oö ROG 1994 werde nicht beigetreten, weil der von der Judikatur zu Art 15 Abs 9 B-VG geforderte „rechtstechnische" Zusammenhang mit der verwaltungsrechtlichen Regelung eindeutig gegeben sei. Die Bestimmung stehe in einem ganz engen und untrennbaren Zusammenhalt mit der den Ländern zukommenden Regelungsbefugnis im Bereich der Raumordnung und bewirke auch keine ungerechtfertigte „Privilegierung des Veräußerers" bzw „Diskriminierung des Erwerbers".

Das Durchschlagen der Vertragsaufhebung auf die zweitbeklagte Partei sei eine Folgewirkung der vor Einverleibung des Eigentumsrechts eingetragenen Streitanmerkung und der daraus resultierenden Schlechtgläubigkeit der Zweitbeklagten, die auch dann anzunehmen sei, wenn der Eigentumserwerb im Rang einer vor der Streitanmerkung eingetragenen Rangordnungsanmerkung erfolge. Im Übrigen sei ohnehin davon auszugehen, dass die zweitbeklagte Partei auch schon zum Zeitpunkt der Einbringung des Gesuchs um Anmerkung der Rangordnung (17. 1. 2005) schlechtgläubig gewesen sei, weil der Erstbeklagte bereits seit Dezember 2004 vom Begehren der Klägerin nach Vertragsaufhebung Kenntnis gehabt habe. Dieses Wissen müsse sich auch die zweitbeklagte Partei zurechnen lassen, handle es sich doch beim Erstbeklagten um jene physische Person, die sie vertrete und ihre Geschäfte führe. Die Erwirkung der Rangordnung sei ganz offensichtlich eine Reaktion auf das Forderungsschreiben vom 6. 12. 2004 gewesen.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil noch keine Judikatur zur Auslegung des § 38 Abs 6 oö ROG 1994 vorliege und die Rechtsfrage, ob bei der Beurteilung der Gut- oder Schlechtgläubigkeit auf den Zeitpunkt des Ansuchens um Einverleibung des Eigentums oder auf den früheren Zeitpunkt der Anmerkung einer dabei ausgenutzten Rangordnung abzustellen ist, in jüngerer Zeit einmal (1 Ob 58/02i) abweichend von der herrschenden Judikatur (RIS-Justiz RS0060718; zuletzt 5 Ob 195/04v) beantwortet worden sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Parteien aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagsabweisenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

In ihrer Revision stellen die beklagten Parteien in den Vordergrund, dass das Berufungsgericht die Tatsache der wirksamen Weiterveräußerung mit Kaufvertrag vom 23. 12. 2003 ignoriere und darüber hinaus verkenne, dass es sich bei der zweitbeklagten Partei um ein vom Erstbeklagten verschiedenes und eigenständiges Rechtssubjekt handle. Die Weiterveräußerung vor Erteilung der Baubewilligung schließe eine Vertragsanfechtung nach § 38 Abs 6 oö ROG unabhängig von der Person des Zweitkäufers aus. Ein Umgehungsgeschäft sei weder behauptet noch bewiesen worden. Im Übrigen hätten die beklagten Parteien nur auf Sachherausgabe unter Einräumung der Befreiungsmöglichkeit verurteilt werden dürfen.

Dazu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

1. In der Entscheidung 7 Ob 578/94 (SZ 67/170 = NZ 1996, 111) zu der mit § 38 Abs 6 oö ROG 1994 fast wortgleichen, jedenfalls in den maßgeblichen Punkten inhaltsgleichen Bestimmung des § 34 Abs 9 stmk ROG wurde vom Obersten Gerichtshof festgehalten, dass gegen deren Verfassungsmäßigkeit keine Bedenken bestehen, weil sie in einem ganz engen und untrennbaren Zusammenhalt mit der den Ländern zustehenden Regelungsbefugnisse im Bereich der Raumordnung steht (siehe auch schon 1 Ob 238/98a = RIS-Justiz RS0110879 zur Verfassungskonformität des § 38 Abs 6 oö ROG in der Zurückweisung einer außerordentlichen Revision).

2. Nach dem Wortlaut des § 38 Abs 6 oö ROG würde die Tatsache der Veräußerung des Grundstücks durch den Ersterwerber für den Vertragsaufhebungsanspruch irrelevant sein, sofern nur rechtskräftig (für wen immer) eine Bewilligung für die Errichtung eines Baues auf dem Grundstück erteilt wurde. Wenn man nun dem - zumindest zum Teil auch vom Berufungsgericht geteilten - Standpunkt der beklagten Parteien folgt, dass dieser weite Wortlaut insoweit einer teleologischen Reduktion bedürfe, dass eine Weiterveräußerung vor Erteilung einer Baubewilligung eine Vertragsanfechtung nach § 38 Abs 6 oö ROG ausschließe, ist entsprechend dem Vorbringen der klagenden Partei (ON 9: „... offenbar nur oder überwiegend zum Zweck, meine Ansprüche ... zu vereiteln") auch das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts zu prüfen.

Ein Umgehungsgeschäft ist von den Parteien wirklich gewollt; sie versuchen aber, damit bestimmten für sie ungünstigen Rechtsfolgen auszuweichen. Dabei genügt es, dass das Geschäft objektiv den - präzise fassbaren - Zweck der umgangenen Norm vereitelt (8 ObA 161/02p = RdW 2003, 575; RIS-Justiz RS0016780); auf eine spezielle Umgehungsabsicht kommt es nach der Rechtsprechung nicht an (3 Ob 552/91 = SZ 64/66 ua; näher Tamussino, Die Umgehung von Gesetzes- und Vertragsnormen [1990] 61 ff).

Der Zweck des § 38 Abs 6 oö ROG liegt augenscheinlich darin, die gerechtfertigten Interessen betroffener Eigentümer von Grundflächen, die ein Grundstück im Vertrauen auf die Wirkung eines die Bebaubarkeit ausschließenden Flächenwidmungsplanes veräußerten, zu berücksichtigen. Würde eine Weiterveräußerung durch den Käufer die Anwendbarkeit des § 38 Abs 6 oö ROG ausschließen, würde dieser Zweck der Norm ganz eindeutig vereitelt.

Wird in diesem Sinne die Umgehungsgeschäftseigenschaft des Kaufvertrages vom 23. 12. 2003 bejaht, ist auch auf ihn die umgangene Norm, also § 38 Abs 6 oö ROG anzuwenden (vgl etwa 6 Ob 287/00z = SZ 74/167; 5 Ob 9/03i = RdW 2003, 497 ua; RIS-Justiz RS0018153), was dazu führt, dass die Verkäufer nicht nur die Vertragsaufhebung gegenüber dem Erstkäufer, sondern auch gegenüber der Zweitkäuferin verlangen kann.

3. Die sachenrechtliche ex tunc-Wirkung der Vertragsaufhebung entspricht der jüngeren Judikatur zu der insoweit mit § 38 Abs 6 oö ROG vergleichbaren Norm des § 934 ABGB (2 Ob 522/95 = JBl 1998, 41, Holzner; 2 Ob 325/98b = JBl 1999, 537, Rummel; zustimmend Bollenberger in KBB § 934 Rz 5 mwN). Die vorliegende Konstellation bietet weder einen Anlass dazu, von dieser Judikatur wieder abzugehen, noch dazu, sie nicht auch auf § 38 Abs 6 oö ROG anzuwenden.

Ist der Titel zwischen der Verkäuferin und dem Erstbeklagten mit der genannten Wirkung weggefallen, konnte auch kein Eigentumsübergang zwischen dem Erstbeklagten und der zweitbeklagten Partei stattfinden. Ein Eigentumserwerb durch die zweitbeklagte Partei wäre nur originär möglich, wobei allenfalls gutgläubiger Erwerb nach § 367 Satz 1 3. Alternative ABGB in Betracht käme. Die Voraussetzungen dafür wurden aber von den Vorinstanzen zu Recht verneint.

4. Der Standpunkt des Berufungsgerichtes, die Abwendung der Vertragsaufhebung erfordere die Zahlung oder gerichtliche Hinterlegung des Differenzbetrages, entspricht der Judikatur des Obersten Gerichtshofes in dem schon genannten vergleichbaren Fall 7 Ob 578/94 (SZ 67/170 = NZ 1996, 111). § 38 Abs 6 Satz 2 oö ROG räumt dem Anfechtungsgegner eine Option ein, die Vertragsaufhebung, deren von Satz 1 und 3 geforderte Voraussetzungen von der anfechtenden Vertragspartei bewiesen sind (darunter auch die maßgebliche Wertdifferenz), durch Leistung des Differenzbetrages abzuwenden. Wie schon aus dem Wortlaut der Bestimmung zu erschließen ist, trifft die Behauptungs- und Beweislast für die Erbringung der Leistung den Anfechtungsgegner; er hat auch das Risiko einer Fehleinschätzung zu tragen. Die in der Revision aufgeworfene Frage einer Verurteilung zur Sachherausgabe unter Einräumung einer Befreiungsmöglichkeit stellt sich schon deshalb nicht, weil nach den Feststellung die Leistung des Differenzbetrages von den Beklagten abgelehnt wurde.

Die Heranziehung des Verkehrswertes eines zum Verkauf bestimmten Grundstücks als „angemessenem Kaufpreis" (hier: EUR 54.900,-- bei Grünlandwidmung bzw „über EUR 147.000,- -" bei Bauland-Wohngebiet-Widmung) begegnet keinen Bedenken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO.

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