Spruch:
Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger hat mit Kaufvertrag vom 22.Jänner 1976 sein damals laut Flächenwidmung nicht verbaubares Grundstück ***** aus der Liegenschaft EZ ***** der KG L***** der beklagten Partei um S 50 pro Quadratmeter verkauft. Der Anmeldebogen des Vermessungsamtes F***** Nr ***** wies für dieses Grundstück eine Fläche von 3.951 m2 auf, tatsächlich wurde im Jahr 1976 durch die gleiche Vermessungsbehörde zufolge "Versteinung" eines Weges dessen Größe auf zunächst 4.274 m2, danach auf 5.067 m2 berichtigt, wovon der Kläger nichts wußte. Er ließ vor dem Verkauf keine Vermessung durchführen, sondern vertraute auf den alten Katasterbescheid.
Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage die Aufhebung des zitierten Kaufvertrages mit der Begründung, von den Organen der beklagten Partei vor Kaufvertragsabschluß absichtlich getäuscht worden zu sein. Diese hätten über die zutreffenden neuesten Vermessungsunterlagen mit der richtigen Grundstücksgröße verfügt. Im übrigen habe die Gemeinde L***** 1988 ihren Flächenwidmungsplan geändert und das gegenständliche Grundstück mit einer Dichte von 0,65 für verbaubar erklärt. Die beklagte Partei habe das Grundstück an die Ehegatten L***** zur Errichtung eines Hotels veräußert. Durch die Bebaubarkeit habe das Grundstück eine Werterhöhung auf mindestens S 1.000,- pro Quadratmeter erfahren. Der Aufhebungsanspruch werde daher auch auf § 34 Abs 9 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes gestützt. Des weiteren wurde noch vorgebracht, sämtliche von der Landesbaudirektion vor Vertragsabschluß vorgenommenen Neuvermessungen verstießen gegen die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen; es wurde auch der Vorwurf der fahrlässigen Beurkundung erhoben.
Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, daß der Kläger sein Grundstück ohne Überredung und nach reiflicher Überlegung zu einem guten Preis verkauft habe. Es sei lediglich der Weg ***** im Jahr 1974 durch die Vermessungsabteilung versteint worden. Später sei bei Vermessung der gesamten Fläche ohne Zutun der beklagten Partei rechnerisch ein unverbürgtes Grundstücksausmaß von 5.067 m2 ausgemittelt worden. In der Natur sei keine Änderung des Grundstückes eingetreten. Organe der beklagten Partei hätten den Kläger keineswegs über den Grenzverlauf und das Flächenausmaß getäuscht. Bei Vertragsabschluß sei der beklagten Partei nicht bekannt gewesen, daß sich die Grundstücksfläche verändert habe und 5.067 m2 betrage. Der Kläger, der die Besitzgrenzen gekannt habe, habe sich nicht im Irrtum befunden, sein Anfechtungsanspruch wäre auch verjährt. Er habe auf die Anfechtung wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes vertraglich verzichtet. Die Voraussetzungen nach § 34 Abs 9 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes seien daher nicht gegeben. Sollte es sich aber herausstellen, daß dennoch die Voraussetzungen nach der zitierten Bestimmung vorliegen, erkläre sich die beklagte Partei bereit, die Differenz auf den angemessenen Preis zu bezahlen. Ein Anspruch nach dem genannten Gesetz hätte nur innerhalb eines Jahres nach Änderung des Flächenwidmungsplanes und Weiterveräußerung geltend gemacht werden können und sei daher verfristet.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt noch die Feststellung, daß den vertragschließenden Parteien bei Kaufvertragsabschluß die tatsächliche Größe des Grundstückes nicht bekannt gewesen sei, und führte in der Beweiswürdigung aus, daß dafür, daß von der beklagten Partei vor Kaufvertragsabschluß in der Natur Vermessungen durchgeführt worden seien, die die Grenzen des gegenständlichen Grundstückes entscheidungswesentlich zum Nachteil des Klägers verändert hätten, oder die beklagte Partei in Kenntnis des genauen, von der Katasterfläche zum Nachteil des Klägers abweichenden Ausmaßes der Grundstücksfläche bei Abschluß des Kaufvertrages gewesen sei, keine schlüssig nachvollziehbaren Beweisergebnisse vorlägen und daß das in Richtung arglistiges Verhalten der beklagten Partei abzielende Vorbringen des Klägers bei wirklichkeitsbezogener Betrachtungsweise als nicht objektivierbare Wunschbehauptung zu erachten sei. Es folgerte rechtlich aus seinen Feststellungen, daß der Kläger den wider die beklagte Partei erhobenen Vorwurf der arglistigen Täuschung nicht beweisen habe können.
Das Berufungsgericht hob mit dem angefochtenen Beschluß dieses Urteil auf und trug dem Erstgericht eine nach Verfahrensergänzung zu treffende neue Entscheidung auf. Es bewertete den Wert des Streitgegenstandes als mit S 50.000,- übersteigend und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Rechtlich folgerte das Rekursgericht, daß das auf § 34 Abs 9 des Steirischen Raumordnungsgesetzes gestützte Aufhebungsbegehren verfehlt sei, weil sich die beklagte Partei ohnedies zur Zahlung des Differenzbetrages bereit erklärt habe, sollten die Voraussetzungen dieser gesetzlichen Bestimmung vorliegen. Daher sei ein einem Begehren auf Schadloshaltung über die Hälfte gleichzuhaltender Aufhebungsanspruch des Verkäufers erloschen. Die in der Berufung erstmals als solche bezeichnete Schutznormübertretungen (§ 43 Abs 5 des Vermessungsgesetzes, § 1 lit c des Liegenschaftsteilungsgesetzes und der Grundverteilungsverordnung des Bundesministeriums für Justiz vom 21.7.1932, LGBl Nr 204) könnten selbst für den Fall ihres Vorliegens nicht zur Vertragsaufhebung führen, weil nicht erkennbar sei, wie diese angeblich noch dazu von der nicht mit der Vertragserrichtung befaßten Landesbaudirektion übertretenen Normen nach ihrer ratio die behauptete Vertragslist hätten verhindern können und den Vertragsaufhebungsanspruch zu begründen imstande seien. Auch ein durch List hervorgerufener unwesentlicher Irrtum mache den Vertrag anfechtbar, und zwar auch dann, wenn er sich nicht auf die in den §§ 871 bis 873 ABGB erwähnten Punkte beziehe. Die vom Kläger behaupteten vorschrifts- und gesetzwidrigen Vermessungen des Jahres 1973 seien in diesem Zusammenhang zwar insoweit nicht von Belang, als eine Behauptung und jeder Anhaltspunkt dafür fehle, daß die beklagte Partei sich ihrer Landesbaudirektion zur Vorbereitung oder Durchführung des Vertrages vom 22.1.1976 bedient habe; allerdings habe der Kläger darauf verwiesen, daß jene Vermessungsunterlagen, durch welche sich ergebe, daß das Ausmaß des Kaufgegenstandes größer sei als im Vertrag angegeben, der beklagten Partei und damit ihren Organen vor Errichtung und Unterfertigung des Kaufvertrags vorgelegen seien. Deren oder auch nur das Verhalten von Bediensteten der nach den Feststellungen beauftragten Liegenschaftsverwaltung, könnten der beklagten Partei als Geschäftsherrin zugerechnet werden, wenn sie tatsächlich ihre Hilfsorgane und nicht Dritte im Sinne des § 875 ABGB gewesen seien; ein Verhalten der ihr nicht von vornherein zurechenbaren vorgenannten Dritten könne der Kläger als Vertragspartner geltend machen, wenn die beklagte Partei durch ihre vertraglichen Hilfsorgane an der Handlung des Dritten vorsätzlich teilgenommen habe, von diesen offenbar habe wissen müssen oder hierüber rechtzeitig aufgeklärt worden sei. Zu diesen Behauptungen habe der Kläger Beweise beantragt, die das Erstgericht aus einer nicht zu billigenden Rechtsansicht nicht aufgenommen habe, weshalb das Ersturteil zu ihrer Aufnahme aufzuheben gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurse der Streitteile sind nicht berechtigt.
Entgegen der Ansicht der beklagten Partei ist (auch) der Rekurs des Klägers zulässig (vgl MGA, ZPO14 § 519/45). Auch kann der Rechtsansicht der beklagten Partei nicht beigepflichtet werden, daß das Berufungsgericht die Feststellung (richtig Würdigung des Erstgerichtes) für die Klagsbehauptung, die beklagte Partei habe vor Abschluß des Kaufvertrages Vermessungen durchgeführt, die die Grenzen des gegenständlichen Grundstückes entscheidungswesentlich verändert hätten, und sie habe bei Kaufvertragsabschluß trotz Kenntnis der genauen Katasterfläche zum Nachteil des Klägers ein abweichendes Ausmaß der Grundstücksfläche dem Kaufvertrag zugrunde gelegt, keine schlüssig nachvollziehbaren Beweisergebnisse vorlägen, übernommen hat, weil wie bereits oben dargelegt wurde, das Berufungsgericht in diesem Punkt das Beweisverfahren für unvollständig erachtete. Entgegen den Rekursausführungen der beklagten Partei hat der Kläger behauptet, daß die mit ihm bei Kaufvertragsabschluß kontrahierenden Beamten über das tatsächliche Ausmaß des verkauften Grundstückes im Gegensatz zum Kläger Bescheid gewußt hätten (vgl AS 124).
Der Kläger hat schon in der Klage seinen Aufhebungsanspruch nicht nur auf § 870 ABGB, sondern auch auf den Tatbestand des § 34 Abs 9 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes gestützt. Dieser lautet: "Wird ein Grundstück im Vertrauen auf die Wirkung eines Flächenwidmungsplanes, der die Bebaubarkeit dieses Grundstückes ausschließt, veräußert und wird die Bebaubarkeit eines Grundstückes durch eine nachträgliche, innerhalb von fünfzehn Jahren in Kraft getretene Neuerlassung oder Änderung eines Flächenwidmungsplanes zulässig, so hat der Veräußerer das Recht, bei Gericht die Aufhebung des Vertrages und die Herstellung in den vorigen Zustand zu verlangen, wenn der vereinbarte Kaufpreis nicht die Hälfte des Kaufpreises erreicht, der angemessen gewesen wäre, wenn die Bebaubarkeit des Grundstückes schon zum Zeitpunkt der Veräußerung möglich gewesen wäre. Der Erwerber des Grundstückes kann die Aufhebung des Vertrages nur dadurch abwenden, daß er dem Veräußerer den Unterschied zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und jenem Kaufpreis erstattet, der angemessen gewesen wäre, wenn die Bebauung des Grundstückes schon zum Zeitpunkt der Veräußerung möglich gewesen wäre. Das Recht, die Aufhebung des Vertrages und die Herstellung in den vorigen Zustand zu fordern, entsteht jedoch nur, wenn der Erwerber des Grundstückes innerhalb der fünfzehnjährigen Frist und nach Neuerlassung oder Änderung des Flächenwidmungsplanes das Grundstück wieder veräußert oder eine Bewilligung für die Errichtung eines Baues auf diesem Grundstück rechtskräftig erteilt wird, und kann bei sonstigem Verlust nur innerhalb eines Jahres nach der Veräußerung bzw der Rechtskraft des baubehördlichen Bewilligungsbeschlusses geltend gemacht werden." Nach den Erläuternden Bemerkungen (wiedergegeben in Hauer, Die Steiermärkischen Baugesetze, § 34 ROG) berücksichtigt diese Bestimmung in sachlich gebotener Weise die gerechtfertigten Interessen betroffener Eigentümer von Grundflächen, die ein Grundstück im Vertrauen auf die Wirkung eines Flächennutzungsplanes, der die Bebaubarkeit dieses Grundstückes ausschließt, veräußerten. Diese Bestimmungen, die inhaltlich dem Zivilrecht zuzuordnen seien, seien im Interesse einer möglichst weitgehenden Einordnung inhaltlich an den § 934 ABGB angepaßt. Dem Kläger ist jedoch darin beizupflichten, daß die zitierte Bestimmung nur bedingt eine analoge Heranziehung der Regelung des § 934 ABGB erlaubt, weil sie schon von ihrem Wortlaut her eine Parallelbestimmung und keinen Unterfall dieser Norm darstellt. Auf Grund ihres Wortlautes (arg: "erstattet") wendet der Erwerber den Aufhebungsanspruch des Verkäufers nur durch Zahlung bzw durch gerichtliche Hinterlegung des Differenzbetrages ab. Eine Heranziehung der Regelung des § 934 ABGB (vgl Reischauer in Rummel ABGB2 § 934 Rz 8 ff) erscheint daher nicht möglich. Den bisherigen Feststellungen läßt sich aber nicht entnehmen, ob die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Kaufvertrages nach § 34 Abs 9 des Steiermärkischen ROG vorliegen oder nicht. Sollte dies der Fall sein, wäre das bloße Anbot der beklagten Partei noch nicht zur Abwendung der Vertragsaufhebung ausreichend. Gegen die Verfassungsmäßigkeit der zitierten Bestimmung bestehen keine Bedenken, weil sie in einem ganz engen und untrennbaren Zusammenhalt mit der den Ländern zustehenden Regelungsbefugnisse im Bereich der Raumordnung steht.
Der Verzicht des Klägers auf laesio enormis kann nicht auch als Verzicht auf den Aufhebungs- bzw Entschädigungsanspruch nach § 34 Abs 9 des Steiermärkischen ROG angesehen werden, handelt es sich doch beim letztgenannten Aufhebungsanspruch, wie oben dargelegt wurde, um einen eigens geregelten Parallelsachverhalt; nach ständiger Rechtsprechung sind Verzichtserklärungen einschränkend auszulegen (vgl MGA ABGB33 § 1444/4f). Zur Anwendbarkeit der Bestimmung des § 34 Abs 9 des steiermärkischen ROG fehlt es jedoch an Feststellungen über die erfolgte Umwidmung, den erfolgten Weiterverkauf innerhalb von 15 Jahren bzw über eine bereits erteilte Baubewilligung sowie über die Einhaltung der Jahresfrist durch den Kläger. All dies wird das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren zu erheben und dann festzustellen haben.
Die vom Kläger behaupteten Verstöße gegen § 43 Abs 5 des Vermessungsgesetzes bzw der damit verbundenen Materien hätte der Kläger im entsprechenden Verwaltungsverfahren geltend machen müssen. Dies hat er weder behauptet noch bewiesen, so daß im vorliegenden Verfahren nicht darauf einzugehen war.
Irrtum ist die unrichtige oder fehlende Vorstellung von der Wirklichkeit (Unwissenheit). Die Beweislast hiefür obliegt dem, der den Irrtum behauptet. Arglist liegt vor, wenn der Vertragspartner die unrichtige Vorstellung des Irrenden durch listige Machenschaften vorsätzlich hervorruft oder einen erkannten Irrtum des Vertragspartners ausnützt. Grobe Fahrlässigkeit reicht für die Annahme von List nicht aus, wohl aber Kenntnis der möglichen Unrichtigkeit der eigenen Angaben (vgl Rummel in Rummel ABGB2 § 870 Rz 2 und 4 mwN). Unbestritten blieb, daß sich der Kaufpreis nach der Quadratmeteranzahl des Grundstückes ausrichtete. Nach den bisherigen Verfahrensergebnissen wäre davon auszugehen, daß dem Kaufvertrag eine niedrigere als tatsächlich vorhandene Quadratmeteranzahl zugrunde gelegt wurde; damit wäre, gleich ob ihn der Kläger zu vertreten hat oder nicht, von einem Irrtum seinerseits auszugehen. Zutreffend hat das Berufungsgericht die Rechtsprechung über die Zurechenbarkeit des Wissens anderer Organe der als Käufer auftretenden Gebietskörperschaft dargestellt. Die Frage, ob die vertragsabschließenden Personen der beklagten Partei erkannt haben, daß der Kläger von einem falschen Flächenausmaß ausging, und sie dessen Unwissenheit ausgenützt haben, und weiters, ob die Vermessungsorgane der beklagten Partei Hilfsdienste für die Kaufvorbereitung geleistet haben, ist jedoch eine Tatfrage, die keiner Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt.
Beiden Rekursen war daher der Erfolg zu versagen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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